Laut neuem Gesetzentwurf, der gerade mit dem Justizministerium abgestimmt wird, sollen die sich Kompetenzen der Polizei deutlich erweitern.
Der aktuelle Spiegel informiert darüber, dass ein neuer Gesetzentwurf bereitsteht. Das Bundesinnenministerium plant damit, die Zuständigkeiten der Bundespolizei gezielt zu erweitern. Die neuen Regelungen schließen auch die automatischen Gesichtserkennung an 135 Bahnhöfen mit ein. Kritiker melden deshalb Bedenken an. Derzeit erfolgt eine Abstimmung der Vorlage mit dem Justizministerium.
Gesetzentwurf als persönlicher Wunschzettel?
Der Gesetzentwurf würde sich so lesen, als hätte: „der Chef der Behörde (Bundespolizei) seinen persönlichen Wunschzettel im Innenministerium eingereicht“. Gemäß Spiegel, könnte die Erweiterung der polizeilichen Aufgaben hinsichtlich einer Kameraüberwachung zur Gesichtserkennung der großen deutschen Bahnhöfe, zu Kompetenzstreitigkeiten führen. Denn nicht nur die Opposition im Bundestag dürfte gegen die geplanten Maßnahmen protestieren. Auch die Bundesländer könnten sich gegen den „Entzug von Zuständigkeiten“ stellen, haben sie doch bisher selbst die Hoheit über polizeiliche Aufgaben.
Gesetzentwurf sorgt für Kompetenzerweiterung der Bundespolizei
Der Kompetenzausbau beinhaltet eine Erweiterung weit über die bisherigen polizeilichen Zuständigkeit hinaus. Demnach sorge die „Bundespolizei nicht nur an der Grenze, auf Flughäfen, in Bahnen und auf Bahnhöfen für Sicherheit, sondern wäre künftig für jedes Verkehrsmittel zuständig, bei dem der Verdacht besteht, dass Ausländer damit geschleust werden. Und wer den Bundespolizisten ohne Aufenthaltserlaubnis ins Netz geht, den müssen sie demnach künftig nicht mehr der Landespolizei übergeben; der Ausländer bliebe bis zur Abschiebung in den Händen und der Verantwortung der Bundespolizei.“
„Zu schwerfällige Arbeit der Länder“ fordert Nachbesserungen
Weil eine im Bundespolizeigesetz festgelegte geografische Bindung an den 30-Kilometer-Grenzraum sich als zu eng erweist und damit „der Schleusungskriminalität mit der Dynamik und Mobilität der Verkehrsströme im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht würde, müsse die Bundespolizei Schleuser bundesweit verfolgen dürfen, wie es in Zügen und auf Bahnhöfen heute schon der Fall ist. Künftig sollen die Bundespolizisten alle Fahrzeuge im ganzen Bundesgebiet kontrollieren dürfen, in denen sie illegal eingereiste Ausländer vermuten – Busse, Kleintransporter, Laster, Pkw.“ Warnhinweise sollen nicht mehr „zwischen Bund und Ländern versickern“. Weil die bisher zuständigen Länder aus Sicht der Bundespolizei zu schwerfällig arbeiten würde, müsse die Polizei auch nach dem Zugriff noch für die Verdächtigen zuständig bleiben. Sie sollen einen illegalen Aufenthalt strafrechtlich verfolgen und beenden.
Digitale Gesichtserkennung rückt in das Zentrum der Polizeiarbeit
Digitale Gesichtserkennung wird das zukünftige Mittel der Verbrechensbekämpfung im Zentrum der Polizeiarbeit. Seit dem 01.08.2017 bis Mitte 2018 liefen am Bahnhof Südkreuz erste Tests. Es sollten dabei aus Menschenmassen heraus Personen per Kamera automatisch erkannt werden, deren Gesichter man zuvor gespeichert hatte. So wolle man Terroristen, Gefährder und Straftäter aufzuspüren. Geplant war, dass man ein halbes Jahr die Leistungsfähigkeit der Gesichtserkennungssoftware erprobt. Später war noch ein zweiter Test mit einer Mustererkennung angedacht. Dabei wollte man hilflose Personen, herrenlose Koffer und andere Gefahrenszenarien erkennen.
„Besonders gefährdete Bahnhöfe und Flughäfen“ unter der Lupe
Der Gesetzentwurf legt das Hauptaugenmerk auf „besonders gefährdete Bahnhöfe und Flughäfen“.
