Unberechtigte Kontoabbuchungen nehmen zu – doch Banken und Behörden ducken sich weg. Die Ermittlungen laufen dabei oftmals ins Leere.
Es ist ein Schockmoment: Auf dem Kontoauszug taucht eine Abbuchung auf, die man nie autorisiert hat. Fremde haben sich Zugriff per SEPA-Lastschrift verschafft – eine Methode, die überraschend einfach zu missbrauchen ist. Unberechtigte Kontoabbuchungen sind daher keine Seltenheit. Warum Ermittlungen häufig ins Leere laufen und welche Möglichkeiten Betroffene dennoch haben, klärt dieser Bericht.
Wenn Betrüger abbuchen und niemand stoppt sie
Der aktuelle ARD-„Marktcheck“-Bericht vom SWR deckt Hintergründe zu unberechtigten Kontoabbuchungen auf. Immer mehr Bankkunden werden Opfer von unautorisierten Lastschriften und betrügerischen Abbuchungen. Doch obwohl die Rechtslage eigentlich klar ist – unberechtigte Buchungen müssen rückgängig gemacht werden, stoßen Betroffene häufig auf eine Mauer aus Ignoranz und Bürokratie.
Laut dem Bericht passiert dabei Folgendes: Verbraucher melden verdächtige Abbuchungen, doch weder Banken noch Ermittlungsbehörden zeigen echtes Interesse, die Täter zu identifizieren. Die Kriminalpolizei zeigt sich von der Masse an Betrugsfällen schier überrollt. Die Reaktion der Banken? Rückbuchung ja – Ermittlung nein.
Unberechtigte Kontoabbuchungen für eine Walnussbaumpatenschaft
Ein Zuschauer der Sendung Marktcheck entdeckt auf einem von ihm kaum noch genutzten Konto eine Abbuchung über 89,90 Euro mit dem Vermerk „Patenschaft Walnussbaum“. Den Betrag zog eine DMS GmbH per SEPA-Lastschrift ein. Bei weiterer Prüfung stellte sich heraus: Über Monate wurden ihm mehr als 600 Euro für diese angebliche Patenschaft abgebucht – ohne sein Wissen.
Wie einfach ist ein Lastschriftbetrug?
Ein Lastschriftbetrug ist technisch gesehen kein Kunststück. Tatsächlich kann jeder mit Kenntnis von IBAN und Name eine SEPA-Lastschrift veranlassen. Solche Daten kursieren häufig im Darknet. Obwohl die Zustimmung des Kontoinhabers eigentlich Voraussetzung ist, kontrollieren Banken dies im Alltag kaum – die Kontoabbuchung erfolgt meist ohne weitere Prüfung. Kein TAN-Verfahren, keine Autorisierung durch den Kontoinhaber. Das deutsche SEPA-Lastschriftverfahren basiert auf Vertrauen – ein Relikt aus der analogen Bankenwelt, das im digitalen Zeitalter zur Einladung für Missbrauch geworden ist.
Der „Einzug per Lastschrift“ lässt sich somit ohne weitere Prüfung anstoßen. Viele Betrüger nutzen dazu gefälschte Händlerprofile oder schleusen ihre Buchungen über legitime Zahlungsdienstleister. Die Bank bucht ab – und der Betroffene sieht es oft erst Tage später. Das Zeitfenster zum Handeln? Eng. Die Chance, den Täter zu identifizieren? Minimal. Besonders perfide: Manche Angriffe zielen gar nicht auf hohe Summen, sondern buchen kleine Beträge regelmäßig ab – in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben.
Wohin fließt das Geld von unberechtigten Kontoabbuchungen?
Vom eigenen Konto fließt das abgebuchte Geld in ein Schattennetz aus Fake-Firmen und Strohmanngeschäften. Die Spur des Geldes verliert sich dabei oft im Nebel. Denn die Empfänger sitzen selten in Deutschland – sondern nutzen ausländische Konten, Prepaid-Finanzdienstleister, Krypto-Wechselstuben oder andere Umleitungskanäle.
Ein gängiges Muster: Das Geld geht zunächst auf ein legitimes Konto eines angeblichen Dienstleisters. Von dort verschwindet es sofort weiter – entweder durch Barabhebung per Geldautomat, Transfer an eine Briefkastenfirma oder Umwandlung in Kryptowährungen. Häufig agieren Strohleute, sogenannte Money Mules, die im Gegenzug eine kleine Provision erhalten.
Die Täter nutzen oft Plattformen wie Revolut, Wise oder sogar Business-Konten etablierter Banken, die unzureichend verifizieren. Das Resultat: Selbst wenn die erste Buchung auffällt, hat man das Geld meist schon mehrfach verschoben – und die Ermittlungsbehörden haben das Nachsehen.
Im konkreten Walnussbaumpatenschaft-Fall landete ein Teil der abgebuchten Beträge auf einem Konto bei der Hamburger Sparkasse. Diese teilte auf Nachfrage der Marktcheck-Redaktion mit, dass die Geschäftsbeziehung zum Einziehenden bereits beendet sei. Weitere Abbuchungen liefen über einen Zahlungsdienstleister (Fintech) mit Sitz auf Malta – ein Umstand, der Ermittlungen zusätzlich erschwert.
