Filesharing
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Bildquelle: succo

Filesharing: Wird 70-Jährige zum Opfer der Rechtssprechung?

Das AG Köln hat die fast 70-jährige Mutter eines Freifunkers wegen Filesharing verurteilt, obwohl sie gar keinen eigenen Computer besitzt.

Das Amtsgericht Köln hat in einem Urteil vom 08.06.2020, Az. 148 C 400/19, entschieden, dass eine fast 70-jährige Anschlussinhaberin wegen illegalem Filesharing zu einem Schadenersatz verurteilt wird. Indem sie keinen Dritten benannte, der außer ihr für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich gewesen sein könnte, blieb die sekundäre Darlegungslast hier unerfüllt. Jedoch wird das im Jahr 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Abschaffung der Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLAN-Netze häufig „gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers“ ausgelegt. So auch in diesem Fall berichtet Beata Hubrig, Rechtsanwältin und Freifunkerin aus Berlin, auf dem Blog Freifunk statt Angst.

Warner Bros. verklagt 70-Jährige auf Schadenersatz wegen Urheberrechtsverletzung

RichterhammerIn dem Verfahren ging es um die illegale Zurverfügungstellung von urheberrechtlich geschützten Filmaufnahmen über eine Tauschbörse. Der Beklagten wurde durch eine beauftragte Firma unter Zuhilfenahme eines Forensic-Systems nachgewiesen, dass über ihren Internetanschluss Filmmaterial zum Download auf einer Tauschbörse angeboten wurde, obwohl die Beklagte hierzu nicht berechtigt war. Allein die Klägerin, Warner Bros., hatte die uneingeschränkten Rechte an dem Film. Folglich verschickte Warner Bros. eine Abmahnung und verlangt zudem einen Schadensersatz in Höhe von 2.000,- €.

Gericht fordert Erfüllung einer sekundären Darlegungslast in Filesharing-Fällen

Zunächst trägt die Klägerin die Darlegungs-und Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs. Daher muss sie auch nachweisen, dass die Beklagte für die behauptete Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anspruchsinhabers, wenn keine andere Person diesen Internetanschluss benutzen konnte. Diese Vermutung wird dann widerlegt, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt auch von anderen Personen benutzt werden konnte. In diesen Fällen trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast.

Beklagte hat weder Computer noch Filesharing-Software

Zur Vernehmung gab die alte Frau an, weder einen eigenen Computer zu besitzen noch Ahnung davon zu haben, wie überhaupt Filesharing via Tauschbörse funktioniert. Ihr Sohn hat allerdings in seinem Haus einen Freifunk-Knoten eingerichtet. Sie sei als Anschlussinhaberin ausgewiesen und damit Vertragspartnerin des Providers.

Somit ist sie DiensteanbieterIn, indem sie Dritten den Zugang zum Internet gewährt. Der Richter am Amtsgericht Köln, Köster-Eiserfunke, „wendet jedoch die gesetzlich bestimmte Haftungsprivilegierung zu ihren Gunsten nicht an“. Er besteht auf einer Erfüllung der sekundären Darlegungslast, den die 70-Jährige naturgemäß nicht erfüllen kann. In der Folge verurteilte das Gericht die Beklagte vollumfänglich zu dem geforderten Schadensersatz.

Filesharing Urteil wird Situation nicht gerecht

Beata Hubrig kommentiert die Rechtssprechung mit einiger Besorgnis, unterlaufe das Urteil doch eindeutig „den Willen des Gesetzgebers“:

„Die Entscheidungsgründe sind außerordentlich interessant und fassen exemplarisch eine gefährliche Entwicklung zusammen, die in vielen Fällen tendenziöser Rechtsprechung der letzten Zeit deutlich wurde. In solchen Urheberrechtsverfahren müssen Anschlussinhaber neuerding darlegen, dass sie als Täter nicht in Frage kommen, teilweise sollen sie dies sogar beweisen. Auf diese Art räumen RichterInnen den Rechteinhabern wie Warner Bros. einen prozessualen Vorteil ein.

Sie müssen nicht mehr selber Tatsachen vortragen, durch die sie ihre Ansprüche begründen – im Gegenteil wird nun der Anspruchsgegner einer diffusen sogenannten „Darlegungslast“ ausgesetzt, seine Nichttäterschaft vorzutragen. Dies geschieht gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der mit der Novelle des TMG (3. TMGÄndG von 2017) ausdrücklich eine Haftungsgefahr für Anschlussinhaber ausschließen wollte, unter anderem, um den digitalen Standort Deutschland nicht durch eine Welle unlauterer Abmahnungen zu gefährden. In den letzten Jahren sahen sich jedoch weit über 100.000 Menschen in Deutschland einem solchen Rechtsstreit ziemlich hilflos ausgesetzt.“

Im Fazit fasst Hubrig zusammen.

Freifunker„Wenn es nun schon in einem so offensichtlichen Fall wie der alten Dame ohne eigenen Rechner unmöglich ist, den Richter davon zu überzeugen, dass diese als Täterin nicht in Betracht kommen kann – wie sollen die Millionen von Menschen aus der tatsächlichen Vermutung ihrer Täterschäft entkommen?“

Rechtsanwältin Beata Hubrig sieht es auch als kritisch an, in diesem Fall in Berufung zu gehen. Einerseits wäre die „seelische Belastung, die ein solches Verfahren mit sich bringt, problematisch“. Zum anderen müsste die alte Dame „ihre Familie dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung aussetzen. Dies erwartet auch das LG Köln von ihr. Der Rechtsstreit wird auch in der zweiten Instanz die Forderung nach der Suche des Täters beinhalten.“

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.