Nach Ansicht des Generalanwaltes Maciej Szpunar (EuGH) könnte schon bald das E-Book wie ein gedrucktes Buch im Bibliotheksverleih behandelt werden.
Aktuelles aus dem Buchbereich: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Maciej Szpunar, fordert beim Bibliotheksverleih von E-Books sowohl eine Gleichstellung dieser mit gedruckten Büchern. Zudem fordert Szpunar auch eine angemessene Vergütung für Autoren. Kommt es schon bald zu einer rechtlichen Neuregelung?
E-Books beim Bibliotheksverleih wie gedruckte Bücher?
Wir werden sehen, ob es zu dieser Gleichbehandlung kommen wird…
Möglicherweise bahnt sich gerade eine Veränderung im E-Book-Bereich an. Diese würde es den Bibliotheken gestatten, den E-Book-Verleih so zu verändern, dass sie E-Books rechtlich wie gedruckte Bücher behandeln dürfen. Wenn Bibliotheken klassische Bücher verleihen, helfen ihnen Regelungen des Urheberrechts: Rechteinhaber können zwar grundsätzlich über den Verleih entscheiden. Für den Bibliotheksverleih sind jedoch gesetzliche Ausnahmen möglich, so dass sie nicht für jeden einzelnen Titel Lizenzen von Verlagen erwerben müssen.
Zugleich gibt es Pauschalvergütungen, in Deutschland als Bibliothekstantiemen bekannt. Dagegen war es bisher üblich, dass Bibliotheken E-Books aufgrund von Verträgen mit Verlagen verleihen. Bibliotheken verhandelten mit den jeweiligen Verlagen über spezielle Lizenzen, jedoch sehen sie sich dadurch in ihrer öffentlichen Aufgabe beschränkt. Verlage wiederum fürchten um den neuen E-Book-Markt. Finanziell profitierten vor allem die Verlage von dieser Regelung, ohne dass die Urheber eine angemessene Vergütung erhielten.
Das soll sich nun ändern, denn der Verband der öffentlichen Bibliotheken der Niederlande möchte die Angelegenheit vor Gericht entscheiden. Vor dem Den Haager Bezirksgericht will die „Vereniging Openbare Bibliotheken“ sicherstellen, dass die Ausnahmerechte für das Verleihen analoger Bücher auch für E-Books gelten. Sie wendet sich gegen eine Entscheidung der dortigen Sammelstelle für Verleihvergütungen, nach der E-Books nur mit Erlaubnis von Verlagen verliehen werden dürfen. Antragsgegner ist die Stichting Leenrecht, eine Stiftung, die Urhebervergütungen erhebt. Das mit dem Rechtsstreit befasste Bezirksgericht Den Haag legte mehrere einschlägige Fragen dem EuGH vor, der nun bald darüber entscheiden wird.
Angemessene Vergütung für die Urheber
Maciej Szpunar, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), hat sich in seinen Schlussanträgen zu diesem niederländischen Rechtsstreit grundsätzlich dafür ausgesprochen, dass E-Books genauso wie traditionelle Bücher verliehen werden dürfen. Die Urheber müssen im Gegenzug eine angemessene Vergütung erhalten.
Rechtlich steht einem entsprechenden Modell allerdings nichts entgegen. Grundsätzlich muss es möglich sein, dass eine Bibliothek einem Interessenten ein E-Book für eine befristete Zeit zur Nutzung überlässt. Diese Einschätzung leitet der Generalanwalt Maciej Szpunar aus einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 ab, die das Recht zum Vermieten und Verleihen von Büchern regelt. Darin werden E-Books (für den Bibliotheksverleih) zwar noch nicht explizit erwähnt. Das ist nach Ansicht Szpunar aber nur der Tatsache geschuldet, dass die Technologie damals noch in den Kinderschuhen steckte. Es fand somit noch keine gesonderte Beachtung im Gesetz. Die EU-Vorgaben müssten man aber so auslegen, dass sie auch den elektronischen Buchverleih umfassten, so das Plädoyer von Generalanwalt Maciej Szpunar.
Der Autor soll entscheiden
Ganz besonders betonte der Generalanwalt dabei, dass es nicht Sache der Verlage sei, zu entscheiden, ob und wie ein Buch in digitaler Form über Bibliotheken bereitgestellt werden kann und soll. Aus dem Urheberrecht kann man herleiten, dass diese Entscheidung allein dem Autor zufällt. Wenn die Regelungen zum Verleihrecht auch für E-Books gelten würden, könnten Autoren zusätzliche Vergütung erhalten. Dabei würde keine Rolle spielen, welche Verträge sie mit Verlagen geschlossen haben, so Szpunar. Das wäre für den Autor dann natürlich von Vorteil. Denn die Leihbücher in Bibliotheken vergüttet man gesondert von den jeweiligen nationalen Verwertungsgesellschaften. Behandelt man E-Books in gleicher Form, so kann der Autor sein Werk freigeben und bekommt direkt Tantiemen aus den jeweiligen Ausschüttungen.
One-Copy-One-User-Modell
Der zugrunde liegende Fall aus den Niederlanden betrifft das nach dem sogenannten One-Copy-One-User-Modell organisierte Verleihen: Das der Bibliothek zur Verfügung stehende E-Book wird vom Nutzer für die Verleihdauer heruntergeladen und ist für andere Bibliotheksnutzer währenddessen nicht zugänglich. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann der Nutzer das Buch nicht mehr nutzen. Dafür kann jemand anderes es dann ausleihen.
Rechtlich uabhängig vom Verleihrecht sei die Frage, ob das Verbreitungsrecht an E-Books endet, wenn sie auf den Markt gebracht wurden. Diese Frage ist für den Streit um den Weiterverkauf von E-Books relevant.
Fazit Bibliotheksverleih
Sollte der EuGH dies auch so sehen, hätte das Auswirkungen ebenso auf Autoren und Bibliotheken in Deutschland. Das hiesige Urheberschutzgesetz regelt bislang nur die Vergütung für gedruckte Werke. Die Einschätzung des Generalanwaltes ist für die Richter am EuGH nicht bindend. In den allermeisten Fällen folgen die Urteile aber im Kern diesen Gutachten.
Natürlich würden neben den Autoren vor allem auch die Leser von dieser neuen Regelung profitieren, denn das Angebot für die Online-Ausleihe bei öffentlichen Bibliotheken könnte so schon bald deutlich größer werden.
Tarnkappe.info