Die Kanzlei Rasch Rechtsanwälte erwirkt im Auftrag von Sony eine einstweilige Verfügung. Man zielt damit auf den DNS-Resolver Quad9 ab. Die in die Schweiz ausgewanderte Non-Profit-Sicherheitsplattform will man dazu zwingen, den Zugang zu bestimmten Domains zu unterbinden. Natürlich geht es dabei um Urheberrechtsverletzungen einer offensichtlich rechtswidrigen Piraten-Webseite.
Rasch Rechtsanwälte haben sich den kleinsten Gegner ausgesucht
Die Hamburger Medienkanzlei Rasch Rechtsanwälte hat sich für ihre Aktion ausgerechnet den kleinsten öffentlichen DNS-Resolver im Web, Quad9, ausgesucht. Wie heise online berichtet, waren Sonys Anwälte kürzlich mit ihrem gerichtlichen Eilverfahren erfolgreich.
Die Stiftung Quad9 soll vom Landgericht Hamburg dazu verpflichtet werden, bei Androhung von 250.000 Euro beziehungsweise einer Ordnungshaft, den Zugang zu einer namentlich nicht genannten Domain zu unterbinden. Von dort macht ein Piraten-Portal, dessen Zugang man versperren will, per Sharehoster Alben von Sony Music öffentlich zugänglich. Ging es etwa schon wieder um ddl-music.to?
Cherry Picking à la Rasch Rechtsanwälte: Störerhaftung: ja, Haftungsprivilegien: nein!
Rasch Rechtsanwälte beruft sich auf die nach ihrer Ansicht bestehende Störerhaftung des DNS-Resolvers. Da Quad9 die DNS-Auflösung kostenlos und öffentlich zur Verfügung stellt, nimmt man die Stiftung als Störer in Haftung. Laut Landgericht Hamburg gelten für sie die für ISPs oder Domain-Registrare sonst üblichen Haftungsprivilegien nicht.
Dazu kommt: Für das Gericht spiele es keine Rolle, dass Quad9 bei den DNS-Resolvern nur einen lächerlichen Marktanteil von etwa einem Prozent besitzt. Rasch Rechtsanwälte hat sich für diesen Schritt offenkundig absichtlich den kleinsten Anbieter ausgesucht, um das Verfahren zu testen. Wenn sie damit durchkommen, werden sie sich wohl schon bald an die größeren DNS Resolver wenden.
Quad9 kündigt Gegenwehr an
Gegenüber heise.de kündigt der Quad9-Vorsitzende Bill Woodcock an, dass man sich gegen diese Maßnahme zur Wehr setzen werde. Sonys Anwälte argumentierten, Quad9 würde ja sowieso schon die Anfragen blockieren, sollten Cyberkriminelle Domains zur Verteilung von Malware oder zwecks Phishing nutzen. Den Schritt zur Sperre von Piraten-Domains sieht die Gegenseite als klein an. Außerdem bringt man den Empfänger des Gerichtsbeschlusses zusätzlich unter Druck, weil man Quad9 nur wenige Stunden Zeit gab, um auf das Schreiben zu reagieren.
Woodcock kritisiert das Vorgehen der Kanzlei scharf. Laut Woodcock habe sich Rasch Rechtsanwälte bzw. ihr Dienstleister proMedia, „nicht sehr viel Mühe gegeben„, den Domain-Inhaber der Piraten-Website bzw. den Sharehoster mit rechtlichen Mitteln in die Zange zu nehmen. Ob man somit alle erforderlichen Schritte unternommen hat, um eine einstweilige Verfügung begründen zu können, muss das Landgericht Hamburg später im Verlauf des eigentlichen Gerichtsverfahrens klären. Das bleibt noch abzuwarten.
Stiftung wechselte Standort aus Datenschutzgründen
Hintergrund. Im Februar 2021 wechselte Quad9 seinen Standort von Kalifornien (USA) nach Zürich. Das nützt dem Adressaten in dieser Angelegenheit natürlich herzlich wenig. Die Stiftung entschied sich somit freiwillig, sich den Vorgaben der DSGVO und zugleich den juristischen Grundlagen der Schweiz zu unterwerfen. Rasch hat sich für seine Aktion einen der Guten ausgesucht. Im Gegensatz zu kommerziellen DNS-Betreibern, wie dem Marktführer Google Public DNS, analysiert oder verkauft der DNS-Resolver Quad9 keine persönlichen Daten seiner Nutzer.
Ausblick
Wie gesagt. Sollte Rasch das Verfahren vor dem LG Hamburg gewinnen, so wird dies nicht das Ende, sondern den Anfang vieler weiterer Verfahren darstellen, um die DNS-Auflösungsdienste zur Mitarbeit zu zwingen. Somit hat man quasi einen neuen Ansatz für die Durchsetzung von Netzsperren gefunden.
Warum tut man das? Ganz einfach, weil man die Hintermänner aufgrund ihrer Anonymität nicht zur Verantwortung ziehen kann. Wer sich für die Details interessiert: Wir haben schon häufiger über die Verantwortungs-Diffusion der IT-Branche berichtet, die nur zu gerne jede Menge Geld an dieser Problematik verdient.
Kommentar von Lars Sobiraj
Ich habe Clemens Rasch vor einigen Jahren auf dem DACH Branchenforum der GVU getroffen (siehe Video oben und unten). Er wirkt auf mich wie ein höchst sachlich denkender Mensch, der ungern Aufhebens um seine Person oder Kanzlei macht. Rasch ist in meinen Augen ein Überzeugungstäter. Monetäre Gründe spielen naturgemäß auch eine Rolle, das bleibt in der Branche nicht aus. Doch Raschs Auftreten ist exakt das Gegenteil von dem seines aktivsten Konkurrenten, Björn Frommer, von der Münchener Kanzlei Frommer Legal. Das Kollegium von Juristen ist besser bekannt als Waldorf Frommer. Mehr möchte ich zum Habitus des Herrn Frommer nicht öffentlich schreiben, aber die Leser dürften meine Einstellung auch so verstehen… ;-)
Mit dem Versand von Copy- & Paste-Abmahnungen hat dieses Verfahren überhaupt nichts gemeinsam. Es ist innovativ. Außerdem muss man Raschs Kanzlei zugutehalten, dass sie sich im Laufe der Jahre immer wieder etwas Neues im Kampf gegen Online-Piraterie einfallen ließ.
Ob man aber eine völlig unbeteiligte Stelle dazu nötigen sollte, das Netz sauber zu halten, damit nur noch die „richtigen“ Parteien etwas an der Verbreitung von Werken verdienen dürfen, darüber kann man freilich trefflich streiten.
Tarnkappe.info
music.163.com: Die Songs der Künstler, die bei Sony Music unterschrieben haben, dürfen hierzulande nicht als Stream oder kostenloses MP3 angeboten werden.
Die Server der BitTorrent-Tracker OpenBitTorrent, PublicBittorrent und Istole.it wurden von den Hostprovidern auf Druck der Kanzlei Rasch abgeschaltet.