Laut einer Studie teilen viele User ihre Netflix-Logins – trotz des expliziten Verbots. Wie ausgeprägt ist das Passwort-Sharing wirklich?
Netflix zieht die Daumenschrauben an – doch die Nutzer interessiert das offenbar herzlich wenig. Ob Games, Serien oder Musik: Das Teilen von Accounts boomt weiter. Eine neue Studie enthüllt die wahren Passwort-Sharing-Ausmaße bei Netflix & Co.
Passwort-Sharing bei Netflix sollte eigentlich längst Geschichte sein – zumindest, wenn man der Plattform Glauben schenken will. Mit Haushaltsbindung, Extra-Gebühren und neuen AGBs wollte der Streamingriese das Teilen von Zugangsdaten beenden. Doch die Realität sieht anders aus: Die Nutzer pfeifen auf das Verbot. Eine neue Studie der Unternehmensberatung BearingPoint bringt nun fundierte Zahlen ans Licht. Sie sprechen eine klare Sprache: Account-Sharing ist lebendiger denn je.
Wie weit verbreitet ist Passwort-Sharing bei Netflix & Co. wirklich?
Laut der Submix 2025-Studie von BearingPoint, in die 4.000 Befragungen in Deutschland und Frankreich einflossen, darunter 2.129 deutsche Haushalte mit mindestens einem kostenpflichtigen digitalen Abonnement, teilen 19 % der Netflix-Video-Abonnenten ihre Logins mit Personen außerhalb des Haushalts. Besonders heftig trifft es den Gaming-Bereich:
- 49 % der Netflix-Games-Nutzer geben ihre Passwörter weiter.
- Bei YouTube Music sind es 35 %, bei internationalen Zeitungsabos 41 %.
- Selbst bei Apple TV+ (26 %) und Disney+ (21 %) wurde in den vergangenen zwölf Monaten fleißig geteilt.
Nutzer zahlen mehr als sie wollen – und tricksen deswegen
Die Studie zeigt zudem: Deutsche Nutzer haben im Schnitt mehr als vier kostenpflichtige digitale Abos – und zahlen deutlich mehr als geplant. Obwohl die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft in Deutschland bei 34 Euro pro Monat liegt – und damit leicht über dem französischen Niveau von 31,50 Euro –, zahlen deutsche Nutzer in der Realität rund 55 Euro monatlich für digitale Inhalte. Dazu kommt in Deutschland noch die zwangsweise Abgabe der Haushaltspauschale pro privat genutzter Wohnung.
Besonders drastisch zeigt sich dieses Ungleichgewicht im Gaming-Bereich: Hier liegen die tatsächlichen Ausgaben bei satten 93 Euro pro Monat, obwohl die von den Befragten gesetzte Schmerzgrenze bei gerade einmal 24,40 Euro liegt. Interessant ist auch der länderspezifische Unterschied in der Gewichtung: Während in Frankreich eher Gaming, Online-Medien (Presse) und Pay-TV als investitionswürdig gelten, fließt das Geld deutscher Haushalte bevorzugt in Video-on-Demand-Angebote und Musikstreaming-Dienste.
Um die wachsenden Kosten im Griff zu behalten, setzen viele Nutzer inzwischen auf zwei zentrale Sparstrategien. Sie nehmen Kombipakete und werbefinanzierte Abos in Anspruch. Laut Studie zeigen 59 Prozent Interesse an vergünstigten Bündelangeboten, etwa in Verbindung mit Internetverträgen oder als Teil von Amazon-Prime-Bundles. Rund ein Viertel nutzt solche Modelle bereits aktiv. Auch werbefinanzierte Abo-Varianten stoßen auf zunehmende Akzeptanz: Sie ermöglichen einen günstigeren Zugang zu digitalen Inhalten und helfen Anbietern gleichzeitig, die Kündigungsrate zu senken, ohne den Leistungsumfang drastisch einschränken zu müssen.

Digitale Abo-Landschaft am Limit
Netflix, Spotify & Co. stoßen beim Thema Finanzierung an ihre Grenzen. Die Studie zeigt:
- Nur 4 % der Nutzer planen neue Abo-Abschlüsse.
