Piraterie in Feierlaune: Der digitale Untergrund tanzt zu gestohlenen Beats.
Piraterie in Feierlaune: Der digitale Untergrund tanzt zu gestohlenen Beats.
Bildquelle: ChatGPT

RIAA schlägt Alarm: Bootleg-Vinyl, Stream-Ripping & Cyberlocker erobern den Untergrund

RIAA schlägt Alarm: Bootleg-Vinyl, Stream-Ripping & Cyberlocker sind auf dem Vormarsch und bedrohen die Musikbranche 2025.

Vinyl boomt – auch illegal. Aus Russland und China fluten Bootleg-Schallplatten den Markt, während Stream-Ripper und Cyberlocker den digitalen Untergrund am Laufen halten. Damit hat sich die Piraterie professionalisiert. Sie agiert heute wie eine Industrie im Schatten. Die RIAA schlägt Alarm, weil sie durch ein globales Frühwarnsystem aus Crawlern, Label-Meldungen, Behörden und Szene-Quellen die Zeichen der Zeit registriert und dokumentiert hat.

Die RIAA schlägt Alarm und diesmal richtig laut

Die „Notorious Markets“-Runde der US-Handelsbehörde ist wieder eröffnet. Jedes Jahr veröffentlicht das U.S. Trade Representative Office (USTR) seine Liste der „Notorious Markets“ über globale Hotspots für Fälschung und Piraterie. Und jedes Jahr meldet sich auch die Recording Industry Association of America (RIAA) zu Wort. Gemäß MusicBusinessWorldwide schlägt die RIAA Alarm über eine neue Welle von Piraterie, über eine neue Welle von Piraterie, die physische und digitale Welten miteinander verschmelzen lässt.

Bootleg-Vinyl in Top-Qualität aus Russland und China, Stream-Ripping-Dienste mit Milliardenklicks und Cyberlocker als verlässlichste Lieferketten der Schattenökonomie. Das alte Problem kehrt mit neuen Methoden zurück.

Bootleg-Vinyl aus Russland & China: Hochwertige Fakes, echte Schäden

Laut der aktuellen RIAA-Eingabe an die USTR haben sich Russland und China zu den größten Quellen gefälschter Vinylplatten und CDs entwickelt. Diese Bootlegs sind dabei keine billigen Kopien, sondern von der Schutzfolie über Booklets bis hin zu Sicherheitsstickern täuschend echt. Besonders beliebt sind „Greatest-Hits“- oder Best-of-Compilations, die nie offiziell erschienen sind, sowie Vinyl-Versionen digitaler Alben. RIAA resümiert, dass Konsumenten einen Vollpreis für Fälschungen zahlen, die direkt neben Originalen stehen als eine echte 1:1-Verdrängung legitimer Verkäufe. Plattformen müssten Händler vorab prüfen und Repeat-Offender konsequenter sperren.

Die Fakes tauchen laut Bericht auf Amazon, eBay, Marktplaats, Leboncoin und vor allem auf Vinted auf. Ursprünglich als Plattform für Second-Hand-Mode gedacht, ist Vinted mittlerweile ein Eldorado für Piraten-Vinyl. Trotz wiederholter Hinweise lässt Vinted laut RIAA dieselben Verkäufer immer wieder neu listen. Ein ernstes Signal dafür, dass der Graumarkt längst mitten im Mainstream angekommen ist.

Stream-Ripping: Alte Technik, neue Blüte

Stream-Ripping bleibt laut der RIAA die weltweit verbreitetste Form der Musikpiraterie. Das Prinzip ist denkbar einfach. Nutzer kopieren die URL eines Musik- oder Video-Streams, meist von YouTube, und fügen sie in eine sogenannte Ripper-Seite ein. Die dahinterliegenden Tools oder Skripte umgehen den Kopierschutz der Plattformen und verwandeln den Stream mit einem Klick in eine herunterladbare MP3-Datei.

Zu den bekanntesten Diensten zählen Y2mate, Savefrom, SSYouTube, Tubidy, Notube und die App Snaptube. Allein Savefrom kommt laut RIAA auf über 1,6 Milliarden Seitenaufrufe pro Jahr laut SimilarWeb. Die RIAA spricht von einem klassischen Katz-und-Maus-Spiel. Sobald Suchmaschinen Ripping-Seiten herabstufen, tauchen sie unter neuen Domains wieder auf. Wer bei Google nach „YouTube Download“ sucht, landet deshalb meist erneut bei denselben Anbietern. „Stream-Ripping ist und bleibt das Rückgrat der Online-Piraterie,“ heißt es in der RIAA-Submission.

Cyberlocker: Alte Piraterie-Bekannte im Daten-Untergrund

Parallel zu den Rippern floriert ein zweiter Sektor, die sogenannten Cyberlocker. Das sind Filehoster, die unlizenzierte Inhalte bereitstellen und am Traffic verdienen. Zu den berüchtigtsten Plattformen zählen laut RIAA Rapidgator, Krakenfiles, Chomikuj, Pixeldrain und Pillowcase. Diese Dienste arbeiten mit Premium-Abos, Werbeeinblendungen und teils sogar Bonus-Systemen für Uploader, deren Dateien besonders viele Klicks generieren. Die RIAA kritisiert, dass diese Betreiber kaum echtes Interesse an Legalität zeigen:

„Es gibt technologische Lösungen, um illegale Uploads zu verhindern. Sie werden nur bewusst nicht eingesetzt.“

Einige dieser Cyberlocker sollen inzwischen dazu genutzt werden, um KI-Vocalmodelle zu trainieren, auf Basis von gestohlenem Musikmaterial.

