Die Abwesenheit schützt nicht vor dem Erhalt einer P2P-Abmahnung oder Klage. Diese Erfahrung machte ein Anschlussinhaber vor dem AG Erfurt.
Das Amtsgericht Erfurt hat am 15.01.2019, Az. 4 C 678/17, festgestellt, dass es beim Erhalt einer Abmahnung nicht ausreicht, pauschal auf Familienmitglieder oder mögliche Sicherheitslücken hinzuweisen. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, ohne die erforderlichen Rechte zu besitzen, einen urheberrechtlich geschützten Film verbreitet zu haben.
Das Amtsgericht Erfurt hat am 15.01.2019 mit dem Aktenzeichen 4 C 678/17 festgehalten, dass die dem Anschlussinhaber obliegende sekundäre Darlegungslast hohen Anforderungen unterliegt. Der Beklagte hatte die Begehung der Rechtsverletzung abgestritten und ausgesagt, zur Tatzeit nicht zu Hause gewesen zu sein. Dies berichtet die Rechtsanwältin Nora Meyer-Stratmann auf dem Blog der Kanzlei Waldorf Frommer.
Angeklagter bietet Richtern mehrere Szenarien als Erklärung an
Er gab vor Gericht gleich mehrere Szenarien an, wie der Film in der P2P-Tauschbörse angeboten wurde bzw. wie die Abmahnung entstanden sein muss. Die beiden minderjährigen Söhne und seine Ehefrau wurden nach eigenen Angaben vollumfänglich belehrt. Trotzdem hätten sie Zugriff zu seinem Internetanschluss gehabt. Die Befragung innerhalb der Familie nebst einer Untersuchung der im Haushalt verwendeten Computer hätten zu keinem Ergebnis geführt. Dennoch sagte der Angeklagte vor Gericht aus, er könne es nicht ausschließen, dass eines der anderen Familienmitglieder für die Tat infrage gekommen ist. Daneben habe sein WLAN-Router zur Tatzeit unter einer „wesentlichen Sicherheitslücke“ gelitten, die wahrscheinlich einen Zugriff ohne Kennworteingabe ermöglicht hat. Es sei daher auch denkbar, dass ein unbefugter Dritter hierüber die Rechtsverletzung begangen habe.
Wer die Schuld Dritter nicht beweisen kann, ist selbst schuld.
Die Aussagen des Anschlussinhabers waren dem AG Erfurt nicht konkret genug. Er habe laut Urteil des Bundesgerichtshofs keine Umstände vorgetragen, die die Verantwortlichkeit eines Familienmitglieds ernsthaft in Betracht kommen ließe. Auch in Bezug auf die behauptete Sicherheitslücke seien keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese in Zusammenhang mit der Rechtsverletzung stehen könnte. Das Vorgetragene war für die Richter nicht ausreichend. Sie gingen somit einfach davon aus, dass er als beklagter Anschlussinhaber ganz automatisch „die streitgegenständliche Verletzungshandlung begangen hat“. Deswegen muss der Familienvater auch in vollem Umfang haften. Im Gegenteil: Seine Abwesenheit sei in diesem Zusammenhang sogar laut Urteil „unerheblich„, weil man die Tauschbörsensoftware auch in Abwesenheit laufen lassen kann. Von daher war die Abmahnung rechtens.
Abmahnung & Klage: Anschlussinhaber leben riskant
Das Amtsgericht Erfurt erachtete letztlich sowohl die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes als auch die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung (Abmahnung) der Medienkanzlei Waldorf Frommer für angemessen. Man verurteilte den Beklagten im vollen Umfang. Er muss zudem die gesamten Kosten des Rechtsstreits inklusive der angefallenen Reisekosten tragen.
Beitragsbild Jp Valery, thx! (unsplash licence)
Tarnkappe.info