WeTransfer plante weitreichende Nutzungsrechte an allen hochgeladenen Inhalten. Nach heftigen Protesten musste das Unternehmen zurückrudern.
Gestern erschienen Medienberichte, wonach WeTransfer seine Nutzungsrechte ab dem 8. August dieses Jahres ändern wollte. Demnach hätten ihnen die Bestandskunden alle Rechte an ihrem geistigen Eigentum automatisch übertragen. Außerdem hätten sich der Online-Dienst das Recht eingeräumt, alle hochgeladenen Dateien zusätzlich für ihre eigenen KI-Trainingszwecken zu verwenden. Und dies weltweit, unbefristet und natürlich lizenzfrei. Soll heißen: Die wahren Urheber hätten beim Transfer alle Rechte abgetreten und dafür keinen Cent erhalten. Nach heftigen Protesten konnte man das nicht länger beibehalten.
Nach einem Sturm des Protests musste WeTransfer auf die geplante Erweiterung der Nutzungsrechte verzichten
Später am gestrigen Dienstag betonte man als Reaktion auf eine Welle der Empörung, man habe die Nutzungsbedingungen erneut geändert. Man wolle die Dateien ausschließlich zur Inhaltsmoderation und Systemverbesserung verwenden – nicht aber für KI‑Training und auch nicht zur Nutzung und Verwertung der hochgeladenen Inhalte ohne Bezahlung. Der globale Sturm der Empörung verschärfte sich nach einem Bericht der Tageszeitung El Pais.
Nutzer hätten nahezu alle Rechte an ihren Werken aufgegeben
In den Nutzungsbedingungen stand übersetzt: „Sie gewähren uns hiermit eine unbefristete, weltweite, nicht-exklusive, gebührenfreie, übertragbare und unterlizenzierbare Lizenz zur Nutzung Ihrer Inhalte für den Betrieb, die Entwicklung, die Vermarktung und die Verbesserung des Dienstes oder neuer Technologien oder Dienste, einschließlich der Verbesserung der Leistung von Modellen des maschinellen Lernens, die unseren Prozess der Inhaltsmoderation stärken. […] Diese Lizenz beinhaltet das Recht zur Reproduktion, Verteilung, Modifikation, Erstellung von Weiterentwicklungen, Übertragung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Aufführung. Sie haben keinen Anspruch auf Entschädigung für unsere Nutzung der Inhalte unter diesen Bestimmungen.“ Dafür müsse man „von Ihnen bestimmte Rechte in Bezug auf Inhalte erhalten, die durch geistige Eigentumsrechte geschützt sind“.
WeTransfer wollte sich zudem das Recht einräumen, alle hochgeladenen Inhalte „für den Betrieb, die Entwicklung, die Vermarktung und die Verbesserung des Dienstes oder neuer Technologien oder Dienstleistungen, einschließlich der Verbesserung der Leistung von maschinellen Lernmodellen, die unseren Prozess der Inhaltsmoderation stärken“ zu nutzen. Das hätte auch das Recht an der Vervielfältigung, Verbreitung, Veränderung, Aufführung etc. eingeschlossen. „Sie haben keinen Anspruch auf Entschädigung für die Nutzung des Inhalts durch uns„, was in den Ohren einiger Beobachter überaus frech klang.
Nutzungsrechte: WeTransfer verzichtet auf viele Änderungen
Die Nutzer sozialer Medien wurden auf die ehemals geplante Änderung der Richtlinien der Plattform aufmerksam. Viele regelmäßige Nutzer der Website brachten ihre Enttäuschung über das Unternehmen zum Ausdruck. Sie bekundeten ihre Absicht, den Dienst fortan nicht mehr einsetzen zu wollen. Die Illustratorin Sarah McIntyre schrieb gestern bei X (ehemals Twitter):
„Sie sind kein kostenloser Dienst, ich bezahle euch dafür, dass ihr meine großen Artwork-Dateien verteilt.
Wie soll ich das akzeptieren? Ich bezahle euch NICHT dafür, dass ihr das Recht habt, [meine Werke] zu verwenden, um KIs zu trainieren oder meine Grafiken zu drucken, zu verkaufen und zu verbreiten und euch als kommerzieller Konkurrent zu mir zu aufzustellen, indem ihr meine eigene Arbeit verwendet.😡“
Der Online-Dienst vollzog bezüglich der Nutzungsbedingungen einige Stunden später einen deutlichen Rückzieher. Ein aktueller Blogbeitrag erläutert die Strategieänderung damit, es könnte unklar gewesen sein, ob man als Anwender sein Eigentum und die Kontrolle über die eigenen Inhalte behält. Man habe als Reaktion die Nutzungsbedingungen „weiter aktualisiert, um sie leichter verständlich zu machen.“ Auch die Erwähnung des maschinellen Lernens habe man gestrichen, „da WeTransfer es nicht im Zusammenhang mit Kundeninhalten einsetzt und dies zu Befürchtungen geführt haben könnte.“
Kommentar
Die Entrechtung der teils zahlenden Nutzer könnte zu Befürchtungen geführt haben. Ah, ja! So kann man es natürlich auch ausdrücken. Zumindest beim Thema Marketing müssen die Amsterdamer Mitarbeiter nichts mehr lernen. Möglicherweise irreführendes Neusprech-PR-Geblubber beherrschen sie schon jetzt zur Perfektion. Trotzdem ist es gut, dass sich so viele Leute aufgeregt haben und WeTransfer den Online-Protest nicht länger ignorieren konnte.
Enttäuscht äußerte sich auch die Illustratorin McIntyre (siehe eingebundener Tweet oben). WeTransfer habe zwar die eigene Webseite überarbeitet. Doch was das Vertrauen der Kunden angeht, so sieht sie die neuen AGBs nicht als eine wirkliche Verbesserung an. Man täusche eine Aufklärung vor, statt zuzugeben, dass sie das Vertrauen der Abonnenten missbraucht haben, schrieb sie. Schade, dass man in den sozialen Netzwerken nicht häufiger Tacheles redet, wenn mal wieder ein Konzern die ToS zum Nachteil der User ändern will. Dann würde unser aller Internet vielleicht ganz anders aussehen.
Hintergrund. Das aus den Niederlanden stammende Unternehmen WeTransfer wurde im Jahr 2009 gegründet. Es etablierte sich schnell zu einem der führenden Online-Dienste für den Online-Austausch großer Dateien. Im Winter 2020 kämpfte man mit zahlreichen betrügerischen E-Mails, um die Computer der Empfänger mit Malware zu verseuchen. Ansonsten betreibt man den Online-Dienst mehr oder weniger geräuschlos, zumindest bis gestern.