Als Blog- oder Webseitenbetreiber eine Klage bzw. Abmahnung erhalten? Stellt die Gegenseite juristische Ansprüche? Was kann man dann tun?
Als Betreiber einer Webseite eine Klage oder Abmahnung erhalten? Unser „Erste-Hilfe-Kasten“ für den Ernstfall enthält alle juristischen Ansprüche der Gegenseite und alle Entgegnungen, die uns zur Verfügung stehen. Wohl dem, der als Betreiber einer Webseite auf diesen Alptraum gut vorbereitet ist.
Das ist das Horrorszenario eines jeden Bloggers oder Webseitenbetreibers, der glücklicherweise nur selten eintrifft – aber zumeist das Werbe-Budget eines ganzen Jahres aufzehrt. In vielen Fällen muss man einen Fachanwalt für Medienrecht zur Abwehr von juristischen Ansprüchen engagieren. Und dann wird es abhängig vom Streitwert, den die Gegenseite zumeist so hoch wie möglich ansetzt, sehr teuer. Vom Streitwert ist nämlich die Höhe der Kostennote beider Anwälte abhängig, weswegen die Kanzleien dazu neigen, diesen Wert zu maximieren.
Der im Impressum vermerkte Betreiber der Webseite erhält bei juristischen Ansprüchen das Telefax eines Anwalts oder bei einem Eilverfahren sogar Post vom zuständigen Amtsgericht. Dann spielt es keine Rolle mehr, wie viel Mühe man sich im Vorfeld mit der Recherche eines Beitrages gemacht hat. Ist der gegnerische Jurist am Abzug, geht unser Blutdruck und Puls blitzartig in die Höhe.
Man kann keine Abmahnungen verhindern
Es kann immer wieder passieren, dass sich jemand durch die Berichterstattung in seinen Rechten beschnitten fühlt. Warum uns das drohen kann? Ganz einfach! Der Gesetzgeber möchte erwirken, dass niemand den Medien (dazu gehören auch Webseiten) hilflos ausgesetzt ist. Jeder soll dazu in die Lage sein, sich erfolgreich gegen eine unzulässige Berichterstattung und somit gegen eine Herabsetzung der Reputation eines Unternehmens oder den Ruf einer Privatperson zu wehren. Grundsätzlich bedürfen viele presserechtliche Fragen einer Abwägung der Pressefreiheit und/oder Meinungsfreiheit auf der einen und des Persönlichkeitsrechts auf der anderen Seite. Der gesetzliche Schutz der Persönlichkeit und die Freiheit der Presse kommen sich deswegen häufiger in die Quere. So können Veröffentlichungen privater Details einer prominenten Person erlaubt sein, sofern diese Informationen für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse sind. Ob das der Fall ist, muss ein Gericht dann wieder gesondert prüfen.
Egal ob das Thema oder der Tonfall im Artikel kritisch war: Jeder Verfasser eines Beitrages sollte bei seiner Arbeit viel Sorgfalt aufwenden und möglichst nur das veröffentlichen, was sie oder er nach gründlicher Recherche beweisen kann. Wer das kann, muss sich bei Forderungen der gegnerischen Partei wenig Sorgen machen. Im Gegenteil: Die Klagefreudigkeit ist umso geringer, umso stichhaltiger die Beweise für die eigene Story sind. Wer die falschen Tatsachenbehauptungen von einem anderen Medium abschreibt, den trifft es natürlich trotzdem. Der Gegner wird nicht nur den Ursprung einer falschen Nachricht sondern alle Portale abmahnen, die diese veröffentlicht haben.
Nicht alle Abmahnungen sind gerechtfertigt!
