Ein Mann zieht sich schützend die Decke über das Gesicht – beobachtet von einer Kamera, unter dem Blick der Justitia.
Ein Mann zieht sich schützend die Decke über das Gesicht – beobachtet von einer Kamera, unter dem Blick der Justitia.
Bildquelle: ChatGPT

Versteckte Kamera im Untermietzimmer: Wann wird der heimliche Blick zur Straftat?

Versteckte Kamera im Untermietzimmer – strafbar oder nicht? Das OLG Hamm stellt klar: Es braucht mehr als nur einen „frechen Blick“.

Versteckte Kamera im Untermietzimmer – allein die Vorstellung sorgt für Unbehagen. Doch wie reagiert die Justiz, wenn der private Rückzugsort heimlich überwacht wird? Das Oberlandesgericht Hamm hat ein Urteil vom Amtsgericht Warendorf kassiert, das einen Vermieter wegen heimlicher Videoüberwachung seines Mieters verurteilte. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wann beginnt der strafrechtlich geschützte höchstpersönliche Lebensbereich? Und reicht eine Kamera auf Augenhöhe des Bettes wirklich für eine Verurteilung? Das Urteil zeigt: Wer sich beobachtet fühlt, ist nicht automatisch im Recht. Das OLG Hamm hat klargestellt, dass § 201a StGB mehr verlangt als nur ein schlechtes Bauchgefühl – nämlich den Nachweis einer konkreten Verletzung der Intimsphäre.

Der Fall: Kamera im Rollcontainer – Aufnahmen aus dem Alltag

Im Juli 2023 versteckte ein Vermieter eine Mini-Kamera mit Bewegungsmelder im Untermietzimmer seines Wohnraums mit Blickrichtung u. a. auf das Bett. Der Untermieter J. entdeckte das Gerät zufällig beim Putzen. Eine der Aufnahmen zeigte eine sitzende Person, erkennbar lediglich an den Oberschenkeln, dem unteren Rumpf, einer Hand sowie einem Buch oder Heft. Die Person war vollständig bekleidet und nicht eindeutig identifizierbar. Weitere Sequenzen zeigten eine Person beim Bodenwischen sowie Nahaufnahmen von Schuhen und dem Fußboden. Auch der Moment, in dem der Mieter die versteckte Kamera entdeckte, wurde aufgezeichnet.

Die versteckte Kamera filmte somit beim Lesen, Wischen und Sitzen. Keine Nacktheit, keine sexuellen Szenen – aber eindeutig heimlich. Das Amtsgericht Warendorf verurteilte den Beschuldigten dennoch wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu 5.000 Euro Geldstrafe. Doch das war dem OLG Hamm zu pauschal.

Das OLG warf dem Amtsgericht vor, allein aus der Positionierung der Kamera auf Verletzung zu schließen sei ein Trugschluss. Entscheidend wäre vielmehr, was aufgezeichnet wurde, nicht wohin die Kamera zeige. Die bloße „Richtung Schlafzimmer“ mache aus einem Video keine intime Aufnahme. Ohne konkreten Inhalt greife das Strafrecht nicht.

Versteckte Kamera im Untermietzimmer: Warum nicht jede Aufnahme strafrechtlich relevant ist

Am 18. März 2025 entschied das OLG Hamm (Az. 4 ORs 24/25): Die Verurteilung war voreilig. Eine versteckte Kamera im Untermietzimmer ist zwar problematisch. Aber nicht jeder mit der Kamera aufgenommene „neutrale“ Moment sei automatisch strafwürdig – auch wenn das Setting privat ist.

Das Oberlandesgericht Hamm hob die Entscheidung des Amtsgericht Warendorf auf – mit klaren Worten: § 201a StGB schützt nicht bloß die Privatsphäre, sondern konkret die Intimsphäre. Das OLG betont, dass § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB kein Gefährdungs-, sondern ein Erfolgsdelikt ist. Entscheidend ist nicht, ob heimlich aufgenommen wurde, sondern was zu sehen ist.

Der Tatbestand des § 201a StGB verlange einen „Verletzungserfolg“: Eine Aufnahme muss den intimen Kernbereich betreffen – Alltagsverhalten wie Putzen oder Sitzen im konkreten Fall reicht nicht aus. „Nicht jede heimliche Aufnahme […] führt per se zu einer Strafbarkeit“, so das OLG wörtlich. Entscheidend wäre allein der Bildinhalt, nicht die Intention.

Versteckte Kamera im Untermietzimmer mit Blick aufs Bett – Symbolbild für die juristische Gratwanderung zwischen Privatsphäre und strafrechtlichem Schutz.
Versteckte Kamera im Untermietzimmer mit Blick aufs Bett – Symbolbild für die juristische Gratwanderung zwischen Privatsphäre und strafrechtlichem Schutz.

Aber auch zur Identifizierbarkeit äußerte sich das OLG. Es stellt klar, es genüge, wenn sich eine Person anhand von Kleidung, Stimme oder Bewegung selbst erkennt – nicht, ob Außenstehende die Person identifizieren können. Dennoch sei eine gewisse Eindeutigkeit notwendig. Ein Oberschenkel oder eine Hand in Bewegung allein reiche nicht aus.

Die Abgrenzung ist fließend – juristisch aber entscheidend. Während die Privatsphäre das private Umfeld umfasst (z. B. Wohnen, Freizeit), schützt die Intimsphäre besonders verletzliche Bereiche des menschlichen Lebens. So verhindert das Gericht eine übermäßige Ausweitung der Strafnorm und stellt sicher, dass der strafrechtliche Schutzbereich im Rahmen der Verfassung klar begrenzt bleibt.

Das OLG hat das Urteil aufgehoben, aber nicht endgültig entschieden. Der Fall geht zur Neuverhandlung zurück an das Amtsgericht Warendorf.

Intimsphäre vs. Alltag: Was das Gesetz wirklich schützt

Das Gesetz schützt Bildaufnahmen aus dem „höchstpersönlichen Lebensbereich“. Dazu zählen:

  • Nacktheit oder Sexualität
  • Gesundheitsdaten
  • familiäre Bindungen
  • Tagebuchinhalte, religiöse Rituale
  • Trauer

Nicht geschützt sind laut Gericht:

  • Neutrale Alltagshandlungen wie Putzen, Lesen, Essen, Kochen, Schlafen
  • bloße Raumaufnahmen ohne intimen Kontext

Versteckte Kamera: Bedeutung für Betroffene und Vermieter

Für Opfer bedeutet das Urteil, nicht jede Aufnahme ist strafbar. Das Video muss den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzen. Wer Anzeige erstatten will, braucht Beweise für den intimen Gehalt der Aufnahmen. Für Täter bleibt eine versteckte Kamera im Untermietzimmer rechtlich riskant. Auch wenn keine Verurteilung folgt, drohen Ermittlungen, öffentliche Bloßstellung und zivilrechtliche Ansprüche.

Fazit: Das Strafrecht sieht nicht alles

Der Fall zeigt: Wer filmt, riskiert viel – wer gefilmt wird, muss genau hinsehen. Das Strafrecht schützt die Intimsphäre, nicht jeden privaten Moment. Das OLG Hamm setzt mit dem Urteil zur versteckten Kamera einen Kontrapunkt zur „Vollüberwachungspanik“ – und erinnert daran, dass Datenschutz nicht gleich Strafrecht ist. Versteckte Kameras im Untermietzimmer bleiben moralisch fragwürdig – strafbar sind sie aber nur bei konkretem Eingriff in die Intimsphäre.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.