Die Branche ist im Krisenmodus. Eine Krypto-Firma hat alle Abhebungen eingefroren, andere haben Kündigungen von Mitarbeitern angekündigt.
Viele sind in den vergangenen Jahren auf der Krypto-Welle mitgeschwommen. Während seit 2020 die Preise für den Bitcoin und andere virtuelle Währungen in die Höhe schnellten, wucherten die Krypto-Start-ups. Unternehmen, die Digitalwährungen an Investoren vermarkten, strahlten in den USA sogar ihre TV-Werbung aus.
Neumodische Kreditgeschäfte boten himmelhohe Zinsen für Krypto-Einlagen an. Handelsplattformen wie Coinbase, die Anlegern den Handel mit digitalen Vermögenswerten ermöglichen, stellten massenhaft Leute ein. Doch die Zeiten haben sich gewandelt.
Krypto im Krisenmodus: „The music has stopped.„.
Praktisch über Nacht entstand eine globale Industrie im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar. Momentan kollabiert sie. Nach wochenlangem Einbruch der Kurse zahlreicher Kryptowährungen erklärte Coinbase am Dienstag, dass sie 18 Prozent ihrer Mitarbeiter entlassen. Ihnen voran gingen andere Unternehmen, wie Gemini, BlockFi und Crypto.com. Die Coins von hochkarätigen Start-ups wie Terraform Labs (Betreiber vom Terra LUNA) sind geradezu implodiert und haben jahrelange Investitionen vernichtet.
Krypto-Verleiher Celsius hält Vermögen zurück
Letzten Sonntag stoppte die experimentelle Kryptobank Celsius Network von jetzt auf gleich ohne jede Ankündigung ihre Abhebungen. Offenbar war ihnen das Geld ausgegangen.
Manche Analysten glauben, der Rückschlag im Krypto-Ökosystem verdeutlicht die Unsicherheit von dessen Struktur. Der Gesamtwert des Kryptowährungsmarktes ist seit Herbst letzten Jahres um etwa 65 Prozent gesunken.
Einige Analysten sind davon überzeugt, dass der Ausverkauf anhalten wird. Die Aktienkurse von Krypto-Firmen sind eingebrochen, Einleger haben ihr Investment aufgelöst und manche Führungskräfte der Branche sagen einen anhaltenden Einbruch voraus, der weitere Unternehmen in Gefahr bringen könnte.
„Wir sehen, dass viele dieser Unternehmen und Plattformen auf einem wackeligen und unhaltbaren Fundament standen„, sagte Lee Reiners der New York Times, ein ehemaliger Beamter der Federal Reserve, der an der Duke University Law School lehrt. Reiners im O.-Ton: „The music has stopped.„
Inflation und steigende Zinsen haben Einfluss auf die Branche
Analysten glauben an einen Zusammenhang mit herkömmlichen Aktien. Denn jetzt, wo die Aktienkurse sinken, die Zinsen für Geld in die Höhe schnellen und die Inflation hoch ist, brechen auch die Preise für Kryptowährungen ein. Dies soll beweisen, dass sie an den Gesamtmarkt gebunden sind. Und da sich die Menschen zunehmend von Krypto-Investitionen zurückziehen, legt der Abfluss des Vermögens die instabilen Grundlagen vieler beliebter Unternehmen der Branche offen.
Mehr als 62 Krypto-Start-ups sind nach Angaben von CB Insights, einem Unternehmen, das private Finanzierungen verfolgt, inzwischen eine Milliarde Dollar oder mehr wert. Im vergangenen Jahr erhielt die Branche mehr als 25 Mrd. USD an Risikofinanzierung für rund 1.700 Transaktionen, so die Studie von The Block. OpenSea, der größte Marktplatz für NFTs, erreichte die erstaunliche Bewertung von 13 Milliarden Dollar. Und Wall-Street-Banken wie JPMorgan Chase, die zuvor Krypto-Assets gemieden haben, und Zahlungsdienstleister wie PayPal haben Krypto-Angebote für ihre Kunden eingeführt. In Deutschland plant der Verband der Sparkassen den Handel mit Bitcoin & Co.
