Eine kritische Analyse der Podcast-Reihe der ARD, die wie ein Hörspiel wirkt. Doch das True-Crime-Spektakel ist nicht frei von Schwächen.
„Die Sieger schreiben die Geschichte“ – Wie der neue ARD-Podcast zu kino.to versucht uns Ihre Version in’s Ohr einzuflüstern. Wir haben uns das Werk genauer angehört und möchten euch an unserem Feedback teilhaben lassen. In Zusammenarbeit mit Lars Sobiraj.
Die ARD widmet der Mutter der Streaming-Portale, kino.to, eine fünfteilige Podcast-Serie mit Folgen von jeweils rund 40 Minuten Länge. Dazu kommt noch ein Trailer über drei Minuten. Für mich erinnert das Ganze eher an ein aufwendig inszeniertes True-Crime-Hörspiel, als an eine objektive Dokumentation.
ARD-Podcast kino.to: unsere differenzierte Berichterstattung
Im Gegensatz dazu haben wir bei Tarnkappe.info sachlich und differenziert über den Fall kino.to berichtet. Wer mehr erfahren möchte, findet hier einige unserer Top-Artikel:
- Interview mit Dirk Böttcher von kino.to (erschienen bei gulli.com im Jahr 2009)
- Studie zur Sinnlosigkeit der Abschaltung des ehemaligen Streaming-Riesen
- Verurteilung eines Mitbetreibers von kinox.to
- Der kino.to-Klon movie2k.to im Interview
- movie2k.to: drei Tatverdächtige in ganz Deutschland festgenommen
- GVU – die Piratenjäger als Spielball der digitalen Industrie
Grundlage ist die Biographie des Betreibers Dirk Böttcher
Die Grundlage der ARD-Podcast-Reihe ist ein „mysteriöses Buch“ des Hauptprotagonisten*. Auffällig sind die überlauten Audioeffekte und die unterschiedliche Tonqualität der Sprecher:innen, die oft von negativen Kommentaren begleitet werden. Diese subtilen Nadelstiche verstärken die Botschaft: „Raubkopierer sind Verbrecher“.
Der erhobene, mahnende, Zeigefinger ist praktisch durch die Kopfhörer zu spüren. In klassischer Manier wird die schon so oft erzählte Geschichte des „es war soo schwer Quellen und Interviewpartner zu finden, aber wir haben es dennoch nur für euch geschafft !1!1!“ gebracht. Dass ihnen ein der Redaktion gut bekannter Ex-Betreiber mehrerer Sharehoster namens Firecooler (Stefan D.) geholfen hat, der viel für sie getan aber nicht bezahlt wurde, erwähnt man „natürlich“ nicht. Dummerweise hat Firecooler nicht von Anfang an auf eine Aufwandsentschädigung bestanden. Den Haftbefehl gegen Stefan D. hob das zuständige Gericht damals sogar wieder auf.
Dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach bewusst manipuliert wird, fällt direkt auf. Zum Beispiel, von welchen Personen es, wie oft, gesprochene Beiträge gibt und von welchen nicht. Auf weitere Podcasts, Dokumentationen und Interviews der Öffentlich-Rechtlichen haben sie natürlich auch immer wieder hingewiesen.
Rechtliche Darstellung: Wenn die Theorie mit der Praxis kollidiert
Besonders interessant ist die rechtliche Darstellung und deren Einordnung. Der ARD-Podcast kino.to vermittelt eine klare Schuldzuweisung und Rechtsbruch-Situation beim Thema Streaming. Es gibt offenbar nur eine mögliche Rechtsauffassung: schuldig im Sinne der Anklage! Dass die Justiz in den Folgejahren differenziert geurteilt hat, unterschlägt man einfach.
Achtung Spoiler: Man muss hier endlich mal klarstellen, wer da ermittelt hat und diesen Leak-Anruf bekam. Das war nämlich nicht die Polizei oder ein Staatsanwalt. Das war die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU).
Diese wurde kontaktiert von ehemaligen Mitarbeitern des Admins Dirk Böttcher, die mehr verdient haben als man sie bezahlt hat. Der Ex-Mitarbeiter und seine Lebensgefährtin verlangten für ihre Insider-Informationen von der GVU Straffreiheit oder zumindest strafmildernde Umstände und jede Menge Geld. Nach der Überprüfung der ersten übermittelten Details flog der damalige GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy in die USA, um dort die nötigen Gelder beim Mutterverband MPA locker zu machen. Der Rest ist Geschichte.
Die GVU war eine Organisation, die privatwirtschaftlich unter anderem im Auftrag der Filmbranche arbeitete und sich durch ihre Mitglieder, also Film-Produktionsfirmen, Verleiher, Buch-Verlage, Spielehersteller etc. finanzierte. Ihre Aufgabe bestand darin, wirtschaftlichen Schaden von den Rechteinhabern abzuwenden, der durch sogenannte Raubkopien entstand. (Siehe Folge 3 „Titanic“, 25:22 – 25:47 Minuten). Die Übersichtsseite der Doku-Reihe des mdr findet man übrigens hier.
Datenschutz als lästiges Übel für Behörden und Piratenjäger
Wäre zur damaligen Zeit eine Verurteilung so einfach und rechtssicher möglich gewesen, dann wäre das auch so passiert. Auch die negative Darstellung des Datenschutzes ist besonders bedauerlich. So wird im Podcast der Datenschutz als reines Hindernis der Strafverfolgung dargestellt. Während die Justiz bemüht ist, diesen zu wahren, untergraben Politiker und öffentlich-rechtliche Medien den Schutz der persönlichen Daten immer wieder.
Redundanz und Hörer-Feedback zur Podcast-Reihe über kino.to
Viele Inhalte des Podcasts wirken redundant. Eigentlich überflüssige Aussagen werden mehrfach wiederholt und neu formuliert. Ein Blick in die Rezensionen bei großen Podcast-Plattformen zeigt, dass auch zahlreiche Hörer:innen eine ähnliche Kritik äußern.
Jetzt mitmachen und Feedback geben
Wer der Meinung ist, dass die ARD wichtige Aspekte weggelassen hat oder diese missverständlich dargestellt wurden, kann sich gerne bei uns im Forum über dieses Thema auslassen. Natürlich wird unsere Redaktion die Diskussion intensiv verfolgen, weil wir die Thematik für wichtig halten und es schade ist, dass man sie derart verzerrt dargestellt hat.
Wir planen, unseren eigenen Podcast-Auftritt im nächsten Jahr durch neue Formate und Episoden zu erweitern. Wer sich den ARD-Podcast „kino.to – Die verbotene Streamingrevolution“ anhören möchte, hier auf dieser Übersichtsseite hat der MDR alle verfügbaren Episoden aufgereiht.
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