Die GVU: ihre Historie seit 1985 & wie dieser Anti-Piraterie-Verein funktioniert. Wir schauen im Rahmen unseres Specials einmal genauer hin.
Die GVU als Spielball der digitalen Industrie
Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) wurde schon vor einiger Zeit, am 27. Februar 1985, gegründet. Der heutige Geschäftsführer, (damals Justitiar), Jan Scharringhausen erklärte im Jahr 2008:„In den ersten Jahren der GVU war die Szene vom Geschäft mit illegal hergestellten Kinofilmvideos und im Wesentlichen von Tätern aus dem in Westdeutschland ansässigen Rotlichtmilieu geprägt. (…) Das Ankommen der Digitalisierung in der breiten Bevölkerung in den 1990er Jahren machte aus einem relevanten ein existenzielles Problem. Jetzt konnte praktisch jeder problemlos das Urheberrecht verletzen.“Podcast: StraightLoud #8 zum Thema GVU.
Geschichtliche Hintergründe der GVU
Damit hat Scharringhausen nicht Unrecht, denn die technische Entwicklung inklusive der Erfindung der MP3 und der flächendeckenden Versorgung mit DSL führte u.a. dazu, dass neben den zahlenden Mitgliedern aus der Filmbranche Ende der 90er Jahre einzelne Spiele-Publisher dazugestoßen sind. Wir haben es hier mit einigen sehr wichtigen Vertretern der Unterhaltungs-Industrie zu tun. So etwa Sony Pictures, 20th Century Fox, Paramount Pictures, Warner Bros. und Walt Disney Studios. Aus der Spieleindustrie stammen populäre Firmen wie Activision, Konami, Microsoft, Koch Media oder Ubisoft. Seit einigen Jahren gehören auch Verlage und einige Branchenverbände dazu. Daneben werden im Jahresbericht 2011 technische Dienstleister wie arvato, Cinram, OpSec, Rovi und viele mehr als GVU-Mitglieder ausgewiesen.Die GVU besitzt ein interessantes rechtliches Konstrukt
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GVU: drei Strategien, ein Ziel
Strafverfolgung
Für die Strafverfolgung stehen der GVU eigene Ermittler zur Verfügung. Einer der hauptamtlichen Mitarbeiter war in der Redaktion von Tarnkappe.info 2013 zu Besuch und hat früher bei der Polizei seinen Dienst versehen. Zu den GVU-Kongressen werden stets Staatsanwälte und Mitarbeiter der verschiedensten Landeskriminalämter eingeladen, die sich in nicht öffentlichen Sitzungen besprechen und dort versuchen, ihre Tätigkeit zu koordinieren.
Der Weg der Warez
Von den ftp-Sites, die über eine extrem schnelle Internet-Anbindung verfügen, wandern die Werke binnen kürzester Zeit zu den Usenet-Providern, P2P-Indexseiten, Sharehostern, Warez-Foren und zu allen anderen illegalen Quellen, die es im Internet gibt. Trocknet man die Quelle der Warez aus, hätten die Verbreiter kein Material mehr und könnten mit dem geistigen Eigentum Dritter kein Geld mehr verdienen, lautet der Leitgedanke der GVU. Daneben geht es neben den Warez (Kopien) auch um Produktfälschungen (z.B. von Game-Controllern) und um andere Imitate, die bei e-Bay, Online-Shops oder auf Flohmärkten zum Verkauf angeboten werden. Mitarbeiter der GVU sind bei Bedarf auch bei einzelnen Hausdurchsuchungen anwesend, um die Polizei zu unterstützen. Denkbar wäre auch eine aktive Unterstützung der Auswertung von beschlagnahmten Computern, externen Speichermedien wie Festplatten etc. Je nach Bedarf und Kooperationswillen der ermittelnden Behörden, findet ein Gedankenaustausch statt, man hält sich gegenseitig auf dem Laufenden. Während es nur in Einzelfällen gelungen ist, deutsche Cam-Ripper (Abfilmer von Neuerscheinungen im Kino) zu überführen, war man früher häufiger mit Erfolg auf diversen Flohmärkten unterwegs, um Verkäufer von Schwarzkopien auszumachen und zu überführen.Der Weg vom ftp-Server bis zum Nutzer
Während die Mitglieder der Releaser-Szene, die Wasserzeichen aus den abgefilmten Neuerscheinungen unkenntlich machen um zu verschleiern, wo die Aufnahmen stattfanden, schwer aufzufinden sind, können Verkäufer von nachgemachten Audio-CDs, DVDs oder anderen imitierten Speicher-Medien sehr viel leichter dingfest gemacht werden. Man muss lediglich die Stände eines Flohmarktes systematisch abklappern und einen Testkauf durchführen. Danach macht die Polizei ihren Job, indem sie den Stand auflöst, alle Imitate beschlagnahmt und die Identität der Verdächtigen festhält. Wie alle anderen Anti-Piracy-Organisationen ist die GVU auf die Mithilfe aus der Branche und auf Denunzianten aus den Reihen des digitalen Untergrunds angewiesen. Dabei verhält man sich aber weitaus weniger krass, als beispielsweise die Business Software Alliance (BSA), die gekündigte Mitarbeiter in Werbe-Anzeigen geradezu ermuntert, ihre früheren Chefs wegen nicht gekaufter Microsoft-Lizenzen anzuzeigen (siehe Video unten).