Leider sind rechtlich gesehen nicht alle Ansprüche gültig, mit denen man im Laufe der Zeit konfrontiert wird. Manchmal versuchen die Anwälte der Gegenseite einfach, auf gut Glück mithilfe einer Abmahnung Druck aufzubauen. Abmahnungen sind bei juristische Ansprüchen wie eine Waffe. Das gilt erst recht bei kleinen Anbietern, deren finanziellen Ressourcen sehr gering sind. Das ist auch der Grund, weswegen die Gegenseite vor dem Versand der Abmahnung gerne eine Auskunft bei einer Wirtschaftsauskunftei einholt, um vorab die Liquidität des Webseitenbetreibers zu klären. Wir berichteten bereits über dieses Vorgehen.
So wurde Tarnkappe.info im Oktober 2015 von einer Aachener Firma abgemahnt, obwohl wir nicht einmal deren Firmennamen im fraglichen Beitrag erwähnt haben. Nur aufgrund der Angabe von deren Bankverbindung bei der Sparkasse Aachen kann aber kein Leser erraten, wer da für welchen Sharehoster Gelder abgerechnet hat. Von daher war es uns gar nicht möglich, deren Ruf zu schädigen, weswegen wir die Abgabe der Unterlassungserklärung als auch die Zahlung der Kostennote von mehr als 1.500 Euro abgelehnt haben. Natürlich erst nach Prüfung einer eigens dafür beauftragten Medienkanzlei, die derartige Dienstleistungen natürlich nicht umsonst anbietet.
Einstweilige Verfügungen
Das gleiche gilt auch bei Einstweiligen Verfügungen der Amtsgerichte. Die Richter prüfen den Inhalt der Ansprüche nicht inhaltlich. Das geschieht immer erst viel später, sofern man das Verfahren in erster Instanz gerichtlich verhandelt. Knickt der Empfänger der Einstweiligen Verfügung ein, kommt es zu keiner juristischen Prüfung mehr, was ja auch so gewollt ist.
In einem anderen Fall schrieb uns ein Berliner Fachanwalt für Strafrecht an. Er wollte damit bewirken, dass der blonde Macher von PC Fritz komplett aus unserer Berichterstattung verschwindet. Sein Anwalt drohte uns eine Strafanzeige an, obwohl wir im Internet ein Foto auftreiben konnten, wo sich Herr O. gemeinsam mit dem mittlerweile verurteilten Firat C. präsentiert hat. Angedroht wurde zudem eine Strafanzeige wegen Verleumdung zuzüglich zu einer Unterlassungserklärung, die wir abgeben sollten. Wir haben den Nachnamen dann abgekürzt und später erfahren, dass diese Person in Deutschland gesucht wird und es deswegen nie zu einem Gerichtsverfahren gegen uns gekommen wäre. In dem Moment wäre der Mann mit den guten Beziehungen zur Ukraine sofort verhaftet worden. Der Chefredakteur der Berliner Tageszeitung hatte zuvor eigenhändig versucht, uns von einer zeitnahen Löschung der Artikel zu überzeugen, allerdings ohne Erfolg.
Unterlassungserklärung: die Kapitulation auf ganzer Linie
Wichtig: Wer eine Unterlassungserklärung unterschrieben zurückschickt, verzichtet selbst auf seine ganzen Rechte!! In dem Fall hat man freiwillig einen Vertrag mit der anderen Seite unterzeichnet. Der Inhalt dieses Vertrages kann nicht mehr außergerichtlich oder gerichtlich geklärt werden, dafür ist es dann schlichtweg zu spät. Davon muss man auf jeden Fall abzuraten. Auf juristische Ansprüche kann man auch anders reagieren.
Falschmeldung: welche juristischen Ansprüche drohen einem?
Doch von welchen Ansprüchen kann man überhaupt betroffen sein? Wenn sich ein Anwalt an uns wendet, verlangt er entweder eine Gegendarstellung, eine Unterlassung, die Berichtigung des Artikels oder er stellt im Extremfall Geldforderungen. Diese Ansprüche können einzeln oder kombiniert beantragt werden. Um eine Waffengleichheit herzustellen, sollte jemand von der hauseigenen Rechtsabteilung oder ein beauftragter Fachjurist in Anspruch genommen werden.
