In Großbritannien droht der Online Safety Bill, wonach IT-Firmen sämtliche Sicherheitsfunktionen ihrer Messenger heimlich abschalten müssen.
In Großbritannien steht das Parlament kurz vor der Verabschiedung des Online Safety Bill. Dies ist ein umfassendes Gesetz zur Regulierung des Internets. Der Gesetzentwurf ist nämlich dazu in der Lage, die Privatsphäre der Menschen auf der ganzen Welt aushöhlen.
Das Gesetz über die Online-Sicherheit, das sich nun in der letzten Phase vor der Verabschiedung im Oberhaus befindet, gibt den Geheimdiensten obligatorische Hintertüren an die Hand, die jegliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung brechen. Somit wäre online keine Wahrung der Privatsphäre mehr möglich.
Online Safety Bill wird in Großbritannien bald umgesetzt
Es wurden am geplanten Online Safety Bill keine Änderungsanträge angenommen, die die gefährlichsten Elemente des Gesetzes abgeschwächt hätten. Die britische Regierung will sich außerdem das Recht einräumen, jede Online-Nachricht nach Inhalten zu durchsuchen, die mit Kindesmissbrauch oder Terrorismus in Verbindung stehen könnte.
„Sollte man den Online Safety Bill (OSB) in der jetzigen Form verabschieden, wäre dies ein großer Rückschritt für die globale Privatsphäre und die Demokratie an sich“, kommentiert die EFF das geplante Gesetz. Die Forderung nach einer staatlich genehmigten Software, die Backdoors in allen genutzten Messaging-Diensten enthält, ist laut der EFF ein „schrecklicher Präzedenzfall“.
Alterskontrollen für sensible Inhalte geplant
Doch das Problem ist nicht auf Großbritannien begrenzt. Wenn das Gesetz zur Online-Sicherheit Realität wird, macht der angerichtete Schaden nicht an den Landesgrenzen Halt. Der Online Safety Bill würde beispielsweise auch die Filterung von Inhalten sowie obligatorische Alterskontrollen für den Zugang zu erotischen Inhalten vorschreiben. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass detaillierte Berichte über Online-Aktivitäten an die Regierung geschickt werden.
Entwickler setzen sich gegen den Online Safety Bill zur Wehr
Unternehmen, die wie WhatsApp, Element (Matrix-Client) oder Signal verschlüsselte Nachrichten anbieten, haben ebenfalls auf die Gefahren des Gesetzes hingewiesen. In einem offenen Brief, der im April veröffentlicht wurde, erklärten sie, dass der OSB „die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung brechen könnte, was einer routinemäßigen, allgemeinen und wahllosen Überwachung der persönlichen Nachrichten von Freunden, Familienmitgliedern, Mitarbeitern, Führungskräften, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und sogar Politikern Tür und Tor öffnen würde“.
Apple schloss sich dieser Gruppe im Juni an und erklärte öffentlich, dass der Gesetzentwurf die Verschlüsselung bedrohe und „britische Bürger einem größeren Risiko aussetzen könnte“.
Tech-Firmen sollen das Unmögliche möglich machen
Die britische Regierung reagierte auf diese Welle des Widerstands mit einer Handbewegung und verweigert gleichzeitig den Blick auf die Realität. In einem Antwortschreiben an das britische Oberhaus, das die EFF zitiert, entwirft die britische Ministerin für Kultur, Medien und Sport eine Fantasiewelt. In dieser kann man alle Nachrichten scannen, während man gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer bewahrt.
Man erwartet wie selbstverständlich von den Tech-Konzernen, dass diese die Quadratur des Kreises technisch umsetzen sollen. Sollte es anfangs nicht möglich sein, Backdoors für die Behörden einzubauen und gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer zu gewährleisten, müsse man sich halt mehr anstrengen. In der Form äußerte sich Ministerin Lucy Frazer über die Einführung vom Online Safety Bill .
Das Oberhaus hat nicht einmal versucht, eine ernsthafte Debatte über den Schutz von Verschlüsselung und Privatsphäre aufzunehmen. Und dies, obwohl man für eine ausführliche Prüfung des Gesetzentwurfs mehr als genügend Zeit hatte.
Weiteres Gesetz plant Vorratsdatenspeicherung für 12 Monate
Doch das ist noch nicht alles. Parallel dazu gibt es Pläne, den Investigatory Powers Act (IPA) aus dem Jahr 2016 abzuändern. Damit will man das Surfverhalten aller Briten für ein Jahr aufzeichnen und ebenfalls ohne Verdacht massenhaft persönliche Daten speichern. Apple hat bereits angekündigt, ihre Messenger FaceTime und iMessage in Großbritannien aus dem App Store zu löschen. Und dies exakt zu dem Zeitpunkt, wenn der IPA in der neuen Form rechtskräftig wird.
Man kann nur hoffen, dass weitere Messenger-Anbieter dies auch tun werden, sobald der Online Safety Bill in Kraft tritt.