Wir haben ein Interview mit dem ehemaligen Betreiber mehrerer bekannter Streaming-Hoster durchgeführt, die aber alle nicht mehr online sind.
Der frühere Macher der Streaming-Hoster hat sich mittlerweile aus der Szene zurückgezogen. Er beschäftigt sich mit anderen Dingen. Der Insider war lange Zeit dabei und war heute netterweise bereit, sich unseren Fragen zu stellen.
Von der Computer Bild zum Betreiber eines Streaming-Hosters
Wie bist Du überhaupt zur Webwarez-Szene gekommen? Was hat Dich daran gereizt?
Als ich 15 Jahre alt war, bin ich über die Zeitschrift Computer Bild zum Thema Webwarez gekommen. Dort berichtete man über die Warezseiten. Die Screenshots hatte man zensiert, aber ich konnte den Namen der Warez-Seiten trotzdem herausfinden. Die erste Warezseite, die mir gefiel, war Uniwarez, wo man alle Programme wie z.b Adobe und Microsoft Office „kostenlos“ angeboten hat. Das war damals noch zu 56Ker Modem-Zeiten.
Dann begegneten mir in einem Forum ISOs/ROMs für mehrere Spielkonsolen, ich bin damit aufgewachsen. Später habe ich mir selbst das Programmieren von Webseiten, den Umgang mit Linux, Modelle, etc. im Eiltempo beigebracht. Daran hat mich gereizt, dass es Spaß machte, viele unterschiedliche Sachen auszuprobieren. Und vieles aus dem IT-Sektor zu lernen, obwohl ich damals fast kein Taschengeld hatte, um mir die Software leisten zu können.
Bist Du denn selbst überhaupt ein Fan von Kinofilmen oder Serien?
Nur teilweise. Aber ich gucke sehr selten Kinofilme an. Stattdessen genieße ich in letzter Zeit häufiger Anime- und Korean-Serien.
Streaming-Hoster: Man kann wirklich niemandem vertrauen!
Hast Du vor Deinem eigenen Dienst zunächst andere Szene-Hoster aktiv bei ihrer Tätigkeit unterstützt? Vielleicht als Techniker oder Moderator?
Nein, ich habe meine eigenen Sharehoster aufgebaut, nachdem ich die böse Erfahrung machen musste, dass man im Internet niemandem vertrauen kann. Oft wird man am Ende betrogen oder auf die eine oder andere Weise über den Tisch gezogen. Es wurden Domains geklaut etc. Deshalb entwerfe und betreue ich meine Projekte immer alleine.
800 Server für alle Benutzer
Wie viele Server hast Du selbst für Deinen Online-Dienst betrieben? In welchem Land? EU oder außerhalb?
Vor ca. 14 Jahren hatte ich anfangs nur 5 Server mit dem ersten Projekt. 2013 rund 100 Server beim zweiten Projekt. Und am Ende waren es 800 Server mit der letzten Version, bis ich alles aufgegeben habe.
Fliegender Gerichtsstand verfolgt Betreiber innerhalb der EU
Hast Du zu Deinen aktiven Zeiten innerhalb der EU gelebt? War das nicht gefährlich??
Ja, ich habe innerhalb der EU gelebt. Ich hatte mir aber ein EU-Land ausgesucht, wo denen das Urheberrecht relativ egal ist. Doch das bringt am Ende nichts, weil die Anwälte einen über das Hamburger Landgericht dann mit einem „fliegenden Gerichtsstand“ überall in der Welt verklagen können, egal wo man seinen Wohnsitz hat.
Was waren die monatlichen Gesamtkosten? Und wie hoch waren in etwa die Einnahmen?
