Der Berliner Senat will die Videoüberwachung öffentlicher Plätze im „Modellversuch Alexanderplatz“ verstärken. Ist dies ein Eingriff in die Grundrechte?
Nach einer Aussage Christopher Lauers verfolgen schon jetzt 14.765 Kameraaugen das Berliner Stadtgeschehen und bald könnten es noch mehr werden: Der Berliner Senat will die Videoüberwachung öffentlicher Plätze im „Modellversuch Alexanderplatz“ verstärken.
Videoüberwachung in Berlin auf dem Vormarsch
Videoüberwachung wird zunehmend als ein effektives Instrument zur Aufklärung von Straftaten und zur Verhinderung von terroristischen Anschlägen eingesetzt. Manche Studien kommen aber zu anderen Ergebnissen. So soll nun auch der Berliner Alexanderplatz als Pilotprojekt dafür gelten. Eine lückenlose Aufzeichnung könnte Täter auf frischer Tat überführen oder aber auch zur Abschreckung dienen und Gesetztesübertretungen schon im Vorfeld stoppen. Was bereits seit längerem im Gespräch ist, soll nun umgesetzt werden. Innensenator Frank Henkel will schon seit vergangenem Jahr ein Modellprojekt am Alexanderplatz einführen. „Kameras würden potenzielle Täter wie Taschendiebe abschrecken. Mit Livebildern könnte die Polizei größere Menschenansammlungen, aus denen heraus Straftaten begangen werden, frühzeitig erkennen. So könnten schneller Polizisten hingeschickt werden.“, so Henkel.
Im Februar dieses Jahres wurde nach Informationen von netzpolitik.org bekannt, dass der Berliner Senat die Videoüberwachungsbefugnisse für die Polizei auf öffentlichen Plätzen erweitern will. Diese Pläne nehmen nun in einem Vorschlag zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin (ASOG Bln), die der Senat am letzten Dienstag beschlossen hat, Gestalt an. Am 23. Juni wird sich das Abgeordnetenhaus in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause in erster Lesung mit dem angepassten Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) befassen. Wenn alles klappt, könnte das Gesetz noch Anfang September beschlossen werden.
Einsatz der Kameras in Gefahrengebieten
Nach der geplanten Änderung soll die Kameraüberwachung zwar gekennzeichnet stattfinden, dafür aber völlig legal. Die Polizei könnte dann 24 Stunden am Tag in sogenannten Gefahrengebieten, […] wenn sie öffentlich zugänglich und gefährlich sind, personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bildaufnahmen erheben und die Bilder zur Beobachtung übertragen und aufzeichnen.
Fazit
In einem Modellversuch soll in Zukunft die Videoüberwachung am Alexanderplatz geprobt werden. Doch dabei wird es nicht bleiben. Innen-Staatssekretär Bernd Krömer von der CDU verneinte nicht, dass ihm auch Orte wie der Görlitzer Park, das Kottbusser Tor und die Rigaer Straße in Friedrichshain-Kreuzberg „vorschweben“ würden. Danach könnten Museen, Restaurants und Parks ebenso überwacht werden. Aber nur dann, wenn sie an „gefährlichen Orten“ liegen, wie große Teile der Innenstadt und nicht nur der Verkehrsraum, gleichfalls wären öffentlich zugängliche Räume wie Einkaufszentren, Schwimmbäder und Museen davon betroffen. Bleibt die Frage zu klären, ob ein verstärkter Einsatz an Videokameras im öffentlichen Raum automatisch zu mehr Sicherheit führen würde. Zwar baut der Senat darauf, will er doch eine entsprechende Gesetzesänderung noch vor der Wahl im Parlament durchbringen. Ob das aber nützlich ist, hat man jedoch noch nie evaluiert.
Schwerer Eingriff in die Grundrechte der Bürger
Die Opposition ist entsprechend empört über diesen „schweren Eingriff“ in die Grundrechte. „Auf keinen Fall darf dieses Gesetz im Schweinsgalopp durchs Parlament gepeitscht werden„, erklärte der Linke-Fraktionschef Udo Wolf am Mittwoch. „Wir fordern von SPD und CDU, dass sie das ungeheuerliche Vorgehen des Senats nicht mitmachen.“ Wolf kritisierte weiterhin, mit der Videoüberwachung an gefährlichen Orten wolle der Senat „eine nie da gewesene Überwachung des öffentlichen Raumes in Berlin einführen„. Auch der Abgeordnete Christopher Lauer (Piraten) reagiert verständnislos auf die Planungen: Dieser Vorschlag sei „reiner Aktionismus“.
Er diagnostiziert dem Senat „Grundrechtseingriffe nach Bauchgefühl statt faktenbasierter Sicherheitspolitik“. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk stellt ebenso in Frage, ob Videoüberwachung überhaupt dazu geeignet ist, Kriminalität zu bekämpfen und verweist auf das Beispiel London, eine Stadt mit einer der höchsten Überwachungskamera-Vorkommen der Welt. Doch die führten nicht zu mehr Sicherheit. „Man müsste erstmal die Erfolge der bestehenden Überwachung evaluieren, bevor man weitere Maßnahmen einführt“, meint sie. Smoltczyk zufolge gehe der Gesetzesvorschlag mit massiven Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einher. Man begrenze damit auch Möglichkeit sich frei in der Öffentlichkeit zu bewegen.
Tarnkappe.info