Massimiliano Capitanio feiert die gerichtlich angeordnete Google DNS Sperre offensichtlich rechtswidriger IPTV-Anbieter in ganz Italien.
Auf LinkedIn applaudierte der italienische Politiker Massimiliano Capitanio dem Sieg seiner Behörde über die Netzneutralität – und in meinen Augen leider auch über den gesunden Menschenverstand. Die Google DNS Sperre illegaler IPTV-Anbieter hat das Tribunale di Milano (Landgericht Mailand) kürzlich offiziell bestätigt.
Google DNS Sperre ohne Anhörung der Gegenseite!
Die Anwälte von Google durften ihre Sicht noch nicht einmal im Rahmen einer Anhörung vorbringen. Der Beschluss erfolgte „inaudita altera parte“. Das bedeutet, die Entscheidung fiel „hinter dem Rücken der anderen Partei“. Dieses Vorgehen ist bei akuten Urheberrechtsverletzungen gängige Praxis, um den öffentlichen Zugang zeitnah zu unterbinden. Bis auf wenige Ausnahmen hört sich auch in Italien normalerweise das Gericht jeder Instanz die Argumentation beider Seiten an.
Nach Ansicht des Landgerichts Mailand sind weiterhin alle in Italien aktiven DNS-Dienste dazu verpflichtet, die Vorgaben des Antipirateriegesetzes Nr. 93/2023 zwingend umzusetzen. Ein ähnliches Urteil erging im August des Vorjahres gegen Cloudflare. Wer einen der beiden DNS-Dienste innerhalb Italiens benutzt, für den ist die Live-Streaming- oder IPTV-Website schlichtweg nicht mehr erreichbar.
DNS Blocking Italien: ein historisches Urteil für Capitanio
Capitanio bezeichnete dies bei LinkedIn als ein geradezu „historisches Urteil des Mailänder Gerichtshofs„. Nach Cloudflare sei der Empfänger der gerichtlichen Entscheidung nun Google, „der Riese aus Mountain View„, verspottete der AGCOM-Chef den Tech-Konzern. Die Anordnung stammt vom 11. März. Das Gericht erließ sie im Rahmen einer Klage des Ligaverbands der höchsten italienischen Fußballliga, Lega Serie A. Der Ligaverband hatte Klage eingereicht, dass Googles öffentlicher DNS-Dienst die von der AGCOM erlassenen Anordnungen zur Sperrung von Piratenseiten nicht eingehalten habe.
Über 8.8.8.8 konnten die Italiener nämlich bislang trotz der Sperranordnung der AGCOM auf illegale Inhalte zugreifen, die bereits durch die Plattform Piracy Shield gesperrt waren. Unternehmen, die der europäischen Verordnung über digitale Dienste unterliegen, können auch ohne direkte Beteiligung der DNS-Anbieter wegen den Rechtsverletzungen Dritter kontaktiert und zur Verantwortung gezogen werden, sollten sie die Sperre trotz Urteil nicht inkraft setzen. Bei Nichtbeachtung drohen VPN-* und Proxy-Diensten Strafen von bis zu einem Jahr Haft.

Google verklagt: Piracy Shield soll die Piraterie lückenlos eliminieren
Zudem wurden im Rahmen dieser Maßnahmen auch Smart-TV-Hersteller wie Samsung und LG kontaktiert, um die Installation von IPTV-Apps auf ihren Geräten zu unterbinden und so die Verbreitung illegaler Inhalte weiter einzudämmen. Wir haben erstmals im Dezember 2023 über den Aufbau vom Piracy Shield berichtet.
Der frühere Journalist und Politiker Massimiliano Capitanio zelebriert dieses Urteil geradezu. Übersetzt schrieb er: „Mit der Anordnung, die Sperren zu vollstrecken, und der präzisen Rekonstruktion der Rechtsvorschriften bestätigte der Richter also den Wert der Untersuchungen der AGCOM und verlieh damit einem weltweit einzigartigen System zum Schutz des Urheberrechts erneut Legitimität.„

Kommentar: Bei dem Urteil wird mir schwarz vor den Augen!
Sollte es irgendwann auf EU-Ebene ein vergleichbares System wie das Piracy Shield geben, wären Google DNS Sperren wohl unser aller kleinstes Problem. Das Internet nahm zur Jahrtausendwende Fahrt auf und entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum Wilden Westen. Würde man dieses beinahe lückenlose Zensursystem flächendeckend eingeführen, wäre es mit der Freiheit im WWW endgültig vorbei. Dann wäre nicht nur, wie jetzt, ein öffentlicher DNS gesperrt worden.
Zumindest über die Einstellung des Behörden-Chefs muss man sich nicht weiter wundern. Einerseits war er bekannt für seine guten Beziehungen zu führenden Internet- und Telefonanbietern. Andererseits setzte er sich in seiner Zeit im italienischen Parlament für strenge Antipiraterie-Maßnahmen und die Ausweitung der Haftung sozialer Netzwerke bei Desinformation und Hassrede ein.
An vorderster Front, um zu kontrollieren, was im WWW passieren darf
AGCOM-Kommissar Capitanio hat in einer Pressemitteilung zur KI-Regulierung seine Vision des World Wide Web konkretisiert. Seine Behörde stehe „an vorderster Front, um ein sicheres und faires digitales Ökosystem zu gewährleisten (…)“. Die AGCOM sei somit zuständig „vom Jugendschutz bis zum Urheberrecht, von der nachhaltigen Entwicklung der Märkte bis zum pluralistischen Prinzip des Schutzes der Richtigkeit und Vollständigkeit von Informationen”. Eine allumfassende Zuständigkeit also. Mangelndes Selbstvertrauen kann man dem Mann jedenfalls nicht vorwerfen…
Gerichtliche Google DNS Sperre ist nahezu sinnlos
Eigentlich soll das Piracy Shield die Piraterie lückenlos blockieren. Zugegeben, das mag bis zu einem gewissen Grad funktionieren. Aber man wird keine Fußballfans, die nicht bereit sind, die horrenden Preise der Ersten Liga zu zahlen, dauerhaft davon abhalten können, dieses System zu umgehen. Der nächste logische Schritt wäre es außerdem, die gemeinnützige Organisation Tor Project, Inc. mit Sitz in Seattle, Washington, zu verklagen. Dazu kämen die anonymen Betreiber aller Darknet-Netzwerke (I2P etc.) und alle Off Shore VPN-Provider*. Nicht zu vergessen die Hersteller der Browser Brave, Opera oder Microsoft Edge, die ein eigenes VPN integrieren. Und die Antiviren-Produzenten mit eigenem VPN-Dienst. Und und und. Die Liste der zu verklagenden Parteien wäre schier endlos, will man sie wirklich alle vor den Kadi ziehen.
Und wenn wir schon dabei sind, könnte man ja auch böse Medienhäuser wie tarnkappe.info blockieren, die ungefragt einfach frei Schnauze ihre Meinung zum Thema kundtun. Wer soll das bitteschön kontrollieren, sollten bei uns plötzlich die Lichter ausgehen ?!?
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