Die bei NRW-Polizei eingesetzte Palantir-Software ist deutlich teurer. Statt der bisher angenommenen 14 Mio € zahlt man nun satte 39 Mio €.
Das Landeskriminalamt NRW teilte Anfang 2020 mit, künftig ein Programm der Firma Palantir Deutschland GmbH für die Polizeiarbeit verwenden zu wollen. Der Mutterkonzern zählt die CIA, das FBI sowie das Pentagon zu seinen Kunden. Die Polizei versprach sich von einer solchen Nutzung die Aufklärung von Terrorismus-Fällen und schwerer Kriminalität. Lag jedoch der Auftragswert damals noch bei 14 Millionen Euro, so explodierten die Kosten für das Gesamtprojekt. Nunmehr belaufen sie sich bereits auf 39 Millionen Euro. Zudem hinke man durch verlängerten Testbetriebseinsatz der Zeit hinterher, berichtete der Westdeutsche Rundfunk (WDR).
Palantir-Software: „keine Zauberwaffe, sondern was ganz Banales“
Die neue Software komme bei Datenanalysen zum Einsatz und soll die diversen Datenbanken verknüpfen sowie auswerten. Sie kann dabei Informationen aus dem „Waffenregister, dem Einwohnermeldeamt oder der Führerscheinstelle“ mit einbeziehen. Dazu ist die Software in der Lage, soziale Netzwerke nach Verdächtigen zu durchforsten sowie Täterprofile zu erstellen.
NRW-Innenminister Herbert Reul wies dabei auf die Vorteile der Software hin. Händische Durchsuchung von Datenbanken gehöre damit der Vergangenheit an. Das Programm übernehme dies mit nur wenigen erforderlichen Klicks. „Das ist gar keine Zauberwaffe, sondern was ganz Banales“, so Reul. Durch den Software-Einsatz hätten sich auch bereits die ersten Erfolge gezeigt. So seien schon „mehrfach Straftaten damit verhindert worden, etwa Geldautomatensprengungen und auch sexualisierte Gewalt an Kindern“. Inzwischen nutze die Polizei das System schon täglich.
Auf Nachfrage des WDR informierte das Innenministerium über die enorme Kostensteigerung beim Einsatz der Palantir-Software. Somit zahlen die Behörden allein schon für die von Palantir berechneten Lizenzkosten für fünf Jahre 22 Millionen Euro netto. Dazu schlagen Ausgaben für zusätzliche Hardware mit rund 2,4 Millionen Euro zu Buche. Ferner seien 13 Millionen Euro „für ergänzende Tätigkeiten anderer Unternehmen ausgegeben“ worden. Mittlerweise jedenfalls, so teilte das Innenministerium mit, koste „das Gesamtprojekt das Land NRW insgesamt 39 Millionen Euro“. Innenminister Herbert Reul (CDU) nahm dazu wie folgt Stellung:
„Palantir ist nicht teurer geworden, sondern wir haben falsch eingeschätzt und wir haben nachher sauber die Leistungen dazugerechnet, die nicht Palantir sind, die aber zu dem Projekt dazugehören.“
Ungeplant langer Palantir-Testbetrieb kommt NRW teuer zu stehen
Im Gegensatz zu Innenminister Reul, der meinte, für den Palantir-Software-Einsatz kein neues Gesetz zu brauchen, drängte das Büro der NRW-Datenschutzbeauftragten hierbei auf eine neue rechtliche Regelung. Erst im April 2022 beschloss der Landtag schließlich ein neues Polizeigesetz, inklusive einer ausdrücklichen Erlaubnis für den Einsatz der Datenbanksoftware. Somit konnte Palantir mit seiner regulären Nutzung erst Anfang Mai 2022 starten, statt wie in der Ausschreibung festgelegt ab dem dritten Quartal 2020. Der WDR wies darauf hin, dass allein diese Verzögerung den Steuerzahler schon Millionen Euro gekostet haben könnte, denn „die Zahlungen von jährlich bis zu 6,8 Millionen Euro liefen bereits“.
Täuschung wegen angeblicher Corona-Mehrkosten?
Hartmut Ganzke (SPD) wies darauf hin, das Innenministerium hatte versucht, im März 2021 sieben Millionen Euro für die Software als Corona-Mehrkosten bewilligt zu bekommen.
„In der Rückschau kann man vielleicht sagen, dass der Minister versucht hat zu tricksen, dass er uns die notwendigen Informationen nicht an die Hand gegeben hat.“
Innenminister Reul hingegen verneint die Täuschungsabsicht, räumte jedoch im Interview mit Westpol einen Fehler ein.
Gesellschaft für Freiheitsrechte reicht Verfassungsbeschwerde ein
Jürgen Bering, Bürgerrechtler bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), führte an, dass seine Gesellschaft plane, Anfang Oktober Verfassungsbeschwerde einzureichen. Sie sehen mit dem Palantir-Software-Einsatz Grundrechte verletzt. Demgemäß sei die Software „in der Lage, Data-Mining zu betreiben, also selbst neue Informationen aus den abgefragten Daten zu erzeugen“. Gemäß Bering stünde dies im Widerspruch zu dem im April 2022 vom Landtag beschlossenen neuen Polizeigesetz. Denn dieses erlaube einen Software-Einsatz schon bei Straftaten wie Betrug, Beamtenbestechung oder Volksverhetzung. Aus seiner Sicht sollte sich der Einsatz hingegen nur auf schwerste Straftaten, wie Terrorismus oder Kindesmissbrauch beschränken. Das Innenministerium weist hingegen zurück, dass die Polizei mit der Software Data-Mining betreibe. Letztlich entscheidet folglich das Bundesverfassungsgericht über die weitere Nutzung der Palantir-Software durch NRWs Polizei.