Bestandsdatenauskunft
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Bestandsdatenauskunft von Behörden beim BVerfG auf dem Prüfstand

Morgen entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde wegen der Bestandsdatenauskunft von Behörden & Geheimdiensten.

Auch ohne konkreten Verdacht haben sowohl Geheimdienste, als auch das Bundeskriminalamt Zugriff auf Nutzerdaten von Handy- und Internetanbietern. Schon der Verdacht auf eine Ordnungswidrigkeit reicht dafür aus, um Internetnutzer von der Polizei identifizieren zu lassen. Ein Passwort-Zugriff auf Internetdienste, wie Skype und E-Mail-Konten, ist für Behörden gleichfalls gegeben. Patrick Breyer und Katharina Nocun haben eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bestandsdatenauskunft (Bestandsdatengesetz) eingereicht.

Patrick Breyer informiert aktuell darüber, dass für den kommenden Freitag ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ansteht. Entschieden wird über die Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen den staatlichen Zugriff auf Passwörter und die Identität von Internetnutzerinnen und -nutzern (sogenannte Bestandsdatenauskunft, Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13).

Bereits am 01. Juli 2013 haben Bürgerrechtlerin und Netzaktivistin, Katharina Nocun, sowie Mitbeschwerdeführer und Europaabgeordneter der Piratenpartei, Patrick Breyer, Verfassungsbeschwerde gegen die von CDU, FDP und SPD beschlossene Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes eingelegt. Demgemäß verstößt das geltende Gesetz gegen das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Telekommunikationsgeheimnis und ist in mehr als zehn Punkten verfassungswidrig“.

§ 113 des Telekommunikationsgesetz auf dem Prüfstand

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Anlass zur Verfassungsbeschwerde gibt hierbei der § 113 des Telekommunikationsgesetzes. Dieser stattet Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten mit weitreichendem Zugriffs-Befugnissen auf Nutzerdaten bei Internet- und Telefonanbietern aus. Eine „nahezu hürdenlose Identifizierung von Internetnutzern sowie die Herausgabe der PUK von Handys und Smartphones und weiterer Passwörter zu Internetdiensten“ sei damit an der Tagesordnung.

Die Bestandsdatenauskunft zur Identifizierung von Internetnutzern und zur Abfrage von Passwörtern wäre laut Beschwerdeführer in vielen Punkten nicht verhältnismäßig. Es fehlt eine Eingrenzung auf Einzelfälle und ebnet den Weg damit zu massenhaftem Datenabruf. Zudem ist keine Beschränkung auf rechtmäßig gespeicherte Daten festgelegt. Hiermit können Behörden sogar auf Daten zugreifen, die Unternehmen ohne Nutzer-Erlaubnis über sie gespeichert haben. Einige Paragraphen lassen im Unklaren, in welchen Fällen ein Zugangscodes-Zugriff gestattet wäre.

Eigenes PRISM ist keine Option

Katharina Nocun brachte schon damals ihre Besorgnis zum Thema Bestandsdatenauskunft zum Ausdruck.

„Wenn wir den Geheimdiensten heute die Hintertür öffnen, brauchen wir uns morgen nicht zu wundern, wenn wir ein eigenes PRISM haben. Wir schaffen hier mit dem Bundeskriminalamt eine neue Internet-Geheimpolizei, die unsere intimsten Gedanken durchwühlen und rastern darf. Wer heute glaubt, eine weitere Schnüffelschnittstelle für Geheimdienste und Polizei wäre in Zeiten von Mega-Überwachungsprogrammen wie PRISM und TEMPORA nicht weiter schlimm, ist buchstäblich dümmer als die Polizei erlaubt. Hier werden neue elektronische Datenschnüffelschnittstellen bei den Anbietern installiert, die schon heute Massenabfragen von Daten bei Anbietern zulassen. Neue elektronische Abrufschnittstellen ermöglichen Massenabfragen, wie diese auch von Überwachungstechniken wie PRISM oder TEMPORA ausgeführt werden. Zielgerichtete Ermittlung statt neuer Überwachungsschnittstellen sollte die Devise in einer Demokratie sein.“

Nocun weiter:

„Die Kritik der Bundesdatenschutzbeauftragten zeigt, dass hier dringend nachgebessert werden muss. Die gesetzlichen Hürden für tiefgreifende Eingriffe in die Privatsphäre sind viel zu niedrig. Dass es für die Identifizierung von Internetnutzern keinen Richtervorbehalt braucht, ist grob fahrlässig. Es kann nicht sein, dass BKA und Verfassungsschutz auch ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat Internetnutzer ausspionieren dürfen. Wie leicht dies zu falschen Verdächtigungen und Datenbankeinträgen führen kann, habe ich leider am eigenen Leib erleben müssen. Weil ich eine Protestseite gegen die Bestandsdatenauskunft ins Netz gestellt habe, landete mein Name vollkommen zu Unrecht in der bundesweiten Polizeidatenbank für ‚Cybercrime‘. Von solchen skandalösen Vorgängen werden wir uns jedoch nicht einschüchtern lassen.“

Überwachungswahn setzt niedrige Hürden für Bestandsdatenauskunft

Der Mitbeschwerdeführer und Europaabgeordnete der Piratenpartei, Patrick Breyer, äußert sich wie folgt.

„In einem Klima des politischen Überwachungswahns sind Datenabfragen unter viel zu geringen Voraussetzungen zugelassen worden. Dadurch ist die Gefahr, infolge einer Bestandsdatenabfrage zu Unrecht in das Visier von Ermittlern oder Abmahnkanzleien zu geraten, drastisch angestiegen. IP-Adressen sind ein sehr fehleranfälliges Ermittlungsinstrument, weil sie nicht auf den konkreten Nutzer schließen lassen. Ich rate allen Internetnutzern zum Einsatz eines Anonymisierungsdienstes, um sich vor falschem Verdacht und ungerechtfertigter Verfolgung zu schützen.“

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.