Nun, 2016 waren die Einnahmen erstmal großzügig, so mit ca. 1$ pro 1.000 Popup-Einblendungen. Aber dann ab zirka 2018 brach der Wert ein, sodass man nur noch gefühlt ca. 0.50$ ausgezahlt bekommen hat. Seit der Beginn der Corona-Pandemine ist der Wert auf ca 0.20$ gefallen. Und jetzt, seit Ausbruch des Ukranie-Kriegs, sind es nunmehr gefühlte 0.10$. Die Kaufkraft vieler Menschen geht zum Großteil verloren. Der nächste Weltwirtschafts-Crash steht quasi vor der Tür und klopft an. Will denn niemand aufmachen? ;-)
Zu Spitzenzeiten hatten wir rund 150K€ Einnahmen im Monat. Davon gingen 90K Euro Serverkosten ab und ca. 50.000 Euro an User-Payments an die Uploader.
Team bestand nur aus dem Gründer
Wie viele Personen waren in Deinem Team? Welche Aufgaben hatten sie? Hast Du ihnen so etwas wie Gehälter gezahlt? Habt ihr noch Kontakt?
Es gab nur mich. Es gab keine anderen Personen in meinen Team. Ich habe aber Freunde, die mich immer wieder ein wenig beraten haben.
Austausch mit anderen Streaming-Hostern
Wie lief die Zusammenarbeit mit anderen Betreibern ab? Gab, bzw. gibt es aktive Kontakte? Oder macht da jeder nur stur sein eigenes Ding?
Ja, es gab Kontakte zu anderen Hostern. Wir haben uns Infos über die Werbenetzwerke und schädliche Nutzer mit deren E-Mail Adressen ausgetauscht, z.b. weil sie Kinderpornos oder etwas Ähnliches hochgeladen haben, um uns gegenseitig zu warnen.
Viele Portale betreiben ihre eigenen Streaming-Hoster
Werden viele Streaming-Hoster von den Eigentümern von Streaming-Portalen organisiert? Wie groß ist der Zusammenhang beispielsweise zwischen kino.to und den dort verfügbaren Streaming-Hostern? Gehören die denen alle selbst? Oder müssen die Streaming-Hoster für eine gute Platzierung (weit oben) extra bezahlen?
Ja, es ist recht wahrscheinlich, dass viele Warezseiten ihre eigenen Streaming-Hoster gleichzeitig betreiben. So wie z.B. bs.to mit deren Haushoster VOE und kinox.to mit seinen Haushoster EvoLoad.io. Deren Links werden von den Portalen stets zuerst freigeschaltet. Welch Zufall aber auch!? Das ist quasi dasselbe System wie bei kino.to damals. Auch bei den internationalen Webwarez-Seiten läuft das so. Die haben das System alle von Kino.to abgeschaut.
ACE verfolgt Betreiber mit allen Mitteln
Thema mehrere nervige Popup-Ads, bevor das Video jeweils startet: Kann man die Streaming-Hoster anders nicht finanziell über Wasser halten?
Sie sterben irgendwann wirklich aus, aufgrund der oben genannten Gründe. Die ACE ist auch sehr stark. Ich glaube, dass sie früher oder später wirklich alle und jeden kriegen können, egal wie.
Ich habe auch den Eindruck, Offshore-Firmenmodelle sterben auch aus, weil es nun das Controlled foreign corporation (CFC)-Reporting System gibt, wo die Erträge auf ausländischen Konten an die Finanzämter hier in Deutschland gemeldet werden. Das gilt aber nur, wenn man hier in Deutschland lebt.
Es ist auch nicht möglich, Bankkonten auf fremden Namen zu eröffnen. Dadurch haben die Strafverfolgungsbehörden leichtes Spiel, Tatverdächtige über die Zahlungsbewegungen zu verfolgen.
Ohne die nervige Werbung wäre kein Betrieb mehr möglich
Wenn kein Fullscreen-Mode läuft, werden immer wieder Ads aktiviert. Zumeist für Online-Flirts, Erotik-Games, Casinos, Sportwetten etc. Warum macht man das, obwohl es extrem nervig ist?
Weil die Leute gelernt haben, Adblocker etc. einzusetzen und die Popups werden geblockt. Sie können schlichtweg nicht anders. Die schwebende Werbung über der Seite ist nämlich viel effektiver, als eine Popup-Werbung.
Jeder will im Internet alles nur noch für umsonst haben!
