Wie bereits zuvor vor dem LG Hamburg unterlag der Schweizer DNS-Resolver Quad9 erneut Sony Music Entertainment aktuell vor dem LG Leipzig.
Im Rechtsstreit zwischen Quad9 und Sony hat das Landgericht Leipzig gestern ein Urteil verkündet. Danach können Betreiber von DNS-Resolvern als Täter von Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden. Wie Heise berichtet, drohten dem Resolver-Betreiber bei Zuwiderhandlung bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld beziehungsweise bis zu 2 Jahre Haft.
Sonys Klage fand ihren Ausgangspunkt in einer Urheberrechtsverletzung. Der Musikriese kam dabei zwei Uploadern, namens „Smiler10“ und „beatnik“, auf die Spur. Diese hatten ein Sony-Musikalbum der amerikanischen Rockband Evanescence illegal auf der Plattform des Urgesteins CannaPower mit Verlinkung zu Shareplace.org hochgeladen.
Sony wollte daraufhin gerichtlich ein Verbot erwirken. Der in der Schweiz ansässigen Stiftung Quad9 soll es daraufhin untersagt sein, die zwei Domains in die zugehörigen IP-Adressen aufzulösen. Mit dieser Maßnahme wären die Webseiten im Internet nicht mehr erreichbar.
Sony scheiterte mit anfänglichen Maßnahmen
Zunächst strebte Sony an, die betreffende Website vom Netz zu nehmen. Allerdings blieben jegliche diesbezügliche Kontaktversuchen erfolglos. Gescheitert war Sony demnach offenbar beim CannaPower-Betreiber, beim Domain-Registrar und beim Hosting-Anbieter. Aus dem Grund ging Sony zum nächsten Glied in der Kette über, zu Quad9. Aber auch der DNS-Resolver ignorierte zunächst eine Anfrage von Sony.
DNS-Resolver lösen als Internet-Dienstleister die Adresse einer Website in IP-Adressen auf, sobald Nutzer im Netz diese aufrufen. Erst dann kann der Browser die gewünschte Seite anwählen. Dazu fragt der DNS-Resolver bei sogenannten Nameservern an. Ist die IP-Adresse ermittelt, gibt der DNS-Resolver sie an den Browser zurück, der sich schließlich mit der IP-Adresse verbindet.
Insgesamt gibt es nur wenige weltweit tätige DNS-Resolver, die viele Standorte und Server nutzen. Die Dienste bieten vor allem große Tech-Riesen wie Google oder Cloudflare an. Eine Ausnahme ist die Stiftung Quad9, die ihren Dienst kostenlos anbietet und in 90 Ländern tätig ist. Nach eigenen Aussagen unterscheidet sich Quad9 von anderen Diensten dieser Art:
„Im Gegensatz zu kommerziellen DNS-Betreibern, die vom Verkauf der persönlichen Daten und des Internet-Browserverlaufs der Benutzer profitieren, sammelt Quad9 keine persönlichen Daten. Die Abfragen und Adressen der Benutzer werden weder gesammelt noch aufgezeichnet, so dass Dritte keinen Zugriff darauf haben. Quad9 ist eine gemeinnützige Organisation mit transparenter Führung und Finanzen, die durch Spenden unterstützt wird und sich ausschließlich dem Betrieb von privaten und sicheren DNS-Diensten widmet.“
Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, hat Quad9 seinen Sitz in die Schweiz verlagert. Gegründet wurde die Stiftung 2016 in den USA. Im Prozess unterstützt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) den DNS-Resolver.
Sony vs. Quad9: Musikgigant streitet mit DNS-Resolver vor Gericht
Sony hatte die Klage bereits 2021 gegen den DNS-Resolver-Betreiber Quad9 eingereicht. Das Landgericht Hamburg verhandelte den Fall Ende 2021 zugunsten Sonys. Das zuständige Gericht argumentierte, dass Quad9 ein sogenannter Störer sei, da es die Auflösung der zugehörigen Domain und damit den Verstoß gegen das Telemediengesetz ermögliche.
