großes Kino
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Bildquelle: Sammy-Sander, Lizenz

Torrent-Downloads halten Einzug in russische Kinos

Um Sanktionen zu umgehen, weichen russische Kinos auf Vorführungen von Hollywood-Filmen aus illegalen Torrent-Quellen aus.

Nach Putins Einmarsch in der Ukraine kündigten viele der führenden Hollywood-Studios die Aussetzung neuer Filmveröffentlichungen in Russland an. Dennoch werden seit Kurzem einige Filme dieser Unternehmen in russischen Kinos gezeigt, allerdings illegal. Die Filme stammen von Downloads auf Torrent-Sites.

Filmstudios, wie Paramount, Disney, Warner Bros und Sony haben Filmveröffentlichungen in Russland auf absehbare Zeit abgesagt. Damit haben sie russische Kinoketten, ohne US-Blockbuster zurückgelassen. Laut dem russischen Verband der Kinobetreiber wären heimische Filmproduktionen nicht verlockend genug, um die Lücke zu schließen.

Für russische Filmemacher kam der plötzliche Wechsel, nachdem die ukrainische Filmakademie Ende Februar auf change.org eine Petition gestartet hatte, in der sie zu einem umfassenden Boykott der russischen Filmindustrie aufrief. „Der Europarat sollte Russland aus dem Eurimages-Förderprogramm ausschließen“, hieß es darin.

Zeigen von Piratenfilmen als illegale Problemlösung

Wie The New York Times berichtet, zeigten einige Kinos in Russland inzwischen offen Raubkopien. Andere wären hingegen vorsichtiger. Diese erlaubten es Privatpersonen, Räume zu mieten, um Filme kostenlos oder gegen eine Gebühr zu zeigen. Demgemäß hätte eine Gruppe mehrere Vorführräume in einem Kino in Jekaterinburg angemietet. Anschließend boten sie über soziale Medien Eintrittskarten für „The Batman“ gegen Entgelt an.

Zudem könne man in Iwanowo, einer Stadt nahe von Moskau, die Torrent-Version von „The Batman“ in mindestens einem Kino sehen. In Machatschkala, der Hauptstadt der Region Dagestan im Kaukasus, wird in einem Kino „Don’t Look Up“ gezeigt, und in Tschita, einer Stadt nahe der Grenze zur Mongolei, können Eltern mit ihren Kindern „Turning Red“, den Animationsfilm von Disney und Pixar, sehen.

Solcher Art Vorführungen sind der jüngste Versuch von Russlands Kinos, zu überleben. Vor dem Ukraine-Krieg machten in den Vereinigten Staaten produzierte Filme nach Angaben der staatlichen Medien etwa 70 Prozent des russischen Filmmarktes aus.

Trotz dieser Bemühungen gingen dennoch gemäß Angaben des russischen Verbandes der Kinobetreiber die Kartenverkäufe im März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa die Hälfte zurück. Die Gruppe vertritt 700 Kinos und 2.600 Leinwände im gesamten Land. Der Verband meint, dass der Zusammenbruch der gesamten Filmindustrie kurz bevorstünde. Mit Prognosen von 80 Prozent Einnahmeverlust reichte der Verband an das Kultusministerium ein Hilfsgesuch ein.

Film-Piraterie hat lange Tratdition

Nach dem Zerfall der Sowjetunion in den 1990er-Jahren war die Piraterie der wichtigste Zugang zu Hollywoodfilmen in Russland, berichtet The New York Times. Die auf VHS-Kassetten aufgezeichneten Filme verkaufte man auf lokalen Märkten. Diese waren oftmals mit einem Hand-Camcorder in einem Kino aufgenommen worden. In Fortführung einer sowjetischen Tradition hat man die Filme von Synchronsprechern mit Zeitverzögerung ins Russische synchronisiert. Oftmals sprach ein Sprecher alle männlichen Charaktere und eine weitere Sprecherin, die der Frauen.

Die illegalen Vertriebswege versiegten erst, als 1996 in Moskau das erste Kino im westlichen Stil eröffnete. Das ermittelte eine Studie des Social Science Research Council. In den frühen 2000er Jahren strömten die Russen in die Kinos, um legal vertriebene Welthits, wie „Avatar“ und „Fluch der Karibik: Am Ende der Welt“, zu sehen. Nach Angaben der Motion Picture Association wurde Russland zum neuntgrößten ausländischen Kinokassenmarkt.

Habbilen Halychev, 25, ein Theaterregisseur und Künstler, der Torrent-Vorführungen organisiert, erklärt gegenüber The New York Times, er habe versucht,

„die Atmosphäre des Untergrunds wieder aufleben zu lassen, indem er einen Projektor in der Mitte des Raums zwischen Reihen von unpassenden Stühlen platzierte. Vor zwei Monaten wäre das noch unmöglich gewesen. Jetzt kann man einen Film per Torrent herunterladen, Tickets verkaufen, und was passiert dann? Es gibt keine Konsequenzen.“

Russischer Verband der Kinobetreiber kritisiert Torrent-Vorführungen

In einer Erklärung des Kinobetreiber-Verbands heißt es gemäß TorrentFreak:

„Die illegale öffentliche Vorführung von Raubkopien oder besser gesagt gestohlenen Filmkopien in Kinos holt das russische Kinogeschäft aus der legalen Arena und führt uns zurück in die dunklen Tage des illegalen Geschäfts der 1990er Jahre.

Wir verstehen, dass solche Fälle in erster Linie durch Panik in der Branche verursacht werden, weil eine wirksame Reaktion der Regierung auf die derzeit kritische Situation der russischen Kinos fehlt und die russische Filmindustrie kurzfristig nicht in der Lage ist, spektakuläre Filme anzubieten, die interessant sind trotz der beeindruckenden Unterstützung der Filmindustrie auf Kosten des Staatshaushalts einem breiten Kinopublikum zugänglich gemacht werden.

Wir verurteilen die Praxis der illegalen Vorführung von Filmen in russischen Kinos und fordern die gesamte professionelle Filmgemeinschaft auf, solche Praktiken zu unterbinden.“

Der Verband sieht die Lösung nicht im Zeigen von Torrent-Filmen. Vielmehr wollen sie klassische russische Filme wieder auf die große Leinwand bringen. Zudem würden sie auch daran arbeiten, indisches, südkoreanisches und anderes ausländisches Kino vorzuführen, um die verlorenen Hollywood-Favoriten zu ersetzen. Die Organisation berichtete jedoch, dass diese Strategien nicht mehr als 10 Prozent der entgangenen Einnahmen decken würden.

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.