Gab oder gibt es noch weitere Ideen für andere gute Erlösmodelle? Evtl. auf Spenden-Basis, Krypto-Mining oder mit kostenpflichtigem Abo, oder hätte alles keinen Sinn gemacht? Wenn nein, warum nicht?
Die Leute wollen immer alles kostenlos haben. Sie spenden deshalb fast nichts und/oder kaufen gar keine Premium Accounts. Die Gefahr ist auch sehr groß, weil, siehe Share-Online.biz, dass die Staatsanwaltschaften die Zahlungsströme der Premium-Zahler verfolgen.
Kryptomining ist auch so eine Sache. Es ist bei vielen verpönt, siehe die Tests bei The Pirate Bay damals. Außerdem ist der Gewinn für Webmaster nur von kurzer Dauer. Nämlich, bis die Difficulty beim Mining von ganz alleine ansteigt und damit unsere Erträge in den Keller gehen.
Anders gefragt: Wie lange können sich Streaming-Hoster überhaupt noch von Werbung finanzieren? Oder läuft das Ganze mittelfristig auf Premiumzugänge hinaus, wie einst bei Kim Dotcoms Megavideo & Co.?
Wenn sie kostenpflichtige Premium-Zugänge anbieten, werden die Behörden dies als ein IPTV-Modell werten. Die Rechtsanwaltskanzleien der Filmindustrie können die Streaming-Hoster dann sehr schnell verklagen. Außerdem läuft die Strafverfolgung bzw. Ermittlung des Senders und Empfängers der Gelder über den Premium-Zahlungsverkehr schneller ab. Das ist sehr gefährlich für beide Seiten.
Anteil der Nutzer eines Ad-Blockers bei 40 Prozent weltweit
Wie hoch war der Anteil der Nutzer mit einem Adblocker? Wie umfangreich hat sich das finanziell ausgewirkt? Was hast Du dagegen unternommen?
Etwa 40% weltweit. Es gibt schon Anti-Adblock Tools, aber sie bringen relativ wenig. Ansonsten habe ich nichts unternommen.
Die Uploader werden von manchen Wettbewerbern richtig gut bezahlt. Gehen die Betreiber dann finanziell leer aus? Oder locken sie damit nur die Uploader an?
Die Marge ist grundsätzlich sehr gering und eng in der heutigen Zeit. Weil die Warezseiten immer zuerst ihre Werbung ausliefern, werden sie besser vergütet als die Streaming-Hoster. Die Vergütung geht immer zunächst an die Webwarez-Seiten. Wir waren und sind dadurch klar im Nachteil.
Wie groß war der Anteil der ausgelieferten Streams, die über eine externe Software oder Set-Top-Box ausgeliefert wurde? Stichwort Kodi, Rokkr, Vavoo, Watched & Co.?
Etwa 10% bis 20%, schätze ich.
MD5-Filter gegen Strafverfolgung, das ist vorbei!
Das ist ja noch relativ wenig. Wusstest Du eigentlich, dass auf Deinem Dienst urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wurde? Bei Share-Online.biz vertreten ja einige Nutzer die Ansicht, dass die Betreiber dies nicht wissen konnten und sie somit straffrei ausgehen, was nicht der Wahrheit entspricht.
Ja, damals war das sogar legal, weil man dafür nicht gehaftet hat, wenn man nur einen einfachen MD5-Filter eingesetzt hatte. Aber nun, in der heutigen Zeit, ist das nicht mehr so. Man kann sehr schnell haftbar gemacht werden für Urheberrechtsverletzungen.
Bei Pornoclips sieht die Sache nicht so extrem aus, weshalb ich seelenruhig meine Porno-Projekte weiterführen kann. Auch die Rechtslage für Kinofilme und Porno ist völlig unterschiedlich bezüglich der Vorgaben der Filterung hochgeladener Werke.
Streaming-Hoster können sich keine hochwertigen Videos leisten
Wie sieht es aus mit 4K-Videos oder Filmen mit DTS Ton und anderen Optionen, bei denen extrem viele Daten übertragen werden? Wird das für Streaming-Hoster kommen? Wenn ja, wann? Können die Betreiber das Streaming derart teurer Videos überhaupt noch mit Werbung finanzieren?