Quad9 komme zwar nicht als originäre „Täterin“ in Betracht, sei aber als „Störerin“ für die Rechtsverletzungen mitverantwortlich: „Die Antragsgegnerin leistet mit ihrem Dienst einen willentlichen, adäquat-kausalen Beitrag zur Erreichbarkeit der Verlinkungen auf der Internetseite.“
Daraufhin erwirkte die Kanzlei Rasch Rechtsanwälte vor Gericht im Auftrag von Sony eine einstweilige Verfügung, die das Schweizer Unternehmen zur Sperrung des Zugangs mit Beschränkung auf den deutschen Internetraum verpflichtete. Das Landgericht Hamburg stellte fest, dass die Tätigkeit von Quad9 nicht unter das Haftungsprivileg für reine Vermittler fällt, das z.B. Diensteanbieter von der Haftung für ähnliche Verstöße befreit.
Das Landgericht Hamburg ließ hierbei auch den Einwand nicht gelten, dass Quad9 nur einer von vielen DNS-Resolvern ist, den User verwenden können. Durch die Sperrung war der Zugriff auf das geschützte Material zumindest über diesen Resolver nicht mehr möglich. Allerdings hat Quad9 nur einen Marktanteil von einem Prozent inne und andere DNS-Resolver könne man jedoch problemlos dafür nutzen.
Quad9 wehrt sich gegen Anforderungen zum Blockieren von Piratenseiten
Seither muss Quad9 der angeordneten Sperrung nachkommen. Besonders räumlich eingeschränkte Sperrungen sind technisch aufwendig und zudem kostspielig. Quad9 wehrt sich derzeit gegen die einstweilige Verfügung.
Der Fall ist jetzt vor dem Oberlandesgericht Hamburg anhängig. Darüber hinaus lief das Hauptverfahren in dem Urheberrechtsstreit vor dem Landgericht Leipzig. Auch hier wurde Quad9 verurteilt – allerdings aus anderen Gründen als in Hamburg.
Landgericht Leipzig erkennt Urheberrechtsverletzung
Das Landgericht Leipzig folgte der Argumentation des Landgerichts Hamburg nicht. Dementsprechend hat es Quad9 in seinem Urteil nicht als „Störer“ bezeichnet. Stattdessen verurteilte es Quad9 wegen Urheberrechtsverletzung.
Wenn Sony Quad9 auf eine mögliche Urheberrechtsverletzung hinweist, besteht eine Prüfungspflicht. Durch Overblocking müsse man sichergestellen, dass die Inhalte nicht mehr zugänglich sind – auch zukünftige Verstöße müsse man so verhindern. Auf den möglichen technischen Nebeneffekt der Sperrung unbeteiligter Domains ging das Gericht allerdings nicht ein.
Im Vorfeld des Prozesses hatte Quad9 ein Gutachten bei der Bayreuther Rechtsprofessorin Ruth Janal in Auftrag gegeben. Demgemäß käme eine Störerhaftung nach dem Telemediengesetz nicht in Frage. Die dort geregelten Haftungsprivilegien gelten auch für DNS-Resolver.
Für die aktuelle Verurteilung ist diese Auffassung jedoch irrelevant. Das Landgericht Leipzig ging nicht von einem Verstoß gegen das Telemediengesetz, sondern gegen das allgemeine Urheberrecht aus.
Sicher kann man davon ausgehen, dass Quad9 auch gegen diese Entscheidung Berufung einlegt. Als letzte Instanz wäre dann der Europäische Gerichtshof zuständig.
Das Urteil kommt einem Grundsatzentscheid gleich, der fatale Folgen für das gesamte Netz nach sich ziehen könnte. Damit wären Rechteinhaber künftig legitimiert, bei DNS-Resolvern solche Sperrungen zu verlangen. Blockierungsforderungen könnten sich schon bald auch auf andere Websites erstrecken.