Dänemark im Piraten-Fieber: 21 % streamen illegal, 45 % der unter 30-Jährigen. Eine Studie zeigt Rekordwerte digitaler Streaming-Piraterie.
Dänemark steckt im Piraten-Fieber. Eine neue Studie zeigt, dass illegales Streaming und Downloads rasant zunehmen, vor allem unter jungen Dänen. Jeder Fünfte konsumiert Inhalte illegal, fast jeder Zweite in der Altersgruppe unter 30. Damit hat sich illegales Streaming von einem Nischenphänomen zu einer kulturellen Gewohnheit entwickelt. Schweden plant derweilen ein Gesetz, das Zuschauer illegaler Streams belangen soll.
Dänemark im Piraten-Fieber: Zahlen, die aufhorchen lassen
Die repräsentative Erhebung wurde vom Mai 2024 bis Mai 2025 vom Analyseinstitut Norstat im Auftrag der dänischen Handelskammer (Dansk Erhverv) durchgeführt. Befragt wurden dabei 2.012 Däninnen und Dänen zwischen 15 und 74 Jahren. Laut Dansk Erhverv ist die Untersuchung repräsentativ für die dänische Bevölkerung zwischen 15 und 74 Jahren und bildet deren Verteilung nach Geschlecht, Alter und Region ab.
Laut dieser aktuellen Erhebung der dänischen Handelskammer hat sich das digitale Piraterie-Verhalten im Königreich innerhalb von sieben Jahren verdoppelt. Jeder fünfte Däne (21 %) zwischen 15 und 74 Jahren hat im Erhebungszeitraum (Mai 2024 – Mai 2025) illegal gestreamt oder heruntergeladen. Im Jahr 2018 waren es im Vergleich (ab 18 Jahren) noch 10 %. Bei den 15- bis 29-Jährigen ist es sogar fast jeder Zweite (45 %).
Am stärksten betroffen sind Serien/Filme mit 15 % im Erhebungszeitraum, gefolgt von Sport (8 %) und Musik (5 %). 4 % nutzten im letzten Jahr illegales IPTV, 9 % eine VPN-Verbindung, um Geoblocking zu umgehen. Parallel dazu zeigt sich ein deutlicher Wandel in der gesellschaftlichen Akzeptanz. Immer mehr Dänen halten illegales Streaming oder Herunterladen für vertretbar oder zumindest nicht besonders verwerflich. Konkret halten 23 % Piraterie „grundsätzlich für okay“. Sune Jensen, Leiter des Bereichs Medien und Kreativwirtschaft bei Dansk Erhverv, warnt:
„Wir beobachten einen besorgniserregenden Wandel in der Einstellung und müssen etwas dagegen unternehmen, wenn wir auch in Zukunft Zugang zu qualitativ hochwertigen Inhalten wie Musik, Filmen, Büchern und Sportveranstaltungen haben wollen. Die Studie zeigt, dass es dringend notwendig ist, die Bemühungen gegen digitale Piraterie sowohl in Dänemark als auch auf europäischer Ebene zu verstärken.“
Von Netflix-Überdruss zu Piraten-Streaming
Warum also greifen so viele Dänen zu illegalen Quellen? Die Antwort liegt in Fragmentierung, Preisexplosionen bei Streamingdiensten und Content-Exklusivität:
- 48 % wollten Inhalte sehen, die in Dänemark nicht verfügbar sind.
- 41 % gaben an, illegale Angebote seien schlicht billiger.
- 22 % meinten, das Angebot dort sei besser als auf legalen Plattformen.
Das „Piraten-Fieber“ hat also klare Ursachen, die Nutzer in die Grauzone treiben. Wer drei bis vier Abos braucht, um seine Lieblingsserien zu sehen, klickt irgendwann lieber auf den illegalen Link.
Wege ins Schattennetz: So finden Dänen illegale Streams
Wer in Dänemark illegal streamt, geht dabei ganz pragmatisch vor. Die meisten Nutzer googeln gezielt nach Quellen oder besuchen bekannte Piratenseiten direkt. Andere lassen sich bequem Links von Freunden schicken oder stoßen über Apps und soziale Netzwerke auf illegale Angebote.
