Videoüberwachung
Videoüberwachung
Bildquelle: Rishabh Varshney, Lizenz

Hessen plant nahezu flächendeckende Videoüberwachung

In Hessen plant Schwarz-Grün Änderungen am Sicherheitsgesetz. Die geplante Videoüberwachung schockierte Professoren als auch die Opposition.

Die schwarz-grüne Landesregierung will der Polizei in Sachen Videoüberwachung künftig deutlich mehr Befugnisse einräumen.

Ausweitung der Videoüberwachung nur ein Teil von vielen

Der Landtag diskutiert derzeit über mehr Videoüberwachung, verlängerte Überwachungsmaßnahmen und eine Umstrukturierung der hessischen Spezialeinheiten. Kritiker befürchten statt einer effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus eine erhebliche Einschränkung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.

Mehr Punkte, wo Videoüberwachung erlaubt sein soll

Die erneute Novelle der Sicherheitsgesetze bezeichnet Torsten Felstehausen, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im hessischen Landtag als „Mogelpackung„. Mit den angekündigten Zielen habe die Novelle wenig gemeinsam. Vor allem bei der Kontrolle der Sicherheitsbehörden bleibe man auf „halber Strecke stehen“, so Felstehausen. Der Landesregierung gehe es vor allem darum, mit dem Papier einen fortschrittlichen Eindruck zu erwecken. „Was sich aber dahinter verbirgt, ist aus unserer Sicht fragwürdig und halbgar, wenn nicht sogar irreführend.“

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Dort wird Videoüberwachung weiterhin nicht legal sein. Installation in Stockholm. Foto Lars Sobiraj.

Novelle eine Mogelpackung mit fortschrittlicher Aufmachung

Schwarz-Grün will Orte wie Flughäfen, Bahnhöfe, Einkaufszentren und Packstationen automatisch zu Gefahrenpunkten machen. Dort soll die Polizei Videoüberwachung anlasslos durchführen dürfen, ohne dies weiter begründen zu müssen. Die Ausweitung der Videoüberwachung stößt in Teilen auch auf gravierende Bedenken der Experten unterschiedlicher juristischer Fakultäten, die dies für höchst fragwürdig halten.

IP-Tracking: Behörden nicht mehr auf Unterstützung angewiesen

Geplant ist auch das sogenannte IP-Tracking auszuweiten. Dabei können Behörden beispielsweise mithilfe einer präparierten E-Mail die IP-Adressen von Verdächtigen herausfinden. Wohnraum-Überwachungen und große Lauschangriffe dürfen laut der Novelle alle drei Monate verlängert werden. Die Opposition bemängelt, dass schon der reine Verdacht ausreichen würde, um langfristig observiert zu werden.

Mehrere Grundrechte sollen eingeschränkt werden

Stefan Müller, innenpolitischer Sprecher der FDP ist davon überzeugt, dass damit in Städten „schon fast eine flächendeckende Videoüberwachung möglich“ sei. „Das ist definitiv nicht verhältnismäßig, erklärte er. Die Landesregierung wolle Voraussetzungen schaffen, dass die Videoüberwachung auch ohne Anhaltspunkte für Straftaten fast überall erlaubt sein sollen. Dies würde rein theoretisch auch auf kleinste Gemeinden und Dörfer zutreffen, wo man künftig per Kamera überwachen dürfe, kritisiert Müller.

Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung nicht gegeben

„Mit dem Gesetz werden die Grundrechte auf das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Grundrechte auf die Freiheit der Person, auf die Versammlungsfreiheit, auf die Freizügigkeit sowie auf die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt. Solche Eingriffe müssen aber immer verhältnismäßig und gerechtfertigt sein. Hier jedoch wird das Risiko deutlich erhöht, dass in die Grundrechte von Menschen eingegriffen wird, die sich nichts zuschulden kommen lassen.“

So konservativ wie die CDU?

Besonders verwundert zeigt sich Müller über die Positionierung der Grünen in Hessen: „Schlimmer als die schwarzen Sheriffs sind offenbar nur die grünen Sherriffs. Wer diesen Gesetzentwurf der Grünen liest, weiß, dass es definitiv Zeit ist, das ‚Bündnis 90‘ aus ihrem Namen zu streichen“.

Wie grün sind die Grünen heutzutage eigentlich?

Dass sich die Grünen auch auf Bundesebene schon vor vielen Jahren von ihren alten Idealen verabschiedet haben, bestätigte uns auch der frühere Bundestagsabgeordnete Thomas Wüppesahl im Gespräch. Mit der vielfältig geäußerten Kritik der Grünen der Anfangszeit habe die Partei laut Wüppesahl heute nur noch sehr wenig gemeinsam. Viele Grüne seien heute regelrecht angepasst statt dass sie sich eine kritische Grundhaltung bewahrt hätten, kritisierte der Wirtschaftskriminalist, der früher beim LKA Hamburg tätig war.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.