Vor allem kleinere Unternehmen verzichten gerne aus Kostengründen auf die Anstellung eines Juristen. Doch ohne Juristen können Laien mangels Fachwissens nicht überprüfen, ob die Forderungen der gegnerischen Partei berechtigt sind. Eile ist geboten, ansonsten droht ein Verstreichen der gesetzten Fristen. Oftmals droht die Gegenseite nach Ablauf der Frist mit dem Gang zum Gericht, dann wird es für uns noch teurer. Auch große Medienhäuser knicken häufig ein, weil sie lieber eine kleinere Korrektur vornehmen als unnötige Folgekosten zu riskieren. Dies habe ich selbst schon häufiger als freier Journalist erlebt, als die fraglichen Beiträge nach dem Empfang der Abmahnung reihenweise verändert oder sogar gelöscht wurden.
a) die Gegendarstellung
Gibt es berechtigte Zweifel an den Tatsachenbehauptungen des eigenen Artikels? Können wir diese nicht beweisen? In dem Fall stellt eine abgedruckte Gegendarstellung einen Ausweg dar. Die Gegenseite vereinbart dies oftmals mit Printmedien. Dabei präsentiert der vom Artikel Geschädigte die Faktenlage in der Form, wie er sie für richtig hält. Der Gesetzgeber möchte damit erreichen, dass niemand von der Öffentlichkeitswirkung eines Artikels „überrollt“ wird.
Die Zeitungen drucken derartige Gegendarstellungen gerne weiter hinten ab, um sie weniger auffällig zu platzieren. Andere Möglichkeiten stellen das Veröffentlichen eines formlosen Leserbriefes (der Gegenseite) oder eines Interviews dar. In jedem Fall sollte ein Jurist die Prüfung vornehmen, ob die vorgeschlagene Gegendarstellung den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Übrigens: Die Gegendarstellung, der Leserbrief oder das Interview dürfen die Länge des Artikels nicht wesentlich überschreiten, das wäre nicht zulässig.
b) die Unterlassung
Dabei fordert der Betroffene im Rahmen der strafbewehrten Unterlassungserklärung, dass das angeschriebene Medienunternehmen bzw. der Betreiber der Webseite sein Verhalten nicht wiederholt. Die wiederholte Veröffentlichung von Falschaussagen, beleidigenden Werturteilen, Videos oder Fotos soll damit in jedem Fall vermieden werden. Um dies sicherzustellen, vereinbart man eine Vertragsstrafe, die man bei jedem weiteren Verstoß zahlen muss. Daneben gibt es auch den vorbeugenden Unterlassungsanspruch, um eine Erstveröffentlichung zu verhindern.
Als rechtliche Voraussetzung muss erfüllt sein, dass aufgrund von falschen Tatsachenbehauptungen der Betroffene in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Das können neben beleidigenden Aussagen auch Details aus dem Privatleben einer Person oder nicht zur Veröffentlichung genehmigte Fotos oder Videos sein. Sollte sich der Betreiber des Blogs weigern, die Unterlassungserklärung abzugeben, prüft das Gericht, ob die Berichterstattung tatsächlich fehlerhaft war. Das muss der Kläger dann vor Gericht glaubhaft machen, warum und in welchem Umfang (beispielsweise wegen der Höhe von Schadenersatzforderungen) der eigene Ruf durch den fehlerhaften Bericht herabgesetzt wurde.
c) Berichtigung (konkret: Widerruf, Richtigstellung, Ergänzung)
Sollte der Artikel von vorne bis hinten unwahr sein, kann man von der Redaktion verlangen, den Artikel mithilfe eines Widerrufs komplett zurückzuziehen. Zumeist verlangt man die komplette Löschung des Beitrages. Oft wird auch eine Richtigstellung der falschen Aussagen oder eine Ergänzung bisher nicht erwähnter Tatsachen angestrengt. Das kann auch der Fall sein, sofern man durch den Bericht einen falschen Eindruck vom Betroffenen vermittelt. Hierbei darf die geforderte Berichtigung oder Ergänzung den Umfang des ursprünglichen Artikels nicht um ein Vielfaches übersteigen.