Diese Vielzahl an Zugangswegen zeigt, wie ausgefeilt und dezentral die Piraterie-Szene inzwischen funktioniert. Entsprechend breit aufgestellt ist die Gegenstrategie der Rights Alliance (RettighedsAlliancen). Sie lässt illegale Inhalte aus sozialen Medien entfernen, sorgt für Delistings aus Suchmaschinen und blockiert den Zugriff auf Piratenseiten. Ziel ist es, den Nutzern den einfachen Weg ins Schattennetz so schwer wie möglich zu machen.
Illegale IPTV-Netze sind nach Brancheneinschätzung zudem eng mit organisierter Kriminalität verflochten. Nutzer riskieren Malware/Ransomware, Daten- und Kreditkartenmissbrauch. Besonders unter jungen Menschen wächst die Furcht vor solchen Konsequenzen. 41 % der 15–29-Jährigen geben an, sie hätten Angst vor Viren oder Ransomware. 31 % fürchten, rechtlich belangt zu werden, weitere 31 % fürchten Datenmissbrauch. Die Rights Alliance wertet das als Erfolg ihrer Aufklärungskampagnen. Doch die Wirkung ist begrenzt, solange legale Alternativen nicht konkurrenzfähig genug sind.
Schweden reagiert – Zuschauer sollen zur Kasse gebeten werden
Während Dänemark noch diskutiert, zieht Schweden bereits die Notbremse. Künftig soll es dort illegal sein, für den Zugang zu Piratenseiten zu bezahlen oder solche Inhalte bewusst anzuschauen. Die Regierung bereitet aktuell ein Verbot der Nutzung illegaler IPTV-Dienste vor, nicht nur für Anbieter, sondern explizit auch für Zuschauer mit der Erhebung von Bußgeldern. Der Schritt folgt auf einen massiven IPTV-Boom. Laut der Analysefirma Mediavision nutzen inzwischen über 700.000 Haushalte in Schweden illegales IPTV, eine Zahl, die auch in Dänemark stetig steigt.
Gemäß Mediavision haben inzwischen 1,5 Millionen nordische Haushalte Zugang zu illegalem IPTV. Ein aktueller Bericht der Rights Alliance spricht davon, dass 360.000 dänische Haushalte ein illegales IPTV-Abo abgeschlossen haben könnten und somit für ein Produkt zahlen, das weder Steuern noch Rechteabgaben kennt. Damit wird Schweden zum europäischen Testlabor. Wer den Konsum selbst unter Strafe stellt, verändert die gesamte Dynamik der Piraterie-Bekämpfung.
Was heißt das für Deutschland?
Deutschland steht längst vor denselben strukturellen Problemen wie in Dänemark und Schweden. Fragmentierte Rechte, plattformexklusive Inhalte und Paywalls im Live-Sport treiben auch hierzulande immer mehr Nutzer in rechtliche Grauzonen. Wer Champions League, Serienhits und Blockbuster sehen will, muss inzwischen bei fünf oder mehr Diensten gleichzeitig abonnieren, ein Abo-Dschungel, der vielen den legalen Zugang schlicht verleidet.
Die nordischen Daten sind Frühwarnindikatoren für Märkte mit hoher Streaming-Durchdringung. Wenn Schweden Konsum-Tatbestände einführt und Dänemark die Blocking-Praxis ausweitet, wird die Diskussion über EU-weit einheitliche Gegenmaßnahmen lauter werden, vom Sofort-Blocking illegaler Livestreams bis hin zu Zahlungsfluss-Sperren.
Fazit: Das Fieber steigt – nicht nur in Dänemark
Dänemark zeigt, was passiert, wenn sich Streaming-Frust, Überangebot und Preisdruck mischen. Die Nutzer reagieren rational und klicken irrational auf illegale Quellen, die alles bieten, was legale Plattformen verweigern. Das Piraten-Fieber ist ein Symptom, kein Zufall. Solange Rechteinhaber und Politik den Patienten nur moralisch behandeln, statt strukturell, wird die Krankheit bestehen bleiben und sich weiter ausbreiten.