Drachenlord vor dem AG Nürnberg
Drachenlord vor dem AG Nürnberg

Drachenlord: AG Nürnberg verurteilt Hater zu Jugendarrest

Heute musste sich ein junger Mann wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten. Zuvor hatte Drachenlord sein Smartphone zerstört.

Der sogenannte Handtuchhaider wurde am heutigen Donnerstag zu einer Woche Jugendarrest und 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Außerdem darf er sich gegen Strafandrohung dem Haus von Rainer Winkler (Drachenlord) für ein Jahr nicht nähern.

Handtuchhaider und Drachenlord zeigten sich gegenseitig an

Von den ganzen angereisten Zuschauern hat das Amtsgericht Nürnberg nur sieben Personen zugelassen. Grund war die Corona-Abstandsregelung, die keine dicht besetzten Zuschauerränge erlaubt. Ein Aushang im Gerichtssaal klärte darüber auf, dass mit Anhängern des YouTubers Drachenlord und somit auch mit Störungen zu rechnen sei. Den sieben Zuschauern nahm man alle elektronischen Geräte ab, um jegliche Aufzeichnungen von vornherein unmöglich zu machen. Stift und Papier waren ebenfalls verboten. Neben der üblichen Durchsuchung zog man die Ausweise der Zuschauer ein. Wahrscheinlich wurden die Daten festgehalten. Zudem fand eine zweite Durchsuchung bzw. das Abtasten nach verdächtigen Gegenständen statt.

AG Nürnberg beschränkte Anzahl der Zuschauer

Gegenstand der Verhandlung waren gegenseitige Beschuldigungen von Rainer Winkler und seines Besuchers (Herr O.) aus dem Dezember des Vorjahres. Im Rahmen einer Auseinandersetzung soll der Besuchte das Smartphone von Herrn O. (Handtuchhaider) auf die Straße geworfen und somit zerstört haben. Daraufhin erfolgte ein weiterer Besuch in dessen Verlauf Herr O. den Drachenlord angegriffen hat. Herr Winkler hat bei dem Handgemenge mehrere kleine Platzwunden im Gesicht davongetragen. Das Angebot der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen 80 Sozialstunden einzustellen, lehnte der beschuldigte Hater im Vorfeld ab, weswegen es zur heutigen Gerichtsverhandlung kam. Herr O. hatte sich keinen Anwalt genommen. Angeblich sei er zum Haus des Beschuldigten gefahren, um wegen seines kaputten Geräts ein „sachliches Gespräch“ mit seinem Kontrahenten zu führen. Der junge Mann bekam den Namen Handtuchhaider, weil er zum „Drachengame“ häufig mit einem Handtuch und einer Bierdose angereist ist.


Sehenswerte Dokumentation. Spannend: Keiner der Hater wollte vor der Kamera seine Identität preisgeben.

Im Winter ist „immer mitten in der Nacht“ ?

Befragt wurde zunächst eine junge Polizistin, die angab, mittlerweile den Einsatzort gewechselt zu haben. Während einer zehnstündigen Schicht sei es normal gewesen, wenn sechs bis sieben Mal das Telefon klingelte, um die Polizisten herbei zu rufen. Warum sie ihre Dienststelle gewechselt hat, stand vor Gericht nicht zur Diskussion. Während der Befragung war Herr Winkler anfänglich noch nicht anwesend. Er gab dann zu Protokoll, bei YouTube auf selbständiger Basis tätig zu sein. Es kam nach seiner Auskunft zu einer Gemengelage, bei der sich die Kontrahenten gegenseitig geschubst und geschlagen haben. Allerdings nicht ins Gesicht, weil er Herrn O. nicht ernsthaft verletzen wollte.

Der Hater wird auch bezichtigt, angeblich ein Messer mit sich geführt zu haben. Dafür konnte der Drachenlord aber keine Beweise vorlegen. An die genaue Uhrzeit der Tat konnte sich Herr Winkler auch nicht mehr erinnern. Im Winter sei es dunkel und deswegen wäre es bei ihm „immer mitten in der Nacht“, soll er vor Gericht gesagt haben. Bei Twitter und beim AltschauerbergExpress kursieren Berichte von der Gerichtsverhandlung, die Zuschauer nach dem Verfahren aus dem Gedächtnis notiert haben.

Der Drache als selbstständiger Medien-Unternehmer

Auf die Frage der Richterin, warum er weiterhin im Internet auftreten würde, antwortete er, das gebe seinen Zuschauern Stärke. Außerdem verdiene er damit seinen Lebensunterhalt, obwohl das gerade nicht so gut läuft, wie er zugab. Zudem würde er nicht nur streamen oder Videos drehen, sondern auch Musik und E-Books produzieren. Das Angebot, die Anzeige zurückzuziehen, nahm Herr Winkler nicht wahr. Er wolle, dass der Handtuchhaider verurteilt wird. Er hofft offenbar, dies könne eine gewisse Signalwirkung für andere Personen entfalten. Eine ordentliche Strafe könnte folglich zu weniger Besuchern vor seiner Haustür führen. Doch ob sich das bewahrtheitet, bleibt abzuwarten.

Der dritte geladene Zeuge saß während des Vorfalls in einem nahe gelegenen PKW. Dieser gab dem Widersacher des Drachen die Schuld an der Tat. Er habe früher Rainer als den Verursacher des Dilemmas angesehen, aber seine Meinung habe sich gewandelt. Offenbar hat sich auch die Stimmung im Dorf geändert. Die Anwohner sind wegen der anhaltenden Ruhestörung immer mehr genervt und sehen zunehmend nicht mehr Herrn Winkler als den Auslöser an.

Drachenlord

Staatsanwalt sieht Urteil als Warnung der Justiz

Update: Wir haben am heutigen Freitag mit dem Handtuchhaider telefoniert. So manche Aussagen waren vor Gericht für ihn nicht nachvollziehbar. Das Urteil findet er „nicht gut“. Die Provokation war beidseitig. D.h. nicht nur er habe sein Gegenüber provoziert, sondern auch umgekehrt. Wer im Internet öffentlich auftritt, müsse außerdem entsprechend vorsichtig agieren. Das Verhalten von Rainer habe zu der ganzen Problematik unzweifelhaft beigetragen. Das betrifft wohl auch die Alarmanlage, die sofort anschlägt, sofern sich jemand seinem Grundstück nähert. Der Handtuchhaider geht davon aus, dass zwar der Ansturm der Besucher nachlassen würde. Aber so ganz wird es wohl nie aufhören, dass Schaulustige nach Altschauerberg fahren, um sich den Zustand des Hauses anzuschauen und nach ihm zu rufen. Er sei in letzter Zeit aber sowieso nicht mehr oft beim Drachenlord gewesen.

Der Drachenlord hat schon beim letzten Kontaktversuch nicht auf unsere Nachrichten reagiert, deswegen haben wir auf weitere Anläufe verzichtet. Abschließend kommentierte der Staatsanwalt das Urteil, die anderen „Haider“ im Gerichtssaal sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Ob die vergleichsweise harte Strafe Nachahmer abschrecken wird, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich geschieht eher das Gegenteil. Zumindest sorgt der Vorfall im Netz wieder für einigen Trubel.

Das Strafverfahren gegen Herrn Winkler hat die Staatsanwaltschaft schon Monate vor dem Gerichtstermin eingestellt. Dabei ging es lediglich um versuchte schwere Körperverletzung. Diese sei nachrangig gegenüber des Tatvorwurfs wegen des Verdachts auf schweren Betrug zu behandeln, teilte die Staatsanwältin dem Drachenlord im Februar 2020 mit.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.