Die Streaming-Hoster können sich nicht mal eine höhere Bitrate als 1250 Kbit/s leisten. Momentan also nein. Höher als 1080p und 160kbit Audio bitrate geht nicht. Die einzige Ausnahme wäre die Finanzierung über die Premium-Accounts. Aber über die mangelnde Bereitschaft zu bezahlen und die Risiken für uns Betreiber habe ich ja schon gesprochen.
Share-Online.biz als künftiger Präzedenzfall?
Welche Auswirkungen hatte der Bust von Share-Online auf andere Streaming- oder Sharehoster? Bei vielen ging ja regelrecht die Angst um. Nutzer mit deutscher IP-Adresse sind bis heute gesperrt etc. Sind die Ängste berechtigt?
Es wird dadurch eventuell ein Präzedenzfall geschaffen, wo die Hoster direkt für die Urheberrechtsverletzungen ihre Besucher haften müssen. Das muss man aber noch abwarten.
Was hattest Du vor Deinem Ausstieg für die Zukunft geplant? Vielleicht eine mobile Ansicht für Tablet-PCs und Smartphones? Was waren Deine konkreten Pläne? Hast Du Deine Ideen restlos aufgegeben?
Ich hatte geplant, dass der Dienst zu einem reinen Cloud-Hoster umgebaut wird, wo jeder seine Sachen bestellen kann, genauso wie bei einem richtigen Cloud-Anbieter. Aber ehrlich gesagt, habe ich das aufgegeben. Und ich gehe andere Wege mit einem legalen Einkommen.
Behörden haben nie Anfragen gestellt
Wie oft hast Du zu Deiner aktiven Zeit Anfragen von Behörden erhalten? Was wollten sie erwirken, worum ging es dabei?
Gar keine Anfragen. Sie versuchen immer zuerst das strafrechtliche Vorgehen. Wenn das nicht klappt, kommt es durch die Rechteinhaber zum Versuch, gegen die Sharing-Hoster zivilrechtlich vorzugehen.
Es entstehen neben Netflix immer mehr kommerzielle Streaming-Anbieter. Dieses Jahr sollen es in Deutschland noch etwa vier bis fünf mehr werden, die ihre Inhalte von den bestehenden Streaming-Portalen abziehen, sobald sie online sind. Ist das sinnvoll? Kann man bei einem derart zersplitterten Markt überhaupt noch legal Geld verdienen?
Ehrlich gesagt, davon habe ich keine Ahnung. Fakt ist aber, dass man der Piraterie durch die Fragmentierung (Zersplitterung in viele kleine Teile) in die Hände spielt. Die Piraterie wird weiter zunehmen. Auch die Torrent-Nutzung dürfte dadurch stark zunehmen.
Nicht jeder hat das Geld für fünf Abos und mehr übrig. Ich bin zufrieden mit einem einzigen Abo bei einem (legalen) Streaming-Anbieter.
Webwarez-Portale wandern auf Dauer ins Darknet ab
Was glaubst Du: Wie sieht das Internet in 10 oder Jahren aus? Nur noch Kommerz und Zensur? Oder gibt es dann eine Parallel-Welt, die online von ein paar wenigen Insidern genutzt wird, wo es keine Einschränkungen und kein Copyright gibt?
Die großen Web-Warezseiten gibt es in 10 Jahren vielleicht nicht mehr. Die Warezseiten werden in Tor-ähnliche Netzwerke verlagert, so sehe ich das aktuell. Wenn man die Nutzung von Bargeld weiter einschränkt und Kryptowährungen zunehmend verboten werden, kann man den Zahlungsverkehr lückenlos nachvollziehen. Darum geht es den Regierungen und Strafverfolgungsbehörden primär.
Aber die Torrent-Szene und Szene-Gruppen, wie beispielsweise Razor 1911, Fairlight etc, die wird es weiterhin geben.
Ja, das denke ich auch. Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
Tarnkappe.nfo