Das Bundesverfassungsgericht schränkt die Datenweitergabe durch den Verfassungsschutz ein. Das BVerfSchG sei teilweise verfassungswidrig.
Aufgrund einer Verfassungsbeschwerde urteilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) (Az. 1 BvR 2354/13), dass der Bundesverfassungsschutz mit der Weitergabe von heimlich gesammelten persönlichen Daten an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, wie der Polizei und der Staatsanwaltschaft, teilweise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, verletzt. Mit der Datenweitergabe verstößt der Bundesverfassungsschutz teilweise gegen das Grundgesetz. Dies entschieden die Karlsruher Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) schon Ende September. Aktuell wurde der Gerichtsbeschluss schriftlich veröffentlicht.
Im Kern setzte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage auseinander, in welchem Umfang der Verfassungsschutz befugt ist, personenbezogene Daten an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Immerhin diene dieser Datenaustausch zwar dem legitimen Zweck, die Sicherheit des Staats und der Bevölkerung zu gewährleisten. Dennoch wären einige Regelungen in ihrer derzeitigen Form noch unklar und zudem nicht verhältnismäßig. Demgemäß kommen die Karlsruher Richter in ihrem schriftlichen Beschluss zu dem Ergebnis, dass durch die Datenweitergabe teilweise „das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ verletzt sei.
Befugnisse der Instanzen unterliegen klarem Trennungsprinzip
Eine wesentliche Rolle spielten dabei die Befugnisse der Instanzen, die an der Datenübermittlung beteiligt sind. Einige Daten bzw. Informationen gewinnen Geheimdienste im Allgemeinen durch Befugnisse, welche die Polizei nicht innehat. Das Trennungsprinzip aufgrund unterschiedlicher Aufgabenbereiche darf demgemäß nicht dahingehend unterlaufen werden, indem die Nachrichtendienste ihre gesammelten Daten einfach an die Polizei für deren Einsätze weiterreichen.
Im Urteil zur Antiterrordatei (ATD) von 2013 kam dabei zum Ausdruck: „Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Der Austausch von Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen.“ Gemäß den Karlsruher Richtern genügen die angegriffenen Vorschriften diesen Anforderungen jedoch nicht. Einerseits seien nicht alle in der Anordnung aufgeführten Straftaten tatsächlich besonders schwere Delikte. Andererseits müsse in den Verordnungen eine konkrete Übermittlungsschwelle definiert werden. Eine Übermittlung von Informationen unabhängig von einer konkreten Gefahrenlage, wie bisher noch gestattet, dürfe es künftig nicht mehr geben.
Bundesverfassungsgericht legt fest: Bundesverfassungsschutzgesetz muss überarbeitet werden
Die Richter erließen die Vorgabe, das Bundesverfassungsschutzgesetz bedarf bis spätestens Ende 2023 einer Überarbeitung. Bis dahin bleiben die Vorschriften trotz der Beanstandungen, allerdings mit Einschränkungen, in Kraft.
Mit seinem Urteil gab das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde statt. Der Kläger Carsten S. berief sich in seiner im August 2013 erhobenen Beschwerde darauf, dass die Weitergabe von personenbezogenen Daten durch den Inlandsgeheimdienst an die Polizei und Staatsanwaltschaft einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle. Dieser Umstand sei daher auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Konkret bezog sich S. Klage auf das Rechtsextremismus-Datei-Gesetz. Dies sieht zur Bekämpfung von Rechtsextremismus die Speicherung gewisser Daten vor und nimmt auf das Bundesverfassungsschutzgesetz Bezug. In dieser „Verbunddatei“ von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes hat man demnach „spezifische personenbezogene Daten gespeichert, wenn ihre Kenntnis für die Aufklärung oder Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus erforderlich ist“. Genau gegen diesen Datenaustausch ging S. in seiner Klage vor.
Fünf Jahre nach Klageeinreichung verurteilte ein Gericht S. als Helfer der rechtsextremistischen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zu einer Jugendstrafe. Openjur führte weitergehend aus:
„Der Beschwerdeführer wurde im Prozess um den sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ „NSU“ im Jahr 2018 wegen Beihilfe zu neun Fällen des Mordes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Bereits im Jahre 2012 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem zur Überzeugung der Behörden feststand, dass er sich glaubhaft von der rechtsextremistischen Szene distanziert habe. Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit im Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts.“