Den Bundesgerichtshof beschäftigt aktuell die Frage, ob "Cheat-Software" urheberrechtlich zulässig ist und somit auch einen Verkauf gestattet
Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) klärt ab dem 27. Oktober 2022 die, nicht nur für Juristen, spannende Frage, ob es sich bei Cheat-Software um eine unzulässige Umarbeitung der Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG handelt oder eben nicht (Az. I ZR 157/21). Bisher urteilten vorinstanzliche Gerichte darüber unterschiedlich. Befanden sich bis dato Programmierer noch mit einem Verkauf solcher Produkte in einer rechtlichen Grauzone, so soll zumindest der BGH mit dem Urteil die lange erwarteten Antworten in dieser Angelegenheit bringen. Vorsitzende Richter Thomas Koch wies darauf hin, möglicherweise den Europäischen Gerichtshof in die Urteilsfindung einbeziehen zu wollen.
Der Gerichtsfall geht dabei schon auf das Jahr 2012 zurück. Als Klägerin tritt Sony auf. Der Konzern ging gerichtlich einerseits gegen den Hersteller und Vertreiber der Software und andererseits gegen einen deutschen Online-Händler vor. Die Beklagten entwickeln, produzieren und vertreiben Cheat-Software, insbesondere auch Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin.
Gemäß dem Playstation-Hersteller funktioniere eine solche Software nur durch eine Manipulation der eigentlichen Spielesoftware. Quasi würde hiermit die Cheat-Software das ursprüngliche Spiel umarbeiten. Damit sei sie illegal und verletze das Urheberrecht, denn eine Zustimmung ihrerseits als Rechtsinhaber lag hier nicht vor. Der Konzern verlangt infolge zum einen eine Unterlassung und zum anderen einen angemessenen Schadensersatz. Der BGB fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen:
„Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel die zeitliche Beschränkung der Verwendung eines „Turbos“ oder die Freischaltung von weiteren Fahrern in einem Rennspiel. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.“
Gretchenfrage hierbei: Beeinflusst Cheat-Software Quellcode und innere Struktur des Spiels oder nur den Ablauf – Gerichte urteilten konträr
Das Hamburger Landgericht hatte der Klage von Sony im Jahr 2012 bezüglich Cheat-Software überwiegend stattgegeben. Im Urteil legten die zuständigen Richter den Begriff der Umarbeitung hier weit aus. Sie argumentierten entsprechend:
„Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde. Die Umarbeitung sei nicht durch die Ausnahmevorschriften in §§ 69d, 69e UrhG gerechtfertigt.“
Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg, schloss sich diesem Urteil nicht an. Es hob das landgerichtliche Urteil auf und wies damit zugleich die Klage ab. Das OLG gelangte zu der Auffassung, die Cheat-Software sei zulässig. Sie greife lediglich in den Ablauf des Spiels ein. Hingegen bliebe der Quellcode des Programms unangetastet. Entsprechend folgerte das OLG:
„Es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG.“
Gemäß Beck aktuell argumentierte der Anwalt von Sony, Christian Rohnke, in der Verhandlung vor dem BGH, „das OLG habe den Sachverhalt nicht richtig verstanden. Im Spiel sei beispielsweise vorgesehen, dass der Turbo-Booster nur zehn Mal verwendet werden darf, sonst explodiere das Auto wegen Überhitzung. Der Spieleentwickler habe gewollt, dass die Funktion strategisch eingesetzt werde. Aber die Software deaktiviere im Arbeitsspeicher das Weiterzählen. Es wird ein anderes Spiel daraus.“
Der Anwalt der Beklagten, Thomas von Plehwe, hielt entgegen, „nur die Spielregeln würden nicht beachtet. Damit hadere die Klägerseite.“ Spielregeln seien demgemäß nicht urheberrechtlich geschützt.
Ein Urteil sei am 23. Februar zu erwarten. Die Verhandlung werde vorerst fortgesetzt. Da EU-Recht berührt ist, müsse man möglicherweise die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, so der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Er deutete dabei an, dass sein Senat in der Cheat-Software tendenziell keine unzulässige Umarbeitung sieht.