Toilettenpapier gegen Werbung
Ist es jetzt genug Toilettenpapier - auch ohne Werbung? ;-)
Bildquelle: Sora.ChatGPT1

Toilettenpapier gegen Werbung – Chinas absurde QR-Code-Klos

Auf manchen WCs gibt es nur Toilettenpapier gegen Werbung oder Bezahlung. Nach Behördenangaben reduziert das neue System die Verschwendung.

Wer in China den Gang zur Toilette antritt, erlebt derzeit ein kurioses Experiment: „Toilettenpapier gegen Werbung“ heißt das Prinzip hinter Chinas absurden QR-Code-Klos. Neue Toilettenpapier-Spender geben das Papier erst dann frei, wenn man eine Werbung anschaut oder alternativ einen kleinen Betrag bezahlt. Laut Angaben der Behörden dient das System der „Reduzierung von Verschwendung“. Ist es hingegen ein weiterer Schritt in Richtung vollvernetzter Alltag oder schlicht der absurdeste Fall von „Ad-Watching“ seit es Smartphones gibt?

Toilettenpapier gegen Werbung: Gang zur Toilette wird zum Werbe-Bildschirm

In mehreren chinesischen Städten testen kommunale Behörden derzeit Hightech-Toiletten, die Toilettenpapier nur nach dem Ansehen eines Werbespots ausgeben. Die neuen Spender sind mit einem optischen Scanner, einem drahtlosen Kommunikationsmodul und einer Verbindung zu einer zentralen Werbeplattform ausgestattet. Das Gerät erkennt, wenn jemand den QR-Code scannt und spielt anschließend auf dem Smartphone einen kurzen Werbeclip als „sauberes“ Datenerlebnis, wie es in den offiziellen Statements heißt, ab. Meist handelt es sich um Werbung für lokale Produkte oder Online-Dienste. Wie TechSpot berichtet, gibt der Automat erst dann, wenn der Spot vorbei ist, eine begrenzte Menge Papier, ca. sechs kleine Blätter, frei. Alternativ kann man den Prozess gegen eine Gebühr von 0,5 Renminbi (etwa 0,06 Euro) umgehen.

Die Behörden bezeichnen das Konzept als Pilotprojekt zur „Abfallvermeidung“ in stark frequentierten öffentlichen Einrichtungen. Nach deren Angaben wurde in stark frequentierten öffentlichen Toiletten immer wieder ungewöhnlich viel kostenloses Toilettenpapier entnommen. In manchen Anlagen sollen Besucher ganze Rollen mitgenommen haben, was die Betriebskosten in die Höhe trieb und zu häufigen Nachfüll- und Wartungsarbeiten führte.

Um diese Verschwendung einzudämmen, will man mit dem neuen System die Ausgabe kontrollieren und gleichzeitig das Nutzerverhalten beeinflussen. Auf diese Weise ließe sich der Verbrauch regulieren und nebenbei generieren die eingeblendeten Anzeigen zusätzliche Einnahmen.

Toilettenpapier gegen Werbung

Allerdings sind bisher weder Angaben darüber bekannt, wie viele Geräte installiert sind, noch in welchen Städten sie exakt stehen. Offen bleibt auch, wie mit den damit verbundenen Daten umgegangen wird. Offizielle Stellen betonen zwar, dass keine persönlichen Daten gespeichert werden, konkrete Nachweise dazu gibt es bislang aber nicht.

Toilettenpapier gegen Werbung: Big Brother trifft Werbespot

Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits 2017 ließ der Temple of Heaven Park in Peking Toiletten installieren, die über Gesichtserkennung pro Person nur alle neun Minuten einen schmalen Streifen Toilettenpapier ausgaben. Schon damals sorgte das Projekt, eine bizarre Mischung aus digitalem Überwachungsdrang und Hygiene-Rationierung, für internationalen Spott.

