Anders als ursprünglich geplant will der Bundesinnenminister Horst Seehofer nun Technologien zur digitalen Gesichtserkennung erlauben.
Sollte ein Gesetzesentwurf noch vor kurzem die Befugnisse der Bundespolizei deutlich erweitern, schlossen die neuen Regelungen doch auch die automatischen Gesichtserkennung an 135 Bahnhöfen mit ein, so sind diese Pläne vorerst auf Eis gelegt. Ein entsprechender Entwurf liegt, gemäß heutigem Artikel, dem Spiegel vor.
Geplant war großflächiger Einsatz von Gesichtserkennungs-Technik
Angedacht war es, die digitale Gesichtserkennung, als zukünftiges Mittel der Verbrechensbekämpfung, in das Zentrum der Polizeiarbeit zu rücken. Bereits seit dem 01.08.2017 bis Mitte 2018 liefen am Bahnhof Südkreuz erste Tests. Währenddessen sollten aus Menschenmassen heraus, Personen per Kamera automatisch erkannt werden, deren Gesichter man zuvor gespeichert hatte. Auf diese Weise wollten Ermittler Terroristen, Gefährder und Straftäter aufzuspüren. Ein halbes Jahr erprobte man die Leistungsfähigkeit der Gesichtserkennungssoftware. In anschließenden Versuchen schloss sich noch ein zweiter Test mit einer Mustererkennung an. Dabei wollte man hilflose Personen, herrenlose Koffer und andere Gefahrenszenarien erkennen. Der anschließende Gesetzentwurf sollte das Hauptaugenmerk auf „besonders gefährdete Bahnhöfe und Flughäfen“ legen. Es war ein Einsatz auf 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen geplant. Das Vorhaben stieß auf harsche Kritik. Zum einen befürchteten Datenschützer eine Massenüberwachung, zum anderen stellten sie die Verlässlichkeit der Technik in Frage.
Digitale Gesichtserkennung bleibt vorerst ausgesetzt
Nun schiebt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dem beabsichtigten Vorhaben zunächst einmal einen Riegel vor. Im neuen Bundespolizeigesetz-Entwurf, den man am Donnerstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung weiterreichte, fehlen entsprechende Passagen. In einer älteren Entwurfsausgabe der Bundespolizei war es noch gestattet, Daten aus Bildaufzeichnungsgeräten „automatisch mit biometrischen Daten abzugleichen“, insofern es sich um Daten von gesuchten Menschen handele. Aktuell wolle man, laut Neufassung, nur noch die Bildaufzeichnungsgeräte nutzen.
Offene Fragen und Dringlichkeit der Angelegenheit sorgen für Aufschub
Als Grund für die plötzliche Änderung gab Seehofer vor Beginn des EU-Innenministertreffens in Zagreb an, zum Thema „noch einige Fragen“ zu haben. Gemäß seiner Einschätzung sei die automatische Gesichtserkennung: „keine ganz nebensächliche Angelegenheit, und deshalb habe ich jetzt dieses Gesetzgebungsverfahren ohne diesen Passus auf den Weg gebracht“. Zudem hebt Seehofer die Dringlichkeit der Angelegenheit hervor. Der Entwurf liege schließlich bereits seit Monaten auf dem Tisch: „Ich muss jetzt endlich mal das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eröffnen.“ Im parlamentarischem Raum wird das Thema Gesichtserkennung dann erneut aufgegriffen. Wie Seehofer einräumt handle es sich hierbei um „schwierige juristische und praktische Fragen. Das muss schon alles sehr sorgfältig gemacht werden.“
Pro und Kontra rund um die Neufassung
Mathias Middelberg (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, fordert, den Einsatz von Gesichtserkennungs-Technik weiterhin in Erwägung zu ziehen: „Wir wollen daran festhalten: Die Bundespolizei sollte künftig in klar definierten Grenzen Kameras zur Gesichtserkennung einsetzen dürfen.“ Immerhin stünde keine flächendeckende Bürger-Überwachung zur Debatte, sondern es ginge um „die gezielte Suche nach Schwerstkriminellen und Terroristen an besonders gefährdeten Bahnhöfen oder Flughäfen“. Demgemäß hätte man den islamistischen Terroristen Anis Amri, der im Dezember 2016 auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet hatte, auf seiner Flucht aufspüren können.
Kritik an der Gesichtserkennung
Ulrich Kelber, Bundesbeauftragte für Datenschutz, wies beim Redaktionsnetzwerk Deutschland darauf hin, biometrische Gesichtserkennung stelle „einen potenziell sehr weitgehenden Grundrechtseingriff dar, der auf jeden Fall durch konkrete Vorschriften legitimiert sein müsste“. Da eine solche Legitimation bisher noch ausstehe, sollte „in Europa die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum untersagt“ bleiben.
Steve Alter, Sprecher des Bundesinnenministeriums, verweist noch am Donnerstag bei Twitter auf die Wichtigkeit der Gesichtserkennung. Diese wäre als ein Instrument für mehr Sicherheit von Bedeutung. Demnach sei ein solcher möglicher System-Einsatz ausschließlich für Straftäter und gesuchte Personen vorbehalten, keinesfalls für unbescholtene Bürger.
Grafik geralt, thx!
Tarnkappe.info