Fintechs als Schlupfloch für Betrüger
Die Steuerfahnderin und Buchautorin Birgit Orths kennt das Problem der unberechtigten Kontoabbuchungen gut. In vielen ihrer Geldwäscheermittlungen spielen Fintechs eine Rolle, da sie es ermöglichen, Firmen anonym im Hintergrund agieren zu lassen. Auf Kontoauszügen erscheint oft kein konkreter Firmenname – ein klarer Vorteil für Kriminelle.
Firmengründungen in Deutschland seien zudem leicht zu realisieren: Es reicht, volljährig und nicht vorbestraft zu sein. Die DMS GmbH beispielsweise ist im Handelsregister nicht eindeutig auffindbar.
Spurensuche nach der Fake-Patenschaft blieb erfolglos
Die Marktcheck-Redaktion entdeckt eine Hotline-Nummer auf dem Kontoauszug – doch entweder geht niemand ran oder es läuft nur eine Bandansage. Bei ihrer Recherche stoßen die Reporter auf zwei weitere Firmen: „Verlagshaus Bergheim“ und „MVD Medienvertrieb“, beide angeblich mit Sitz in einem edlen Bürogebäude auf der Düsseldorfer Königsallee.
Vor Ort zeigen sich jedoch nur leere Mietbüros, keine Spuren der Firmen. Der Betreiber bestätigt lediglich, dass beide Firmen zu den Kunden gehören – allerdings sei die Adresse kürzlich geändert worden. Warum dies nicht im Handelsregister oder beim Gewerbeamt vermerkt ist, bleibt ungeklärt. Recherchen ergeben zudem: Die Geschäftsführer der beiden Firmen tragen denselben Nachnamen und haben Verbindungen in denselben türkischen Ort – ein Indiz für eine mögliche familiäre Verstrickung.
Keine Auskunft von der Staatsanwaltschaft
Die Marktcheck-Redaktion fragte bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach, ob Ermittlungen gegen die betreffenden Geschäftsführer laufen. Doch dort kann der Fall ohne genauere Informationen nicht zugeordnet werden. Ein strukturelles Problem, sagt Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter – denn auch Polizeidatenbanken seien nicht ausreichend vernetzt.
Huth kritisiert, dass Polizei und Justiz mit der Masse an Betrugsfällen überfordert seien. Steuerfahnderin Orths fordert eine Reform des Steuergeheimnisses: Informationen zu strafrechtlich relevanten Sachverhalten müssten von der Vertraulichkeit ausgenommen sein, um Täter effektiver verfolgen zu können.
Unberechtigte Kontoabbuchungen: Was Betroffene tun können
Wurde unrechtmäßig Geld per SEPA-Lastschrift eingezogen, sollten sich Betroffene sofort an ihre Bank wenden. Eine Rückbuchung ist bis zu 13 Monate nach der Abbuchung möglich – auch im hier geschilderten Fall erhielt der Betroffene sein Geld vollständig zurück. Generell gilt: Alle Konten regelmäßig überprüfen. So lassen sich verdächtige Abbuchungen frühzeitig erkennen und stoppen. Verbraucher sollten so weit wie möglich Kreditkarten für Abos nehmen statt SEPA. Auf Webseiten, wo man Neukunde ist, zahlt man am besten mit Einmalkreditkarten. Diese bieten beispielsweise N26 oder Revolut an.
Fazit: Dein Geld – ihre Verantwortung. Theoretisch.
Unberechtigte Kontoabbuchungen sind kein Nischenproblem, sondern ein Massenphänomen. Doch statt Transparenz, Schutz und Aufklärung herrscht Stillstand, Verdrängung und Desinteresse. Banken und Ermittlungsbehörden ducken sich weg, während Kriminelle ungestört Beute machen. Die Praxis wirft ein düsteres Licht auf das Finanzsystem. Denn obwohl Banken eigentlich verpflichtet wären, bei „nicht autorisierten Zahlungsvorgängen“ nach § 675u BGB sofort zu handeln, bleibt die Verantwortung meist am Kunden hängen.
Der Marktcheck-Beitrag macht zudem deutlich: Die Täter agieren zunehmend professionell, nutzen das Tempo des digitalen Zahlungsverkehrs aus – während die Aufklärungsquote stagniert. Viele Ermittlungen verlaufen im Sande, weil Transaktionen über ausländische Zahlungsdienstleister laufen oder weil schlicht kein Interesse an tiefergehenden Analysen besteht.
Wer sich von unautorisierten Kontoabbuchungen schützt? Nur der, der misstrauisch bleibt, regelmäßig kontrolliert – und sich nicht mit der erstbesten Ausrede abspeisen lässt. Das Finanzsystem mag sich gern als sicher inszenieren. Doch solange es Betrügern die Türen offenhält und sich selbst aus der Verantwortung stiehlt, bleibt es ein Spiel mit ungleichen Waffen.