RIAA schlägt Alarm: Bootleg-Vinyl, Stream-Ripping & Cyberlockers erobern den Untergrund
RIAA schlägt Alarm: Bootleg-Vinyl, Stream-Ripping & Cyberlocker erobern den Untergrund

Bulletproof-ISPs & Schatten-Infrastruktur

Hinter vielen großen Piraterieseiten steht eine eigene Schatteninfrastruktur als Rückgrat des digitalen Untergrunds. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten Bulletproof ISPs, also Hosting-Dienstleister, die bekanntermaßen nicht oder nur zögerlich auf Beschwerden wegen Urheberrechtsverletzungen reagieren. Im aktuellen RIAA-Bericht werden drei besonders berüchtigte Anbieter genannt:

  • PRQ (Schweden) – gegründet von den Machern von The Pirate Bay, bekannt für kompromisslosen Datenschutz und Toleranz gegenüber fragwürdigen Inhalten.
  • Frantech / BuyVM (Kanada / Luxemburg) – spezialisiert auf Serverstandorte mit schwacher Rechtsdurchsetzung, beworben als „Tiny Country, Huge on Privacy“.
  • DDoS-Guard (Russland) – bietet Schutz vor Angriffen, hostet aber zugleich zahlreiche Piraterie- und Streaming-Plattformen.

Diese Anbieter verschleiern gezielt die Identität ihrer Kundschaft, ignorieren Löschanfragen und blockieren Ermittlungsbehörden. Damit stützen sie aktiv die Schattenökonomie der digitalen Piraterie und ermöglichen, dass einschlägige Seiten trotz Sperren oder Klagen weiter online bleiben.

Discord & Telegram: Leak-Plattformen mit Chatfunktion

Laut RIAA haben sich die Messaging-Dienste Discord und Telegram zu den zentralen Umschlagplätzen für Pre-Release-Leaks entwickelt. Früher fanden solche Austausche in abgeschotteten Foren und IRC-Kanälen statt. Heute jedoch spielt sich alles in halböffentlichen Chat-Gruppen und Servern ab. Dort agieren organisierte Leak-Netzwerke, die unveröffentlichte Musik handeln, teils für vier- bis fünfstellige Beträge pro Album.

Diese Gruppen operieren global, nutzen Phishing, Social Engineering und Insider-Leaks, um an unveröffentlichtes Material zu gelangen. Anschließend werden die Dateien in Szene-Kanälen verteilt oder über Cyberlocker monetarisiert. Zwar reagieren sowohl Telegram als auch Discord auf einzelne Takedown-Notices, doch ein funktionierendes Anti-Leak-System existiert bislang nicht.

Diese Plattformen sind heute die primären Mechanismen, über die Pre-Release-Musik ohne Autorisierung verteilt wird,“ warnt die RIAA in ihrer Submission. Solange die Betreiber keine proaktiven Maßnahmen gegen Wiederholungstäter oder organisierte Leak-Gruppen ergreifen, bleiben Telegram und Discord die bevorzugten Umschlagplätze für unveröffentlichte Musik. Die Infrastruktur steht, die Netzwerke sind eingespielt und jeder Takedown bleibt nur ein Tropfen auf dem heißen Server.

Trotz Streaming-Boom: Der Musikmarkt stagniert

Als zentraler Befund des RIAA-Berichts bleibt, trotz florierendem Streaming-Geschäft, die Musikbranche ökonomisch geschwächt. Inflationsbereinigt erreichten die US-Soundrecording-Umsätze 1999 über 26 Milliarden USD, 2024 dagegen nur 17,7 Milliarden USD.

Letztlich bedeutet es rund acht Milliarden Dollar weniger Umsatz und das trotz Spotify, Apple Music & Co. Die Ursachen sieht die RIAA in der anhaltenden Piraterie, gefälschten Tonträger und einem globalen Markt für Leaks und Pre-Releases, der weiterhin floriert. Laut dem IFPI „Engaging with Music“-Bericht aus dem Jahr 2023 nutzten rund 29 Prozent der Menschen weltweit illegale Wege, um Musik zu hören. Bei den 16- bis 24-Jährigen lag der Anteil sogar bei 43 Prozent, also fast jeder Zweite.

Piraterie 2025 – zurück im High-End-Gewand

Die Platte knistert, aber nicht immer legal. Zwischen fabrikneuen „Greatest-Hits“, die nie existierten, und One-Click-Rippern, die jeden Promo-Stream konservieren, zeigt die RIAA, dass Piraterie 2025 industrialisiert ist, sowohl physisch als auch digital. Vom Bootleg-Vinyl über Telegram-Leaks bis hin zu Cyberlocker mit Premium-Abos, die Grauzone ist längst ein lukrativer Markt. Solange Plattformen, Hoster und Zahlungsdienste keine echte Verantwortung übernehmen, wird die Musikbranche weiter „an der Nadel“ dieser Schattenökonomie hängen.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.