Parship
Bildquelle: Tumisu, thx!

Parship: EuGH stärkt Verbraucherrechte hinsichtlich Kosten

EuGH: Bei Vertrag mit Parship ist Wertersatzanspruch des Anbieters bei Kündigung vor Ablauf der Widerrufsfrist zeitanteilig zu berechnen

Die Singlebörse Parship bat Kunden bisher ordentlich zur Kasse. So konnten bereits bis zu 75 Prozent des vollen Mitgliedsbeitrags fällig werden, wenn Abonnenten den Dienst nur innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist genutzt haben und dann den Vertrag noch innerhalb dieses Zeitraumes kündigten. Diesen Praktiken erteilte der EuGH am 8. Oktober 2020 in einem Urteil eine klare Absage. Der EuGH entschied zugunsten der Verbraucher, dass die Partnerbörse höchstens die anteiligen Kosten gemäß der bisherigen Laufzeit in Rechnung stellen könne.

Die unverhältnismäßig hohen und rechtlich fragwürdigen Forderungen des Hamburger Unternehmens PE Digital GmbH, dem Betreiber der Singlebörse Parship, hat das Amtsgericht (AG) Hamburg bereits in der Vergangenheit in vielen Fällen für unbegründet erklärt. Allein aktuell sollen in Hamburg rund 800 ähnliche Verfahren von Parship anhängig sein. Um eine endgültige Klärung bemüht, legte das AG Hamburg dem Europäischen Gerichtshof konkrete Rechtsfragen vor. Insbesondere erwarteten sie eine Auslegung der Verbraucherschutzrichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU).

EuGH: Werteersatzanspruch berechnet sich zeitanteilig gemäß der bisherigen Laufzeit

Der EuGH bestimmte diesbezüglich, dass bei einem Vertrag mit einer Online-Partnervermittlung, wie Parship, das gesetzliche Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge anzuwenden sei. Zu berechnen wäre der Wertersatzanspruch des Anbieters bei fristgemäßer Kündigung vor Ablauf der Widerrufsfrist nur zeitanteilig über die tatsächliche Nutzungsdauer.

Gegenstand des Verfahrens war die Klage einer ehemaligen Abonnentin der Online-Partnervermittlung Parship. Sie forderte vor dem AG Hamburg eine Rückerstattung sämtlicher von ihr geleisteter Zahlungen. Ihre Premium-Mitgliedschaft, abgeschlossen über eine Dauer von 12 Monaten zu einem Preis von 523,98 Euro, widerrief sie bereits nach vier Tagen fristgerecht. Das steht im Einklang mit dem 14-tägigen Widerrufsrecht gemäß Paragraf 312 g des BGB. Eigentlich wäre demgemäß der Vertrag vollständig rückabgewickelt und der Klägerin stünde der Gesamtpreis zur Rückerstattung zu. Parship erhob jedoch bei ihr mit 392,06 € erheblich mehr als nur den Zeitanteil. Die Frau meint hingegen, dass Parship lediglich ein zeitanteiliger Wertersatz zustehe.

Allerdings räumt das Gesetz hier Online-Dienstleistern grundsätzlich, laut Paragraf 357 Absatz 8 Satz 1 des BGB, das Recht ein, einen Wertersatz zu erheben, wenn ein Kunde innerhalb von 14 Tagen widerruft. Genau darauf beruft sich in diesem Fall auch Parship. Immerhin wären sie in dieser Zeit für die Kundin bereits tätig gewesen. Ihnen stünde aus diesem Grund der Wertersatz zu. Die Partnerbörse ist der Meinung, für die „erheblichen Leistungen“, wie die Erstellung eines Persönlichkeitsgutachtens und einer Reihe von Partnervorschlägen schon zu Vertragsbeginn, kann sie hier gleich satte 393 Euro einbehalten. Immerhin wären das konkrete Angebote, die der Abonnentin schon zur Nutzung bereitstanden. Ihre Leistungpalette umfasse mehrere verschiedene Teilleistungen und gerade in der Anfangsphase wäre auch die Datenbank-Nutzung stärker frequentiert, als später.

Parship Geschäftsmodell: zahlreiche erbrachte Leistungen fielen auf Vertragsanfang

Gemäß eigener Aussage, sieht Parship den Kern seines Leistungsversprechens in einer „Kontaktaufnahme zu einer bestimmten Anzahl möglichst genau passender potenzieller Lebenspartner“. Parship garantiert seinen Abonnenten bei einer sechsmonatigen Mitgliedschaft fünf Kontakte und bei einer zwölfmonatigen Mitgliedschaft sieben. Die Partnerbörese versteht unter einem Kontakt jedoch bereits ein Freischalten einer Antwort. Steht darin „Sorry, kein Interesse“, zählt das auch schon als Kontakt. Falls nun ein Kunde bereits die Anzahl dieser „garantierten Kontakte“ schon während seiner Nutzungsdauer bis zu seinem Widerruf erreicht, dann kommt es zu einem entsprechend hohem Wertersatz. Dieser Logik folgend, könnte Parship unter Erreichung dieser Vorraussetzung auch 100 Prozent verlangen. Aus „Kulanzgründen“ behält der Online-Dienstleister von Widerrufenden jedoch maximal 75 Prozent des Mitgliedsbeitrags ein. Das teilte eine Unternehmens-Sprecherin auf Anfrage von test.de mit. In den AGBs von Parship sucht man jedenfalls diesbezügliche, konkreten Informationen zur Berechnung des Wertersatzes vergeblich.

Verbrauerfreundlicher EuGH-Entscheid

Nach Auffassung des EuGH kann es im Falle Parship nicht angehen, dass die erheblich meisten Kosten gleich auf den Vertragsbeginn ausgelagert werden. Der Kunde hätte zumindest das Recht gehabt, bei Vertragsabschluss detailliert darüber aufgeklärt zu werden, welche Kosten in welcher Höhe konkret für die erbrachten Leistungen anfallen. Das sei zudem getrennt auszuweisen. Real findet sich weder im Vertrag, noch in den AGBs ein entsprechender Hinweis darauf. In Anbetracht dieser Einschätzung, muss die Klägerin hier nur für die vier Tage Nutzungszeit bezahlen. Sie wird den größten Anteil ihres gezahlten Geldes zurückerhalten.

Der Berliner Verbraucheranwalt Ehssan Khazaeli begrüßte am Freitagabend die Entscheidung des EuGH. „Eine lange juristische Auseinandersetzung ist damit endgültig geklärt.“ Tatsächlich hätten sich in den vergangenen Jahren die Mehrzahl der deutschen Gerichte auf die Seiten der Verbraucher geschlagen, erklärt Khazaeli. Verbraucher, die in den vergangenen Jahren bei Parship ihren Vertrag widerrufen haben und hohe Beträge zahlen mussten, sollten noch vor Jahresende aktiv werden, um eine mögliche Verjährung ihrer Ansprüche zu verhindern, sagt Khazaeli.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.