Zu den am stärksten gefährdeten Unternehmen sollen solche Start-ups gehören, die ihre eigenen Kryptowährungen auf den Markt gebracht haben, da die Preise derzeit auf breiter Front einbrechen. Der Bitcoin fungiert für den Kurs vieler Digitalwährungen als Orientierung. Sinkt der Wert des Bitcoin, sinken zahlreiche andere Coins mit. Manche Beobachter vergleichen die Vorgänge mit dem Platzen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende. Seinerzeit gingen viele der Dotcom-Firmen pleite. Nur die größten wie eBay, Amazon und Yahoo blieben am Ende übrig. Es ist gut möglich, dass manche Krypto-Firmen sogar unter Wert bewertet wurden, doch die meisten wurden viel zu positiv beurteilt.
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Crash von TerraUSD & Terra Luna ursächlich für Krise
Die aktuelle Krypto-Krise geht von Terraform Labs aus, die TerraUSD angeboten hat. Ein sogenannter Stablecoin mit einem festen Wert, der an den US-Dollar gekoppelt ist. Die Kryptowährung wurde von großen Investmentfirmen wie Lightspeed Venture Partners und Galaxy Digital finanziert, obwohl Kritiker vor der Instabilität des Projekts warnten. Der Preis der Münze war algorithmisch an die Schwester-Kryptowährung, Luna, gekoppelt. Als der Preis von Luna im Mai einbrach, fiel auch TerraUSD – eine „Todesspirale“, die den gesamten Markt destabilisierte und einige Investoren in den finanziellen Ruin stürzte. Ihre Einlagen in die beiden Kryptowährungen waren plötzlich nahezu wertlos.
Celsius Network hat 20 Milliarden USD eingefroren
Diese Woche kamen neue Schreckensmeldungen vom Celsius Network dazu. Das Unternehmen verwaltet für seine Kunden Vermögenswerte im Gesamtwert von mehr als 20 Milliarden US-Dollar. Den Krypto-Anlegern hat man hohe Renditen von bis zu 18 Prozent versprochen. Im Zuge der Talfahrt diverser Coins stellte man jetzt die Auszahlung der Einlagen ein.
Niemand weiß, ob sie oder er je wieder an das eigene Geld kommen wird. Als Begründung gab Celsius Network „extreme Marktbedingungen“ an.
Coinbase wird 1.100 Mitarbeiter entlassen
Toxisch wirkte sich auch die Ankündigung von Coinbase, einem der ganz großen Online-Kryptohandelsplattformen, aus. Kürzlich gab man bekannt, dass man Stellenangebote zurückziehen und einen Einstellungsstopp verhängen werde, um den wirtschaftlichen Abschwung zu bekämpfen. Letzten Dienstag teilte man mit, dass man etwa 1.100 Mitarbeiter entlassen werde. Das Unternehmen sei schlichtweg „zu schnell gewachsen„, hieß es als Begründung.
An den vielen Mitarbeitern besteht jetzt in Krisenzeiten wohl kein Bedarf mehr. Hintergrund. Zwischen Ende 2021 und Ende März 2022 verlor Coinbase 2,2 Millionen aktive Kunden, das sind immerhin 19 Prozent. Der Nettoumsatz des Unternehmens schrumpfte in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent auf 1,2 Milliarden US-Dollar. Der Aktienkurs des Unternehmens ist seit dem Börsengang im vergangenen Jahr um 84 Prozent gesunken. Die Zahlen sprechen für sich.
Der „Krypto-Winter“ ist angebrochen
Gemini, die Krypto-Börse, die von den Milliardären Tyler und Cameron Winklevoss geführt wird, gab diesen Monat ebenfalls bekannt, dass sie 10 Prozent ihrer Belegschaft entlässt. In einem Memo an ihre Mitarbeiter sprechen die Gründer von einem „Krypto-Winter„. Entlassungen gaben aktuell auch Crypto.com und das Krypto-Kreditunternehmen BlockFi bekannt.
Manche Unternehmen lassen sich nicht unterkriegen. Während der NBA-Endspiele vergangenen Montagabend strahlte Coinbase einen Werbespot aus, der die Problematik der ganzen Branche gut auf den Punkt bringt: