Seit dem Jahr 2001 sind im Rathaus von Bergisch Gladbach Kameras installiert, die unbemerkt die Umgebung filmen. Auch Jugendliche sind davon betroffen.
Schon seit dem Jahr 2001 sind im Rathaus von Bergisch Gladbach Kameras installiert, die unbemerkt die Umgebung filmen. Dort ist auch ein Treffpunkt von Jugendlichen, der anlasslos rund um die Uhr aufgenommen wird. Die Jugendlichen wissen nichts davon. Nach Einbruch der Dunkelheit kann man über eine Fensterscheibe zudem den Rathausflur und die Büros mancher Oppositionsparteien beobachten.
Bergisch Gladbach: Kameras vom Rathaus nehmen 24/7 Videos auf
Der Landesdatenschutzbeauftragte wies Bürgermeister Lutz Urbach und Fachbereichsleiter Peter Widdenhöfer (Fachbereich Recht, Sicherheit und Ordnung) schon vor längerer Zeit darauf hin, es müsse für die Installation einen handfesten Grund geben. Außerdem müsste man die Kameras im Inneren des Rathauses von Bergisch Gladbach als solche ausgeschildern. Dies würde die nötige Transparenz der städtischen Überwachungsmaßnahme herstellen. Dies ist nicht der Fall. Eine sachliche Begründung – wie Randale oder andere kriminelle Handlungen außerhalb des Rathauses der Kreisstadt Bergisch Gladbach – sind in den letzten 10 Jahren nicht bekannt.
In einer kürzlich stattgefundenen Ratssitzung haben die CDU-Politiker Bürgermeister Lutz Urbach und Fachbereichsleiter Peter Widdenhöfer behauptet, dass der Einsatz der Kameras erlaubt gewesen sei und auch die Kameras schon seit mehreren Jahren ausgeschaltet seien.
Das stimmt aber nicht, wie mehrere Ortsbegehungen ergeben haben. Im Gegenteil: Die Überwachungsanlage ist letztes Jahr modernisiert worden und verfügt jetzt über IP-Kameras, HD-Recorder, einen Flachbildschirm zur Auswertung des aufgezeichneten Bildmaterials und vieles mehr. Auch gibt es keinen sachlichen Grund für die anlasslose Aufnahme des Umfeldes des Rathauses.
Auf Anfrage teilte die Stadtverwaltung der Bürgerpartei GL mit, dass es tätliche Auseinandersetzungen seit über zehn Jahren nicht gegeben habe. Stellt sich nur die Frage, mit welchem Grund die Investition in das 1 TB DV-Recorder-Set inklusive Kamera von Monacor getätigt wurde.
Grund der Überwachung schleierhaft
Dazu kommt: Die Geräte stehen in der Poststelle des Rathauses und sind während der Öffnungszeiten für jedermann zugänglich. Einen Hausmeister oder einen anderen Mitarbeiter, der eine missbräuchliche Verwendung der Anlage verhindern könnte, gibt es nicht. Niemand beaufsichtigt die Geräte. Die Videos können zudem überall im Netzwerk der Stadtverwaltung abgerufen werden. Das Netzwerk beschränkt sich dabei nicht nur auf das Rathaus von Bergisch Gladbach. Diverse Gebäude und von der Stadtverwaltung genutzte Räumlichkeiten sind über ein Glasfasernetzwerk hochmodern verbunden. Die Bilder können also intern von überall abgerufen werden. Eine effektive Kontrolle der Daten ist so nur schwerlich möglich.
Der Datenschutzbeauftragte des Landes NRW teilte schon im Jahr 2002 auf Anfrage mit, eine Kamera diene der Überwachung eines Parkplatzes der Stadt Bergisch Gladbach. Der Parkplatz sei mit einem Schloss versehen worden, welches damals beschädigt worden sei. Die Kamera sei installiert worden, um die Benutzer des nichtöffentlichen Parkplatzes und die Absperreinrichtung zu überwachen. Auf dem Parkplatz wurde zumindest per Schild darauf hingewiesen, dass dieser videoüberwacht wird.
Kameraüberwachung des Parkplatzes legal?
Während die Überwachung von nichtöffentlichem Grund zumindest teilweise zulässig ist, verstößt eine weitere Kamera laut dem Datenschutzbeauftragten gegen geltendes Recht. Diese überwacht ausschließlich öffentlichen Raum. Man hat sie installiert, um Schäden am Rathausgebäude zu vermeiden. Dies begründete die Stadtverwaltung damals damit, man habe dort Jugendliche und Obdachlose beobachtet. Der Datenschutzbeauftragte bemängelt ebenfalls die unzulässige Aufbewahrung der städtischen Überwachungsvideos. Sobald es draußen dunkel ist, spiegeln sich über ein Fenster mehrere Räumlichkeiten der Oppositionsparteien und der Gang des Rathauses. Die Räumlichkeiten der CDU-Fraktion sind von der Überwachung nicht betroffen.
Der Unternehmer Frank Samirae von der Bürgerpartei GL sieht das Vorgehen von Bürgermeister Lutz Urbach sehr skeptisch. In der letzten Ratssitzung von Bergisch Gladbach wurde der Bürgermeister von Samirae scharf kritisiert, warum nach Einbruch der Dunkelheit auch die Büros und Gänge im Rathaus „nach NSA-Manier“ ausgespäht würden. Die heimliche Bespitzelung der Bürger müsse sofort unterlassen werden. Auch das Überwachen der Mandatsträger müsse sofort unterbunden werden.
Widersprüchliche Aussagen: Geräte ausgeschaltet oder modernisiert?
Jugendliche, die sich täglich in der Nähe des Rathauses träfen, würden außerdem ohne jeden Anlass „bespitzelt“ werden. Sie würden es nicht einmal wissen. Ratsmitglied Samirae ist auch unklar, wieso man einerseits behaupte, die Geräte habe man ausgeschaltet. Andererseits hat man sie modernisiert. Außerdem waren die Kameras bei mehreren Testläufen nachweislich aktiv. Warum also hat man bei der Ratssitzung behauptet, die Kameras habe man außer Betrieb gesetzt? Unklar bleibt auch, wo die aufgezeichneten Daten überall landen können, zumal sie über das hausinterne Netzwerk verfügbar sind. Die Daten der modernen Kameras sind via VPN, Teamviewer oder direkt über den Cisco-Router abrufbar.
IP-Kamera-Hersteller Monacor macht es seinen Nutzern besonders leicht. Er stellt ihnen sogar eine App zur Verfügung, damit diese die Videos in Echtzeit auf ihr eigenes Smartphone übertragen können. Eine derartige Überwachung der politischen Opposition in Bergisch Gladbach ist zwar unwahrscheinlich und mangels Ton weniger effektiv, sie ist aber immerhin möglich.
Leider ist der NRW-Datenschutzbeauftragte wegen dem Rathaus in Bergisch Gladbach bisher nicht weiter tätig geworden. Ob die von ihm vorgeschlagenen Änderungen umgesetzt wurden um die unzulässige Überwachung zu beenden, hat bis dato niemand geprüft.
Tarnkappe.info