Für Online-Marktplätze gelten gemäß einem aktuellen BGH-Urteil gleiche Grundsätze wie für Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen.
Mit seinem Urteil vom 23.10.2024 (Az. I ZR 112/23) stellt der BGH strenge Anforderungen auch für Online-Marktplätze. Er stellt fest, dass die unionsrechtlichen Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke auch für Online-Marktplätze gelten. Demgemäß haften diese wie Ebay oder Amazon nach Kenntnisnahme von Urheberrechtsverstößen auf ihrer Plattform ähnlich wie Video- und Sharehosting-Plattformen.
In einer Grundlagenentscheidung urteilte der BGH zur Haftung von Online-Marktplätzen für fremde Urheberrechtsverletzungen. Die Entscheidung gilt als richtungsweisend. Sie dehnt die unionsrechtlichen Grundsätze zur Haftung für Plattformbetreiber aus und fordert klare Prüfpflichten für die Betreiber von Verkaufsplattformen. Das Urteil folgt insofern der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieses hat bereits im Jahr 2021 zu Plattformen wie YouTube oder Uploaded gleiche Maßstäbe aufgestellt.
Unerlaubte Foto-Nutzung auf Online-Verkaufsplattform beschäftigte BGH
Im Rechtsfall trat als Kläger ein Fotograf aus Großbritannien auf. Gegenstand der Klage war sein in mehreren Angeboten eines Drittanbieters präsentiertes urheberrechtlich geschütztes Lichtbildwerk „Manhattan Bridge“. Er stellte fest, dass die Fotografie ohne seine Zustimmung auf Produktbildern zum Verkauf eines Fernsehers auf einer deutschen Online-Handelsplattform diente. Es erfolgte keine Benennung des Klägers als Urheber des Fotos.
Die Plattform gestattete es Verkäufern, ihre Produkte eigenständig anzubieten und auch Produktbilder hochzuladen. Infolge ließ der Fotograf den Betreiber der Online-Verkaufsplattform abmahnen. Allerdings war nach Erhalt der Abmahnung eines der Fotos dort nicht mehr auffindbar. Somit ging der Betreiber einfach davon aus, das Problem wäre damit aus der Welt geschafft. Dies teilte er den Anwälten des Fotografen mit. Dennoch folgte eine Klage, wenngleich auch drei Jahre später.
Hier forderte der Fotograf vom Betreiber der Online-Verkaufsplattform sowohl Schadensersatz als auch die Löschung der rechtsverletzenden Inhalte und zudem die Sperrung weiterer gleichartiger Angebote, die seine Fotografie verwendeten. Der Fall ging über mehrere Instanzen bis zum BGH.
Rechtsprechung für Sharehoster gilt auch für Online-Marktplätze
Der BGH stellte fest, der Betreiber des Online-Marktplatzes hätte auf die Abmahnung nicht ausreichend reagiert. Entsprechend hätte er versäumt, präventive Maßnahmen zur Sperrung ähnlicher Inhalte zu treffen. Da er dazu aber verpflichtet gewesen sei, bejahte der BGH die Haftung für die weiteren Verletzungen. Im Fazit ist der Betreiber einer Plattform nach Kenntnis einer Rechtsverletzung dazu verpflichtet, alle gleichartigen Verstöße technisch und wirtschaftlich vertretbar zu verhindern.
BGH urteilt: Online-Marktplätze haften nach Kenntnis für fremde Urheberrechtsverletzungen
“ 1. Die unionsrechtlichen Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 – C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 = WRP 2021, 1019 – YouTube und Cyando; BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 53/17, BGHZ 233, 373 [juris Rn. 17 f.] – uploaded II und BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 140/15, BGHZ 234, 56 [juris Rn. 70 f.] – Youtube II) sind auf die Haftung von Online-Marktplätzen übertragbar.
2. Der Betreiber eines Online-Marktplatzes ist – wie der einer Video-Sharing- und Sharehosting-Plattform – grundsätzlich verpflichtet, nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung die dort eingestellten Angebote im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren auf gleichartige Verletzungen zu überprüfen und rechtsverletzende Inhalte zu sperren oder zu löschen. Bei Übertragung der für Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen geltenden Rechtsprechung muss den Besonderheiten von Online-Marktplätzen jedoch Rechnung getragen werden. Soweit nicht der angebotene Gegenstand selbst urheberrechtsverletzend ist, sondern das Angebot lediglich in einer urheberrechtsverletzenden Weise präsentiert wird, erstreckt sich die Prüfungspflicht des Plattformbetreibers im Regelfall allein auf gleichartig präsentierte Angebote, nicht aber auf jegliche Darstellungen des urheberrechtlich geschützten Werks.
3. Die Grundsätze der Haftung von Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke sind nicht auf eine Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf den Servern einer solchen Plattform übertragbar. Es verbleibt insoweit bei einer Haftung nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme.“