Hat das Medium wirklich fehlerhaft berichtet, so sollte man im Idealfall freiwillig und zeitnah eine Korrektur des Artikels durchführen. Dadurch erspart man sich unnötige Anwalts- und Gerichtskosten. Allerdings spielt hierbei die Platzierung des Artikels eine große Rolle. Sind Tatsachenbehauptungen im Kern wahr, werden Richter es zumeist ablehnen, dass Korrekturen kleinerer Ungenauigkeiten vorgenommen werden müssen.
Manchmal gerät man allerdings an Anwälte, die sogar nach erfolgter mehrfacher Korrektur versuchen, weitere Ansprüche zu stellen. Gerät man an einen „Spezialisten“, der versucht, einen zu weiteren Zugeständnissen zu drängen, so sollte man zum Ausgleich der Waffengewalt unbedingt einen eigenen Anwalt einschalten. Wenn dieser statt der Redaktion antwortet, werden oftmals alle Forderungen auf ein normales Maß zurückgefahren.
d) Geldzahlungsansprüche (Schadenersatz, Schmerzensgeld)
In besonders schweren Fällen kann man sogar Geldzahlungsansprüche beantragen. Zumeist stellen Unternehmen derartige Forderungen, weil sie glauben, dass durch die unzulässige Berichterstattung ein Geschäftsschaden entstanden ist. Vor Gericht muss das klagende Unternehmen dann den durch den Artikel erlittenen Schaden beweisen. Die Forderung ist zudem nur gültig, sofern man dem Autor des Artikels ein schuldhaftes Verhalten beweisen kann, weil er gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen hat.
Privatpersonen können bei schweren Verletzungen ihrer Persönlichkeit oder Ehre Schmerzensgeld fordern, sofern kein anderer als ein finanzieller Ausgleich möglich ist. Dafür muss die Beleidigung oder sonstige Persönlichkeitsverletzung aber sehr weitreichend sein. Das gilt zum Beispiel bei Prominenten, deren Wert durch die Rufschädigung einen großen Schaden genommen hat und deren Auftragslage sich entsprechend verschlechtert.
Ausnahmen für juristische Ansprüche
Glücklicherweise muss dank des deutschen Presserechts nicht auf jede Forderung eingegangen werden. Alle Ansprüche gegenüber der Presse setzen nämlich voraus, dass es sich bei der strittigen Passage um keine Meinungsäußerung handelt. Die Gegenseite darf aber Ansprüche aufgrund der Veröffentlichung einer Unwahrheit stellen. Die Veröffentlichung der eigenen Meinung muss hingegen nicht korrigiert oder widerrufen werden. Wenn ein Redakteur beispielsweise zum Urteil kommt, dass er ein bestimmtes Produkt für unzweckmäßig hält, so darf er dies auch in seinem Bericht zum Ausdruck bringen, dafür muss sich niemand entschuldigen.
Fazit
Zwar ist es unter dem Strich gut zu wissen, welche Rechte man als Autor oder Betreiber einer Webseite hat und welche Konsequenzen auf einen zukommen können. Doch spätestens wenn es nach einer gescheiterten Einigung ans Eingemachte geht, muss man sich die kompetente Hilfe eines Anwalts für Medienrecht holen. Es macht aufgrund der erheblichen Risiken keinen Sinn, sich ohne juristischen Beistand eigenhändig einen Pfad durch den Paragrafendschungel zu schlagen. Bei dem Versuch sind schon so manche vom Weg abgekommen und haben teuer bezahlt, obwohl sie dabei eigentlich nur ihre Geldbörse schonen wollten.
Quellen
Viele Informationen dieses Artikels stammen aus dem Buch „Journalistenrecht – Die wichtigsten Fragen aus dem redaktionellen Berufsalltag“ von Frank Fechner und Axel Wössner.
Tarnkappe.info