Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová, sagte gegenüber Bloomberg, dass sie Telegram effektiver kontrollieren will.
Věra Jourová, sagte bei einem Bloomberg-Interview, dass sie und ihre Kollegen den Cloud-Messenger Telegram als zunehmend problematisch ansehen. Jourova warnte eindringlich davor, dass die Mitarbeiter Wladimir Putins Telegram missbrauchen würden, um darüber Falschinformationen zu verbreiten.
Diese sollen das Meinungsbild in Osteuropa zu seinen Gunsten beeinflussen, um Russland in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Es sei zu befürchten, dass jetzt kurz vor den EU-Wahlen die Aktivitäten Russlands verstärkt würden.
Europäische Kommission befürchtet die Beeinflussung Russlands der anstehenden Wahlen
Jourová sagte im Interview, ihr würde es nicht nur um eine mögliche Beeinflussung der EU-Wahlen durch Putin & Co. gehen. Neben Fake News und Hassreden müssten die Plattformbetreiber der Social Media-Kanäle dafür sorgen, dass darüber keine kriminellen Aktivitäten mehr abgewickelt werden. Die Vizepräsidentin ließ sich bei einem Treffen mit ranghohen Vertretern diverser Plattformen erklären, was sie zur Faktenprüfung, Beseitigung von unerwünschten Inhalten wie Terrorismus, Kinderpornos, Fake News etc. beitragen.
Věra Jourová hält im Interview insbesondere die Erstellung von falschen Videos mithilfe der Künstlichen Intelligenz für sehr gefährlich für unsere Demokratie. Alle müssten jetzt deutlich mehr tun, um jegliche Wahlbeeinflussung von außen zu unterbinden.
Kontrolle von Telegram soll ausgeweitet werden
Auf Telegram angesprochen, sagte Jourová, dieser Dienst sei „ein Problem„. Da der Dienst Telegram angegeben hätte, man verfüge innerhalb der EU nur über 42 Millionen aktiver Nutzer, habe die Europäische Kommission wenig Kontrolle über den Dienst. Die Europäische Kommission sei aber davon überzeugt, dass Telegram die Mindestanzahl von 45 Millionen Nutzer innerhalb der EU erreicht habe. Auch kleinere Anbieter könnten sich sehr schädlich auf die Demokratie auswirken, so Jourová. Telegram werde insbesondere dort innerhalb der EU viel genutzt, wo viele Menschen leben, die die russische Sprache beherrschen.
Zuvor hatte es Jourová auf X abgesehen
Noch im September des Vorjahres hatte sich Jourová auf X eingeschossen. Dies war zu diesem Zeitpunkt angeblich die Plattform mit den meisten Falschinformationen. Google, Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), Microsoft und Tiktok & Co. hätten sich bereit erklärt, die Verhaltensregeln der EU zu übernehmen und aktiv gegen Propaganda, Falschinformationen und Hassrede vorzugehen.
X (ehemals Twitter) hatte den Verhaltenskodex im Mai 2023, also nach der Übernahme durch Elon Musk, aufgekündigt. Die Teilnahme ist freiwillig und somit frei von juristischen Konsequenzen. Jourová wies darauf hin, dass X aber sehr wohl dem Digital Services Act unterliege. Von daher müsse die Betreibergesellschaft illegale Inhalte bei Strafandrohung löschen.
Update
In einer Nachricht von heute teilte uns der Telegram-Sprecher Remi Vaughn mit, das Unternehmen halte sich an die EU-Sanktionen und blockiere den Zugang zu Sendern wie RT, Sputnik und NewsFront. Telegram verwende außerdem (im Gegensatz zu Facebook, X etc.) keine Algorithmen, um sensationelle Diskussionen oder Nachrichten zu bevorzugen. Die Telegram-Nutzer erhalten nur exakt die Informationen, die sie zuvor ausdrücklich abonniert haben, schrieb uns Vaughn.
Meinung
X steht nicht mehr auf der Agenda ganz oben, sondern Telegram. Wer weiß, welche Sau man in einem halben Jahr durchs Dorf treiben wird. Fakt ist, die Europäische Kommission hätte deutlich größere Einflussmöglichkeiten auf den Cloud-Messenger, wenn diesen nachweislich mehr als 45 Millionen EU-Bürger nutzen.
Doch schon aufgrund der negativen Berichterstattung, die in den Mainstream-Medien vorherrscht, ist die Nutzung von Telegram seit Monaten rückläufig. Das ist einer der Gründe, warum wir unsere Chat-Gruppe seit ein paar Monaten auch über das Matrix-Netzwerk anbieten. Ob Durovs Dienst trotz weltweit wachsender Beliebtheit die Mindestmenge innerhalb der EU überschritten hat, bleibt unklar. Das weiß letztlich nur Durov selbst.
Der EU geht es ohne Zweifel um den Wunsch nach mehr Einflussnahme und Kontrolle. Und natürlich um die Forderung vieler Behörden, dass Pawel Durovs Firma endlich umfangreicher mit ihnen zur Verfolgung von Tatverdächtigen kooperieren würde. Doch bisher hält sich Telegram diesbezüglich sehr zurück.
Meinungsfreiheit?
Stellt sich die Frage, ob die EU den Zugriff auf diese Messaging-App mittelfristig sogar einschränken will, wenn sie nicht mehr Einfluss erhält. Mit Meinungs- oder Informationsfreiheit hätte das freilich nichts mehr zu tun. Außerdem könnte man der EU dann vorwerfen, dass sie die Mainstream-Medien durch ein Verbot begünstigen, weil sie diese vollumfänglich kontrollieren können.
Telegram als Ziel von Putins Schergen
Ohne Zweifel, natürlich hat Russlands Präsident seine Leute losgeschickt, um bei Telegram Stimmung gegen westliche Regierungen zu machen. Dort verstehen die Leute Russisch. Und genau dort leben die Menschen, die er beeinflussen will.
Mittelfristig geht es Putin offenkundig darum, diverse Staaten irgendwann zurück in einen mit der UDSSR vergleichbaren Staatenbund zurück zu holen.