Paris, Eiffelturm, digitale Verbindungen im Himmel
Von Paris aus könnte sich bald alles ändern.
Bildquelle: MidJourney

Frankreich: ARCOM fordert trotz rückläufiger Piraterie härtere Maßnahmen

Die ARCOM ist die französische Aufsichtsbehörde für audiovisuelle und digitale Kommunikation. Sie fordert härtere Maßnahmen gegen Piraten.

Vor ein paar Tagen veröffentlichte die französische Kommunikationsaufsichtsbehörde ARCOM einen neuen Bericht. Demnach haben dieses Jahr die Rechteinhaber in Frankreich schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro aufgrund der Piraterie an Einnahmen verloren. Das sind 12 % des legalen audiovisuellen Marktes. Nicht eingerechnet sind die Kosten für technische Maßnahmen, die Rechteinhaber und Internetdienstanbieter zur Bekämpfung der Online-Piraterie eingesetzt haben.

Rechtsdurchsetzung soll vereinfacht werden

Alleine für den Sportsektor schätzt man die Verluste aufgrund der illegalen Konkurrenz auf 290 Millionen Euro, was 15 % dieses Marktsegments entspricht. Die geschätzten Kosten für den Staat, einschließlich entgangener Steuereinnahmen, beliefen sich auf weitere 400 Millionen Euro.

Der Bericht der ARCOM empfiehlt drei Kategorien von Maßnahmen, um Abhilfe zu schaffen. Man fordert eine Vereinfachung der Regulierung und die Einführung einer automatisierten Durchsetzung. Dazu kommt die Entwicklung eines universelleren Regulierungsmodells, das das gesamte digitale Ökosystem einschließlich der Online-Vermarkter und Vertriebsdienste einbezieht, sowie verstärkte Anwendung des Strafrechts und Nutzung der EU-Verordnung über digitale Dienste zur Bekämpfung illegaler Dienste.

Arcom

ARCOM fordert zeitnahe Ermittlungen der Polizei

Seit dem Jahr 2009 hat Frankreich schrittweise ein System aus Gesetzen, Rechtsvorschriften, Verbraucheraufklärung und Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie eingeführt. Der Bericht enthält detaillierte Informationen zu allen regulatorischen und rechtlichen Mitteln, die der Behörde ARCOM und Rechteinhabern zur Verfügung stehen, sowie mehrere Beispiele aus der Praxis. Einige sind wirksam, andere sind verbesserungswürdig.

Die ARCOM kritisiert, dass es nach der Meldung eines Piraten bis zu 12 Monate dauern kann. Erst danach wird die Straftat untersucht, Beweise gesammelt und die Täter auf eine Beobachtungsliste gesetzt. Das geht der Behörde nicht schnell genug. Das bekannteste Verfahren der letzten Jahre dürfte das gegen den Sharehoster Uptobox gewesen sein, bei dem man Server in der Nähe von Paris beschlagnahmt hat. Erwähnenswert ist auch die Einigung vor dem Pariser Berufungsgericht zwischen Canal+ mit dem Betreiber der Streaming-Apps Rokkr und Watched.

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Nein, Sora! P2P kommt nicht aus Russland. ;-)

P2P-Angebot ausgedünnt, 13.000 Domains gesperrt

Zusammen haben diese Maßnahmen zumindest teilweise zu einem Rückgang der Peer-to-Peer-Dateifreigabe um 80 % in den sechzehn Jahren seit ihrer Einführung geführt. Dies entwickelte sich von 8,3 Millionen Nutzern im Jahr 2009 auf 1,3 Millionen im Jahr 2025. Ein dynamischer Unterlassungsmechanismus, der 2021 gegen illegale Sportübertragungen und Mirror-Seiten eingeführt wurde, hat die Zuschauerzahlen für illegale Quellen von 2021 bis 2025 um 35 % reduziert. Darüber hinaus wurden seit 2022 mehr als 13.000 Domains gesperrt.

Praktiken in Europa

Wie in Frankreich haben sich mehrere EU-Mitgliedstaaten für ein gemischtes System zur Bekämpfung der Piraterie von Online-Sportinhalten entschieden. Einige Länder konzentrieren sich auf Verwaltungsverfahren, während andere das Rechtssystem nutzen. Einige nutzen beides. Andere setzen auf freiwillige Maßnahmen. Der Bericht beschreibt Aspekte der Sperrregelungen, die in Belgien, Italien, Großbritannien, Deutschland, Dänemark, Litauen, Spanien, Portugal, Griechenland und anderen Ländern gelten.

