Verfassungsschutz
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Bildquelle: ThorstenF

Verfassungsschutz erhält Zugriffsrechte auf verschlüsselte Messenger

Ein Gesetzentwurf bringt für den Verfassungsschutz die Erlaubnis, verschlüsselte Messengerdienste, wie WhatsApp, überwachen zu dürfen.

Ein neuer Gesetzentwurf zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ gestattet künftig dem deutschen Verfassungsschutz neben dem Abhören von Telefongesprächen und dem SMS-Zugriff auch das Mitlesen verschlüsselter Chats. Untersagt bleibt jedoch weiterhin ein verdeckter Computer-Zugriff. Gemäß der Informationen der Deutschen Presse-Agentur gelten für Kritiker einige Befugniserweiterungen als verfassungswidrig.

Verfassungschutz soll Schadsoftware installieren dürfen

Gestern ging ein Entwurf aus dem Bundesinnenministerium für das neue Verfassungsschutzgesetz nach langwierigen Debatten in die Ressortabstimmung. Darin wird eine Neuregelung der Befugnisse angestrebt. Stand der Inlandsnachrichtendienst überwachungstechnisch durch Chatverschlüsselungen bisher noch vor unüberwindbaren Grenzen, so sollen diese Hürden nun bald fallen. Die Bundesregierung will dem Verfassungsschutz in Zukunft erlauben, auch verschlüsselte Kommunikation per Messenger, wie WhatsApp oder Telegram, einsehen zu können, wenn es um das Abhören von Extremisten geht.

Verfassungschutz muss Geräte mit Schadsoftware infizieren

Voraussetzung für die angedachten Maßnahmen wäre, die Geräte der Betroffenen mit Schadsoftware in Form sogenannter Staatstrojaner zu infizieren. Der Trojaner macht es als Mittel der als Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) möglich, laufende Kommunikationen bereits vor der Verschlüsselung, an deren Quelle, abzugreifen. Damit wird jedoch die IT-Sicherheit laut Experten allgemein untergraben. Diese Möglichkeiten nutzen bisher nur der Zoll und die Polizei zur Aufklärung von Straftaten. Beim Verfassungsschutz sollen bereits „Gefahren“ ausreichen. Von einer Online-Geräte-Durchsuchung, die Ermittlungsbehörden erlaubt ist, will man den Verfassungsschutz aber vorerst noch ausschließen.

Das Bundesinnenministerium begründet die Notwendigkeit der Maßnahmen damit, dass die Befugnis-Erweiterung der Sicherheitsbehörde in der virtuellen Welt letztlich nur Dinge erlaubten, die in der realen Welt schon lange rechtlich abgesegnet sind. Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, entgegnet jedoch: „Statt neue Überwachungsbefugnisse einzuführen, sollte die Bundesregierung die personelle Ausstattung und die inhaltlichen Kompetenzen im Bereich Extremismus verstärken“. Zudem sollten zuerst bestehende Überwachungsinstrumente evaluiert werden, bevor neue hinzukämen.

Einerseits befürworten die Grünen, dass die Online-Durchsuchung, der verdeckte Zugriff auf Computer mutmaßlicher Extremisten, vom Tisch ist. Konstantin von Notz, stellvertretende Fraktionsvorsitzender der Grünen, begrüßt: „Diese Entscheidung war überfällig“. Andererseits machen sie auf „strukturelle Probleme“ im Verfassungsschutz aufmerksam. So halte das Bundesinnenministerium statt echter Reformen an zahlreichen, „offensichtlich verfassungswidrigen Befugnis-Erweiterungen“ fest, kritisiert von Notz.

GroKo: Lob aus den eigenen Reihen

Politiker der Großen Koalition hingegen lobten die Anpassungen bereits im Vorfeld. Für Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, war die Anpassung an die „neue digitale Möglichkeiten“ dringend erforderlich. Er meint: „Gut, dass es mit den Sicherheitsgesetzen jetzt vorangeht. […] „Extremistengruppen und Schleusernetzwerke können wir nur überwachen und aushebeln, wenn wir deren Kommunikation überwachen“. Diese Netzwerke bedienten sich vorrangig verschlüsselter Dienste, wie WhatsApp oder Skype. Eine einfache Telefonüberwachung sei deshalb unzureichend.

Verfassungsschutz drängt auf baldige Änderung der juristischen Grundlagen

SPD-Politiker Ralf Stegner gab gegenüber dem Handelsblatt an, „um die Verfassung vor den Feinden unserer demokratischen Grundordnung zu verteidigen“, solle „der Verfassungsschutz selbstverständlich auch Zugriff auf moderne Kommunikationsmöglichkeiten haben“. Darum müsse sich niemand sorgen, schließlich erfolge „die Überwachung [ja] unter parlamentarischer Kontrolle“.

Im Innenministerium wurde verlautbart, man hoffe darauf, dass das neue Gesetz spätestens Anfang 2021 in Kraft treten werde.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.