Organisation folgt der Spur des Geldes
Da heutzutage mittels Cloudflare & Co. sehr viele Daten-Transfers verschleiert und das Webhosting plus Domain anonymisiert werden, sind die Ermittler darauf angewiesen, der Spur des Geldes zu folgen. Die meisten Anbieter deutschsprachiger Portale halten sich wahrscheinlich noch immer in ihrer Heimat auf. Wenn für Banner-Werbung, der Vermittlung von Abos, Abzocke oder das Einschleusen von Schadsoftware Geld fließt, dann wollen die Betreiber trotz ihrer Briefkastenfirma irgendwann wieder hierzulande an ihre Einnahmen gelangen.
Dann wird es für GVU & Co. spannend zu sehen, über welche Zahlungsdienstleister die Gelder der Kunden zunächst zur Briefkastenfirma und dann später zurück zu einem deutschen Konto gelangt sind. Auch gilt es zu bedenken, dass zwar das Webhosting (also die Speicherung aller Daten einer Webseite) in Deutschland für illegale Anbieter sehr gefährlich ist. Dafür sind die deutschen Webhoster im Vergleich preiswert und bieten eine schnelle Anbindung ans Internet an. Man sollte besser nicht glauben, dass alle Streaming-Portale ihre Daten in Osteuropa oder weiter abseits vorhalten. Vor allem die kleineren Seiten greifen gerne auf Webhoster aus dem deutschen Raum zurück und versuchen die Fahnder mit Reverse-Proxys (technischen Umleitungen der Datenströme) in die Irre zu führen.
Beratung
Ein weiteres Standbein der GVU ist die Beratung. Diese richtet sich an Rechteinhaber, Behörden und Entscheider (Geschäftsführer, Vorstandsvorsitzende etc.). Dazu gehört eine hauseigene Rechtsberatung. Diese steht selbstredend nur den Unternehmen zur Verfügung, die sich zuvor für die kostenpflichtige GVU-Mitgliedschaft entschieden haben.Öffentlichkeitsarbeit
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Ein paar Hoch- und Tiefpunkte der GVU
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Operation Boxenstopp
An diese Aktion erinnert sich bei dieser Antipiracy-Organisation niemand gerne. Zwar sollte es im Februar 2006 eine Großrazzia im Kampf gegen deutsche Releaser-Crews und deren ftp-Sites werden. Am Ende war die GVU plötzlich einer der beschuldigten Parteien. Es kam sogar zu einer Hausdurchsuchung der Geschäftsräume des Vereins. Offenbar hatte einer der GVU-Mitarbeiter undercover mehr mit dem Betrieb oder der Finanzierung mindestens eines ftp-Servers zu tun, als man anfangs zugeben wollte. Eine Stellungnahme, ob die GVU als Zeuge oder Beschuldigter geführt wurde, gab die Staatsanwaltschaft Hamburg damals gegenüber der Redaktion der c’t nicht ab – ein peinliches Thema.Fachgespräch
Erinnert werden sollte an dieser Stelle auch an ein Experiment, das wirklich gut ausgegangen ist. Nicht nur mit dem ach so bösen Raubkopierer-Portal gulli.com war man bereit zu plaudern. Christine Ehlers, die ehemalige Pressesprecherin, und der Ex-GVU-Jurist Jan Scharringhausen waren sogar bereit, mit den gulli:Usern selbst im Forum zu diskutieren. Dort findet man auch diverse interessante Aussagen zur Geschichte und selbst gestellten Aufgabe der GVU. Hier nachlesen: Teil 1, Teil 2, Teil 3.
Over and out: kino.to
Ein Highlight der GVU ist ohne Frage die Razzia gegen das frühere Streaming-Portal Kino.to. Wie der ehemalige Geschäftsführer Matthias Leonardy in einem Interview bekannt gab, kam der entscheidende Tipp aus dem direkten Umfeld des Betreibers Dirk B. Den beiden Denunzianten sagte man für ihre sachdienlichen Hinweise einen dicken Batzen Geld nebst der Strafmilderung zu. Sie wollten sich mit den Einnahmen aus Kino.to nicht zufrieden geben.
Ausblick:
Halten wir fest. Das Internet unterliegt einem unfassbar schnellen Wandel. Was heute hipp ist, kann in sechs Monaten schon vergessen sein. Auch die Hardware-Hersteller der Entertainment-Industrie müssen sich bei ihrer Entwicklung neuer Geräte stets den Bedürfnissen der Konsumenten anpassen. Nur die Unternehmen, die eigene Inhalte (Content) produzieren, sind und bleiben sehr langsam bei der Anpassung ihrer Geschäftsmodelle.
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