Bonik und Schale zum Thema: Wasserzeichen in deutschsprachigen E-Books - reine Fiktion? Oder wurde das bereits umgesetzt? Ist das sinnvoll???
Die beiden Berliner Piratenjäger Dr. Andreas Schaale und Manuel Bonik (Lisheennageeha Consulting Ltd.) geben in ihrem Gastbeitrag einen Überblick über weiche und harte DRM-Maßnahmen in E-Books. Werden in deutschen E-Books auch Wasserzeichen verwendet, um Schwarzkopierer zu überführen?
Seit Jahren wird in der E-Bookszene eine Diskussion über das Thema DRM (Digital Rights Management) geführt. Das sogenannte harte DRM stellt einen Kopierschutz dar, der es verhindern soll, dass Nutzer gekaufte E-Books kopieren können. In der Praxis ist es so, dass technisch halbwegs Gebildete (darunter natürlich auch Piraten) dieses DRM sehr leicht entfernen können. Ehrliche Kunden (E-Book-Käufer!) empfinden das harte DRM als Plage, da es sehr häufig Probleme gibt, wenn man seine E-Books auf anderen Geräten (vollkommen legal) lesen möchte. Zahlreiche Foren sind voll von Nutzerbeschwerden zu diesem Thema. Mittlerweile haben viele Verlage begriffen, dass sie mit hartem Kopierschutz ehrliche Kunden verprellen und so der Piraterie sogar Vorschub leisten.
Unterscheidung nach Anwendung der Wasserzeichen
Seit etlichen Jahren gibt es auch das sogenannte weiche DRM alias Wasserzeichen. Dabei wird das entsprechende File, sichtbar oder unsichtbar, markiert. Man muss hier zwischen zwei unterschiedlichen Anwendungsbereichen unterscheiden. Im ersten Fall dient das Wasserzeichen dazu ein File zu markieren, um zu beweisen, dass man der Eigentümer bzw. Urheber ist. Diese Form des Wasserzeichens verwendet man bei Bildern. In der Vergangenheit kam es zu zahlreichen Abmahnungen bzw. Prozessen, bei denen man die nichtlizensierte Nutzung von Bildern juristisch verfolgt hat. Der Autor (Fotograf) konnte Schadensersatz für eine nicht lizensierte Nutzung seines Werkes verlangen. Offensichtlich erfüllen Wasserzeichen hier ihren Zweck.
Gänzlich anders funktioniert die zweite Nutzung des Wasserzeichens zur Identifizierung der Person, die z.B. ein E-Book illegal über Foren zum Download angeboten hat. Bei jedem Kauf eines E-Books im Internet (mit Wasserzeichen) wird in einer Datenbank hinterlegt, welche Person das konkrete E-Book erworben hat. Findet ein Verlag dann illegale Kopien seines Buchs im Internet, so kann er mit Hilfe des Wasserzeichens und der Verkaufs-Datenbank (theoretisch) zurückverfolgen, wer dieses E-Book gekauft hat. Im nächsten Schritt kann er die entsprechende Person wegen Copyright-Verletzung juristisch belangen.
Die Verfolgung von illegaler Verbreitung von Content auf Tauschbörsen (P2P) hat hier eine längere Geschichte, und es wurden diesbezüglich sicher schon Millionen Abmahnungen allein in Deutschland durchgeführt. Man spricht direkt von einer Abmahnindustrie. Die Nutzer der Tauschbörsen werden mit technischen Systemen erfasst (ihre IP-Adresse) und über ein Auskunftsverfahren bei den ISPs physisch ermittelt. Danach erhalten sie eine Abmahnung, da beim Download in P2P-Börsen typischerweise auch ein Upload erfolgt, der dann als Begründung für die Illegalität einer Verbreitung des Werks (unter Verletzung des Copyrights) dient.
Hörbücher und E-Books markieren
Bei Wasserzeichen ist es theoretisch auch möglich jene Nutzer zu identifizieren, die ihre Files nicht zum P2P-Tausch anbieten. Betroffen sind auch die, die die Dateien auf sogenannten Filehostern anonym zum Download anbieten. Bisher waren diese Uploader (von sehr wenigen Ausnahmen) nicht identifizierbar, d.h. nicht juristisch verfolgbar. Mit Hilfe von Wasserzeichen sollte es sehr einfach möglich sein, über die nicht sichtbare, aber eindeutige Markierung jene Personen zu ermitteln, die dieses Buch erworben und dann vorsätzlich oder fahrlässig in Umlauf gebracht haben (falls Dritte das Wasserzeichen gefälscht haben).
Soweit zur Theorie des Soft DRM. In der Praxis sieht die Situation aber komplett anders aus: Obwohl (nachweislich) ein signifikanter Teil der Bücher, die als illegale Kopien auf Filehostern lagern (man kann allein in Deutschland von Zehntausenden Kopien ausgehen), wurde in den letzten Jahren kein einziger Fall bekannt, wo man einen (E-Book-)Verbreiter an Hand eines Wasserzeichens identifiziert und zur Verantwortung gezogen hat. Wir haben diesbezüglich bei einer Reihe von spezialisierten Anwälten nachgefragt. Außerdem haben wir auch einschlägige Foren durchsucht. Übrigens: Unwillen über Abmahnungen bei Tauschbörsen gibt es dort en masse. Wir haben keinen einzigen dokumentierten Fall gefunden, wo eine Abmahnung auf Basis einer Identifizierung durch Wasserzeichen in irgendeiner Form dokumentiert oder auch nur erwähnt wurde. Nichts!
Dies bedeutet strenggenommen nicht, dass es keinen einzigen Fall dieser Art gibt, aber anders als bei P2P-Abmahnungen dürfte es eine seltene Ausnahme sein. Wenn es denn einen derartigen Fall überhaupt jemals gegeben haben sollte oder jemals geben wird.
Erfüllen digitale Wasserzeichen überhaupt einen Sinn?!?
Es stellt sich die Frage, welchen Sinn dann der Aufwand (inklusive der damit verbundenen Kosten für das Erstellen der individuellen Wasserzeichen und deren Dokumentation in Datenbanken) macht? Der Vergleich sei erlaubt. Wenn man Schwarzfahren mit Strafgebühren belegt, so schreckt das nur dann ab, wenn man auch gelegentlich die Fahrkarten kontrolliert. Andernfalls ist der „Abschreckungseffekt“ gleich Null. Es fragt sich ernsthaft, ob das seit Jahren existierende Soft DRM überhaupt eine Wirkung hat? Bis jetzt ist keine erkennbar, und es scheint so, als ob nur die Anbieter von Wasserzeichen damit ein Geschäft machen (jedenfalls bei E-Books). Würde es die so geschützten E-Books nicht (zumindest etwas) verbilligen, wenn man diesen Aufwand einfach weglässt?
Bildquellen: Maria Elena – (CC BY 2.0), Cristian Eslava – (CC BY-SA 2.0), Cloned Milkmen (CC BY-SA 2.0).
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