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Behörden müssen mit den Piraten Schritt halten

Die Piraterie entwickelt sich weiter. Deswegen müssen nach Angaben des Reports auch die Gegenmaßnahmen Schritt halten. Selbst angesichts der Verfügbarkeit hochwertiger und erschwinglicher legaler Angebote und ungeachtet der in Frankreich verfügbaren gerichtlichen und administrativen Gegenmaßnahmen wie der Sperrung von Websites gemäß Artikel L. 336-2 des französischen Gesetzes über geistiges Eigentum (CPI) sind Streaming und direkte Downloads aus illegalen Quellen nach wie vor weit verbreitet.

Nutzung illegaler IPTV-Dienste gestiegen

Während Peer-to-Peer-Downloads zurückgegangen sind, sind Piraten dazu übergegangen, über Mirror-Seiten zu streamen und Domainnamen zu ändern, um Blockierungen zu umgehen. Die ARCOM gibt an, dass die Nutzung illegaler IPTV-Dienste auf 11 % der französischen Internetnutzer angestiegen ist. Zwei Drittel dieser Nutzer geben an, dass sie vor drei Jahren oder weniger damit begonnen haben.

Die ARCOM berichtet, dass heute mehrere Formen des illegalen Konsums nebeneinander existieren. Es gibt Streaming, direkte Downloads, Peer-to-Peer-Downloads (P2P) und Live-Streaming. Dazu kommt noch die Nutzung illegaler IPTV-Dienste direkt auf Websites als auch in Apps oder über spezielle illegale Streaming-Geräte. Und last, but not least die illegale Verbreitung über soziale Netzwerke und über Cloud-Dienste.

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Das kontinuierliche Aufkommen neuer Anwendungsfälle hat zu neuen und immer ausgefeilteren Methoden zur Umgehung bestehender Sperrsysteme geführt. Der Zugriff auf illegale Quellen über VPNs* und verschlüsselte DNS-Abfragen wird von fast der Hälfte der Verbraucher im Alter von 15 bis 24 Jahren praktiziert. Insgesamt werden VPN- und alternative DNS-Dienste von 35 % der französischen Internetnutzer für persönliche Zwecke genutzt, 14 % nutzen beide.

Internetdienstanbieter und Suchmaschinenbetreiber, die eine Sperrvereinbarung mit ARCOM unterzeichnet haben, setzen die Maßnahmen innerhalb weniger Minuten nach der Benachrichtigung um. In anderen Fällen dauert es durchschnittlich etwa drei Werktage, bis Suchmaschinenbetreiber reagieren.

Schlussfolgerungen der ARCOM

Ohne eine Gesetzesänderung könnte der derzeitige Rechts- und Regulierungsrahmen Frankreichs die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie beeinträchtigen. Insbesondere sei das derzeitige System nicht optimal für die Bekämpfung von Live-Piraterie geeignet. Außerdem könnte eine Automatisierung eines Teils dieses Systems erforderlich werden, um den Erwartungen des Live-Sportsektors hinsichtlich einer schnellen Entfernung von Inhalten gerecht zu werden. Dann aber besteht natürlich auch die Gefahr, dass ohne jede Kontrolle zunehmend falsche Inhalte gesperrt werden.

ARCOM betreibt seit Juni 2024 ein internes Informationssystem, das den Eingang von Beschwerden, einen Teil ihrer Bearbeitung und die Umsetzung von Sperrmaßnahmen automatisiert, insbesondere abends und am Wochenende. Dieses System hat die Bearbeitung von Beschwerden verbessert und damit die Anzahl der gesperrten Domainnamen erhöht. Wenn dies die Grundlage für eine automatisierte Plattform bilden soll, kann Frankreich bei der Ausarbeitung seiner eigenen Umsetzung und Best Practices auf das italienische Piracy Shield-System zurückgreifen.

Wer sich für weitergehende Details interessiert, muss der französischen Sprache mächtig sein. Der Report „Die Herausforderungen und die verschiedenen Instrumente zur Bekämpfung der Piraterie im Kultur- und Sportbereich“ der ARCOM ist hier kostenlos als PDF-Dokument verfügbar.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.