Acht Jahre später folgt die Fortsetzung, diesmal mit einem neuen Geschäftsmodell. Statt Gesichter zu scannen, lassen Chinas Städte nun Werbung auf Smartphones abspielen, bevor die Rolle ein paar Blätter freigibt. Die Maßnahme damals galt als staatliche Kontrolle. Der aktuelle Feldversuch ist hingegen auf Kommerzialisierung ausgerichtet. Der Weg führt eindeutig vom Big Brother zum Big Business. Doch hinter der Fassade der digitalen Effizienz steckt derselbe Mechanismus wie 2017, nämlich eine Maschine, die erst prüft, bevor sie gibt.

Empörung, Ethik und Überwachung – Kritik am Werbe-Klo

Die öffentliche Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem in den sozialen Medien wurde das neue Toilettenpapier-System mit Spott und scharfer Kritik bedacht.

Gemäß Hindustan Times wiesen Social-Media-User darauf hin, dass Menschen ohne Smartphone, mit leerem Akku oder ohne genügend Kleingeld klar benachteiligt sind. Wer nicht über die nötige Technik verfügt, bleibt buchstäblich auf dem Trockenen sitzen.

Auch die Frage nach der Würde beschäftigt die Öffentlichkeit. Wenn selbst Toilettenpapier an das Anschauen einer Werbung gekoppelt wird, ist das dann noch öffentlicher Service oder schon ein Konsumerlebnis? Auf der Plattform X kommentierte ein Nutzer gemäß Techspot sarkastisch:

„Toilettenpapier in China erfordert nun das Anschauen von Werbung. Würde ist nicht mehr kostenlos, sondern wird gesponsert.“

Darüber hinaus gibt es praktische Bedenken. Was passiert, wenn das Smartphone versagt, die Internetverbindung abbricht oder der Akku leer ist? In einer solchen Situation steht man ohne Alternative da. Eine groteske Vorstellung in einem so grundlegenden Moment.

Auch Datenschutz– und Überwachungsfragen spielen eine zentrale Rolle in der Kritik. Zwar kommt bei den neuen Geräten keine Gesichtserkennung mehr zum Einsatz, doch durch die App-Verbindung, mögliche Nutzerregistrierung und Datenübertragung entsteht ein neues Risiko. Kritiker fragen, wie „öffentlich“ eine öffentliche Toilette noch sein kann, wenn sie zur Schnittstelle zwischen Nutzerverhalten und Werbeplattform wird.

Nicht zuletzt sehen viele Beobachter darin ein beunruhigendes Symbol für die Monetarisierung öffentlicher Infrastruktur. Selbst die banalsten Formen der Grundversorgung, wie Toilettenpapier, werden in ein Modell gepresst, das Aufmerksamkeit, Daten oder Geld als Gegenleistung verlangt. Das stille Örtchen wird so zur Bühne der digitalen Verwertungsgesellschaft.

Sozialkredit-System

Was heißt das für uns und wohin geht der Trend?

Wenn ein eigentlich banaler Vorgang wie der Gang zur Toilette durch Werbung und Gebühren flankiert wird, ist das nicht nur eine Kuriosität, es ist ein Stimmungsbild. Es zeigt, wie weit Technologie, Konsum und Alltag bereits verschmolzen sind. Wenn solche Modelle Schule machen, könnten auch hierzulande grundlegende Services verstärkt mit Werbung verknüpft werden, sei es im Verkehrsnetz, im städtischen Raum oder eben im Badezimmer. Vielleicht sollte man in Zukunft bei Reisen besser eine Rolle Toilettenpapier und einen externen Akku im Handgepäck haben ;-).

Sponsored by the State oder: Das Ende der stillen Orte

Chinas Maßnahme zur Reduktion von Abfall erweist sich als vielschichtiges Experiment. Werbe-Spender in Toiletten zeigen eindrücklich, wie digitale Kontrolle und Monetarisierung in bisher unbeachteten Bereichen unseres Alltags Fuß fassen. Ein kleines Stück Toilettenpapier wird zur Eintrittskarte in eine Werbe-Abfolge und wirft Fragen über Barrierefreiheit, Würde und das Verhältnis von Mensch und Infrastruktur auf. In einer Zeit, in der sogar der stille Gang zur Toilette nicht mehr frei von Werbung ist, sollten wir uns fragen: Wollen wir das wirklich?

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.