„Die Deutsche Bahn hat ihre Bahnhöfe dazu in drei Klassen eingeteilt. 46 landeten in Kategorie 1 (»Anlage erscheint geeignet, als Anschlagsort in den Fokus potenzieller Täter zu geraten«), 89 in Kategorie 2 (»nachrangig geeignet«), 5528 in Kategorie 3 (unwahrscheinlich«). Eingeführt werden soll die Gesichtserkennung in den 135 Bahnhöfen der ersten beiden Risikoklassen, außerdem auf 14 deutschen Verkehrsflughäfen. Luftfahrtunternehmen sollen zudem verpflichtet werden, Daten von allen Passagieren, die nach Deutschland einreisen, an die Bundespolizei zu übermitteln. Das betrifft den Namen und die Staatsangehörigkeit, die Nummern von Reisedokumenten und die Flugroute. Bislang war das nur auf sogenannten Risikostrecken der Fall.“
Zudem fielen „vorbeugender Gewahrsam, um die Ausreise gewaltbereiter Fußballfans oder Dschihadisten zu verhindern, sowie ein eigenes Zeugenschutzprogramm bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität“ mit in dem künftigen Kompetenzbereich der Polizei.
War Gesetzesänderung notwendig?
Kritiker negieren an der Stelle nicht, dass eine Gesetzesänderung nötig war, gab es damals, im Jahr 1994, doch noch nicht WhatsApp & Co, das modernen Schleusern heutzutage zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite stehen auch der Polizei neue Methoden der Verbrechensbekämpfung zur Verfügung, wie eine moderne Überwachungstechnik. Somit sollten enge Zuständigkeitgrenzen nicht den Erfolg von Polizeieinsätzen gefährden. Allerdings bringen Kritiker hier zum Ausdruck, die „Bundespolizei würde damit auch eine Ausländerpolizei“. Zudem wären die Aufgaben zu umfangreich für nur 41.000
Bundespolizisten.
Gesetzentwurf: Die Stimmen der Kritik
„Dieser Entwurf wird so nicht Realität werden“, ist Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, Sprecher der SPD geführten Bundesländer, überzeugt. „Das wäre der Einstieg in den Ausstieg aus der föderalen Polizeistruktur.“ So wären Parallelzuständigkeiten vorprogrammiert, weite man die Kompetenzen der Bundespolizei auf das gesamte Bundesgebiet aus. Das könne vom Grundgesetz nicht gewollt sein und würde zudem die Handlungsfreiheit der Länder aushebeln, so teilte Pistorius es dem Spiegel mit.
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ute Vogt, räumte dem Spiegel gegenüber ein, die Reform des Bundespolizeigesetzes sei überfällig. Mit heftigen Diskussionen rechne sie allerdings hinsichtlich der Frage, wie „weit der Bund in die Kompetenzen der Länder eingreifen dürfe“. „Aber wenn es um eine effektive Verbrechensbekämpfung geht, müssen solche Streitigkeiten manchmal zurückstehen“.
Bei Armin Schuster, Polizeibeamter und Innenexperte der Unionsfraktion im Bundestag, trifft der Entwurf auf volle Zustimmung. „Wir würden nur vollziehen, was wir seit Jahren diskutieren“, meint er gegenüber dem Spiegel. Auch solle die Ausweitung der Gesichtserkennung eine Selbstverständlichkeit sein. Allerdings schätzten Vertreter der Bundespolizei selbstkritisch ein, dass die Fehlerquote beim Pilotprojekt am Berliner Südkreuz derzeit noch viel zu hoch seien.
Herbert Reul, Innenminister aus Nordrhein-Westfalen, gewinnt dem Entwurf durchaus interessante Ideen ab. Allerdings sieht er „Nachbesserungsbedarf“ bei der Kommunikation, gab er dem Spiegel an. „Wenn die Bundespolizei neue Befugnisse erhält, dann müssen wir sicherstellen, dass man die Länderpolizeien über diese Maßnahmen auf dem Laufenden hält. Sonst weiß die eine Hand nicht, was die andere gerade tut. Diese Pflicht zum Informationsaustausch muss ins Gesetz geschrieben werden.“
Hinweis auf Löschpflicht der erhobenen Daten
Der Berliner Jurist Ehssan Khazaeli kritisierte am Sonntag den Gesetzentwurf: „Es muss sichergestellt werden, dass die so erhobenen Daten ausschließlich für bestimmte Zwecke verwendet werden dürfen und unverzüglich zu löschen sind, wenn festgestellt wird, dass sie zu diesem Zweck nicht gebraucht werden.“ Zudem fordert der Berliner Rechtsanwalt, dass Fahrgäste und Passanten deutlich auf den Erkennungsbereich hingewiesen werden. „Einfache Video-Pictogramme dürfen nicht reichen“, sagt Khazaeli. Am Bahnhof Südkreuz weisen große Boden-Aufkleber auf den Erkennungsbereich (auch auf Englisch „Automatic face recognition area“) hin. Von August 2017 bis Juli 2018 hat die Bundespolizei am Berliner Bahnhof Südkreuz die automatische Gesichtserkennung getestet.
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