Dezor, Abmahnung, Akte
Dezor, Abmahnung, Akte
Bildquelle: myrfa, Lizenz

Drohen bei der Nutzung von Dezor Abmahnungen oder Strafanzeigen?

Dezor: Kostenlose Streams im Browser oder mit der Smartphone-App anschauen. Ist das legal? Droht mir eine Abmahnung oder Bestrafung?

Im Oktober 2022 erschien der neue plattformübergreifende Browser Dezor. Dieser ist auch als App für Android und iOS verfügbar. Aufgrund der wachsenden Popularität fragen sich immer mehr Benutzer, ob sie beispielsweise für den Konsum von Disney+ Filmen oder aktuellen Bundesligaspielen eine Abmahnung kassieren können. Ist Dezor legal? Muss ich mit straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen rechnen?

Dezor ist ein ganz normaler Browser für Computer, Tablet-PCs und Smartphones. Es gibt ihn für Linux, macOS und Windows. Doch die App gibt es auch für Amazons Fire TV-Stick und unzählige Smartphones.

Der Browser basiert auf der Rendering-Engine WebView, die die Inhalte der Websites bekanntlich extrem schnell anzeigt. Bei Android-Geräten ist WebView eine vorinstallierte System-App, die man wie andere Bestandteile des mobilen Betriebssystems auch, updaten kann. Außerdem verfügt Dezor über einen eigenen Werbeblocker und ein kostenloses virtual private network (VPN). Letzteres dient der Verschleierung der eigenen IP-Adresse.

Hersteller von Dezor geht juristisch gegen unerwünschte Werbungen auf Webseiten vor

Doch bekanntlich kann man Dezor noch zu anderen Zwecken benutzen, die der Hersteller nicht vorgesehen hat. Etwas Besonderes verstecken Unbekannte hinter einer speziellen Webadresse, die man nur eingeben muss, um Dezor zu einem waschechten Mediacenter für die verschiedensten Inhalte zu verwandeln.

Nach Eingabe der speziellen URL kann man kostenlos auf unzählige Streaming-Inhalte und Live-Sender zugreifen, für die man bei Amazon Prime, Netflix, Paramount+, Sky und vielen anderen Anbietern bezahlen müsste. Im offensichtlich rechtswidrigen Angebot befinden sich auch Mitschnitte aktueller Kinofilme und Episoden ganz neuer TV-Serien.

dezor

Die Installation und Nutzung des Dezor Browsers ist legal. Das erklärt, warum man die App beim Google Play Store und den App-Store von Apple herunterladen kann. Apple ist bekanntlich extrem kritisch bei der Auswahl der Programme, die in ihrem App Store erlaubt sind. Doch würde man Dezor verbieten, dann müsste man wohl alle Browser aus dem Angebot entfernen, weil man sie allesamt zu illegalen Zwecken einsetzen kann. Außerdem ist es völlig legal, die eingebauten Ad-Blocker- und VPN-Features zu nutzen.

Nicht mehr legal ist hingegen der Konsum von Inhalten, für die man sich woanders anmelden und vor allem Geld bezahlen müsste. Doch auch wenn der Europäische Gerichtshof vor einigen Jahren festgelegt hat, was beim Thema Online-Streaming erlaubt ist und was nicht, so muss man, realistisch betrachtet, trotzdem mit keiner Abmahnung rechnen.

Abmahnungen sind schlichtweg unrealistisch

Urheberrechtlich geschützte Medien dürfen nach aktuell gültiger Rechtslage nicht heruntergeladen und auch nicht per Live-Stream konsumiert werden. Doch wer jetzt Angst vor unangenehmen Konsequenzen hat, muss sich mehrere Dinge vor Augen halten.

Einerseits muss man die Zuschauer erstmal dingfest machen, indem man ihre Identität über ihre IP-Adresse ermittelt. Doch die Kanzleien, die im Auftrag der Rechteinhaber tätig sind, besitzen diese Daten nicht. Dafür müssten sie Zugriff auf die Webserver haben, die die Filme oder TV-Sendungen übertragen. Ihre Zeit für die Zuordnung der IP-Adresse ist begrenzt, weil wir in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung mehr haben. Außerdem könnte man das eingebaute VPN von Dezor nutzen. Dann würde man als IP-Adresse die des VPN-Servers sehen und nicht mehr die des Nutzers.

Außerdem werden die Rechtsanwaltskanzleien einen Teufel tun, derartige Urheberrechtsverletzungen abzumahnen, weil sie dabei viel zu wenig Geld verdienen können. Beim P2P-Filesharing ist der Gegenstandswert um ein Vielfaches höher, weil man beim Transfer auf die eigene Festplatte den Film auch an Hunderte Personen hochlädt. Dementsprechend groß ist bei P2P-Abmahnungen der zu zahlende Schadenersatz und die Kostennote der Rechtsanwaltskanzlei. Beim Streaming ist der Gegenstandswert der Abmahnung gleich der Höhe einer Kinokarte, einer DVD oder einer Blu-ray Disc etc.

Abmahnung
im Fall von Dezor unrealistisch: Abmahnungen

Nur der Versand von P2P-Abmahnungen rechnet sich für die Rechtsanwaltskanzleien

Würden die Juristen der Rechteinhaber tatsächlich wegen dem Streaming Abmahnungen verschicken, hätte man längst davon gehört. Dann würde es auch Sharehoster-Abmahnungen geben, weil manche One-Click-Hoster in der Vergangenheit bereit waren, die IP-Adressen ihrer Nutzer preiszugeben. Das ist bei den Offshore-Anbietern heutzutage auch nicht mehr der Fall.

Und auch strafrechtlich ist die Verfolgung von Streaming-Urheberrechtsverletzungen für die Staatsanwaltschaften uninteressant. Sie haben sich in der Vergangenheit auf die Betreiber illegaler Angebote konzentriert, die damit viel Geld verdient haben. Auch im Fall von Share-Online.biz ist es extrem unwahrscheinlich, dass man die Downloader belangen wird, weil man schon mit der Auswertung der vielen Daten überfordert ist, um wenigstens neben den Betreibern die aktivsten Uploader zu belangen.

Fazit

Der Besitz und die Nutzung der App bzw. des Programms Dezor ist grundsätzlich legal. Der Hersteller hat sich in der Vergangenheit aktiv an mehrere Online-Piraten gewendet, damit diese keine Werbung mehr für die unerwünschte Nutzung ihres Browsers schalten. Daraufhin sind derartige Hinweise von den Websites verschwunden.

Urheberrechtsverletzungen von Privatpersonen sind in Deutschland nicht legal, das muss man am Ende des Artikels natürlich erstmal festhalten. Andererseits muss man sich auch bewusst machen, dass Abmahnungen für rechtswidrige Streams unrealistisch sind.

Auch zu Strafbefehlen, Vorladungen oder Anklagen ist es deswegen bislang nicht gekommen. Nicht alles was theoretisch möglich wäre, geschieht auch. Das gilt umso mehr, weil die Ermittlungsbehörden schon mit dem Kampf gegen die Betreiber mehr als ausgelastet sind. Last, but not least empfehlen wir die Nutzung legaler Dienste, weil damit alle Beteiligten der Filmwirtschaft finanziell unterstützt werden.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.