Trotz der intensiven Nutzung digitaler Abonnements herrscht Kaufzurückhaltung: Lediglich rund vier Prozent der deutschen Befragten planen, in den kommenden sechs Monaten ein neues kostenpflichtiges Abo abzuschließen.
- Über 90 % sind mit ihren bestehenden Angeboten zufrieden.
Musikstreaming-Dienste punkten bei der Nutzerzufriedenheit besonders deutlich: Spotify führt das Feld mit beeindruckenden 99 Prozent Zufriedenheit an, dicht gefolgt von Apple Music und YouTube Music, die jeweils auf 98 Prozent kommen. Bei der wöchentlichen Nutzung dominieren hingegen Netflix und YouTube – beide werden von 87 Prozent der Befragten regelmäßig genutzt und zählen damit zu den meistgenutzten digitalen Angeboten in Deutschland.
- Die Kündigungsquote bleibt niedrig – trotz der Preissteigerungen.
Die Kundentreue bleibt somit hoch: Weniger als ein Fünftel der Nutzer hat in den kommenden sechs Monaten vor, bestehende Abos zu kündigen.
Das Problem: Wachstum über neue Kunden ist kaum noch möglich. Gleichzeitig unterlaufen viele das System durch das Passwort-Sharing.
Wie reagieren die Anbieter auf Passwort-Sharing bei Netflix & Co.?
Netflix hat als Vorreiter in Deutschland bereits folgende Maßnahmen eingeführt:
- Geräte- und Standortbindung
- Multi-Faktor-Authentifizierung
- Zusatzkosten für „Mitnutzer“ außerhalb des Haushalts.
Auch Sony und andere Streaming-Plattformen ziehen nach – doch der Erfolg ist bislang überschaubar. Die Nutzer bleiben zwar, doch sie umgehen die Beschränkungen.
Ohne neue Strategien werden Anbieter ihre Relevanz verlieren, prognostiziert Studienautor Thomas Heiß. Gefordert seien nun:
- Bessere Preismodelle
- Attraktive Bundles
- Personalisierte Empfehlungen
- Und last, but not least eine transparente Preis-Leistung.
Fazit: Netflix kämpft – aber die Nutzer gewinnen
Der Markt für digitale Abos ist an einem Wendepunkt angelangt. Das Wachstum durch Neukunden ist kaum existent. Wer sich heute ein Bein ausreißt, um das Teilen von Passwörtern zu unterbinden, kämpft nicht gegen eine Sicherheitslücke – sondern gegen eine gelebte Alltagspraxis. Die Nutzer sind smarter, preissensibler und längst vernetzt. Der digitale Untergrund hat ein neues Gesicht: Er streamt – gemeinsam.
Passwort-Sharing bei Netflix ist kein Kavaliersdelikt mehr – sondern ein systemisches Problem mit wirtschaftlicher Tragweite. Die Anbieter stehen unter Druck: Nur mit smarter Angebotsarchitektur und echter Nutzerbindung können sie das Ruder noch herumreißen. Die Studie zeigt: Wer heute nur verbietet, verliert. Wer versteht und flexibel bleibt, hat eine Zukunft. Thomas Heiß resümiert entsprechend:
„Das Teilen von Passwörtern für Abos ist mittlerweile eine weit verbreitete Praxis und stellt die Anbieter vor extreme Herausforderungen. Laut unserer Studie haben in den letzten zwölf Monaten besonders viele der Befragten ihre Passwörter von Abos wie Netflix Games, Amazon Prime Gaming, EA Play und YouTube Music geteilt. Dies führt zu einem deutlichen wirtschaftlichen Schaden für die Anbieter. Hierauf müssen sie nicht nur mit strengen Regelungen, sondern auch mit neuen Maßnahmen wie attraktiven Preismodellen, überzeugenden Bundle-Lösungen und intelligenten Werbestrategien reagieren“.
„Der digitale Abomarkt driftet auseinander: Während einige Anbieter ihre Modelle strategisch weiterentwickeln, verlieren andere den Zugang zur Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden. Wer heute nicht in Nutzerverständnis und Angebotsarchitektur investiert, wird morgen an Relevanz verlieren. Anbieter wie Netflix, Spotify und Amazon Prime sind noch stark, müssen aber zunehmend auf Preis-Leistung und Personalisierung setzen.“