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mailbox.org: Zwischen den Fronten - Der Transparenzbericht 2019

mailbox.org hat gestern seinen Transparenzbericht für 2019 veröffentlicht. Fast die Hälfte aller behördlichen Anfragen war rechtswidrig.

Der Berliner E-Mail-Anbieter mailbox.org hat am gestrigen Donnerstag seinen Transparenzbericht für das Jahr 2019 veröffentlicht. Demnach war im ersten Halbjahr des Vorjahres fast die Hälfte aller behördlichen Anfragen rechtswidrig. Der Provider hat die Bearbeitung letzten Sommer nach einem Urteil des EuGH ausgesetzt. Es fehle nach Ansicht des Unternehmens an der Rechtsgrundlage, um jegliche Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchführen zu können.

mailbox.org bemängelt fehlerhafte Anfragen

Bereits seit dem Jahr 2014 veröffentlicht der E-Mail-Anbieter mailbox.org auf jährlicher Basis einen Transparenzbericht. Vergleichbare Transparenzberichte veröffentlicht beispielsweise auch der Wettbewerber Posteo.de. Vor sechs Jahren haben die Strafverfolgungsbehörden an mailbox.org nebst dem „politischen Provider“ JPBerlin.de insgesamt nur drei Anfragen gestellt. Mit jedem Jahr, das verging, wuchs allerdings die Anzahl der Anfragen.

Anzahl der Anfragen von Strafverfolgungsbehörden im Jahr 2019:

  • insgesamt: 79
  • davon deutsche Behörden: 72
  • von ausländischen Behörden (EU und Schweiz): 7

exakte Quelle der Anfragen:

  • Strafverfolgungsbehörden: 79
  • Zollbehörden: 0
  • Nachrichtendienste: 0

Art der Anfragen:

  • Bestandsdatenabfragen: 74
  • Postfachbeschlagnahmungen: 0
  • Verkehrsdatenabfragen: 2
  • Telekommunikationsüberwachung (TKÜ): 3

Die Auskunftsersuchen beantwortete der deutsche E-Mail-Anbieter nur, sofern man sie fehlerfrei eingereicht hatte. In der Pressemiteilung von mailbox.org heißt es.

In jedem Fall wurden Daten von uns nur bei rechtmäßigen und fehlerfreien Anfragen beantwortet. Dementsprechend lagen auch zu allen TKÜ-Anordnungen entsprechende Gerichtsbeschlüsse im Original vor. Diese TKÜs fallen alle in den Zeitraum vor dem EuGH-Urteil im Sommer 2019, das die Anwendbarkeit des Telekommunikationsgesetzes auf E-Mail-Anbieter in Frage stellt. TKÜs sind bis zur Klärung der Rechtslage bei mailbox.org ausgesetzt“.

Transparenzbericht mailbox.org

Fast die Hälfte der Anfragen laut Mailbox.org rechtswidrig

Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen sich, wenn sie bei einem E-Mail-Anbieter eine Auskunft ersuchen, an bestimmte Regeln halten. Dazu gehören unter anderem:

  • Einhaltung der Datenschutzgesetze durch die Polizei selbst (Kommunikationsweg, notwendige Daten)
  • Arten von Auskunftsverfahren und deren Anforderung (Bestandsdaten, Verkehrsdaten, Telekommunikationsüberwachung)
  • Wer darf überhaupt Anfragen stellen?

Im Jahr 2019 wiesen laut mailbox.org insgesamt 32 Anfragen Fehler auf, weswegen sie aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit abgelehnt wurden. In 22 Fällen wurden die Anfragen daraufhin erneut gestellt. In zehn Fällen blieb es bei einer Ablehnung.

Bequemlichkeit darf keine Ausrede für fehlerhafte Auskunftsersuchen sein

Peer Heinlein, Gründer und Geschäftsführer von mailbox.org
mailbox-Geschäftsführer Peer Heinlein

Die Berliner Betreibergesellschaft von mailbox.org hat sich aufgrund der vielen unsachgemäßen Anfragen dazu entschlossen, etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Auf dem hauseigenen Blog versucht man die Rechtslage zu erläutern. Das Unternehmen stellt allerdings auch fest.

Für die von uns immer wieder erlebten, umfangreich rechtswidrigen Anfragen, kann es keine Entschuldigung geben. Die Polizei hat sich bei ihren Ermittlungen ohne Wenn und Aber an Recht und Gesetz zu halten. Auch, wenn es unbequem ist, auch wenn dadurch Ermittlungen stocken oder Details vielleicht nicht ermittelt werden können. Und auch für die Polizei gilt wie für jeden Bürger: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Wenn Provider rechtswidrig nach Daten angefragt werden, kann dies als versuchte Anstiftung zu werten sein.

Aus vielen Einzelfallgesprächen mit ermittelnden Polizisten (Begrüßung unsererseits: „Guten Tag. Sie wollten uns zu einer Straftat anstiften?“) wissen wir jedoch, dass landauf, landab, blanke Unwissenheit über die Gesetzeslage herrscht. Polizei ist Ländersache und auch innerhalb der vielen großen und kleinen Polizeidienststellen ist nicht jeder sattelfest in Sachen Internet und den Daten, die bei einem Provider so anfallen. Und auch nicht jeder Polizist ist mit dem Internet im Blut aufgewachsen. Für manche ist es auch… Neuland. Allerdings: Selbst spezielle Abteilungen zu „Cybercrime“ haben bei uns schon rechtswidrig angefragt und mussten von uns aufgeklärt werden. Das ist dann schon sehr bitter.

Mailbox.org fordert Klärung der Rechtslage für E-Mail-Provider

Mailbox.org fordert schon seit längerem eine Klärung der Rechtslage. Im Sommer hatte der EuGH geurteilt, der Google-Dienst GMail müsse nicht als Telekommunikationsdienst angemeldet werden. Das hätte das Einbauen von Abhörschnittstellen zur Folge gehabt. Dadurch seien bezüglich der Gültigkeit des Telekommunikationsgesetzes (TKG) für E-Mail-Anbieter Unklarheiten aufgetaucht. Geschäftsführer Heinlein bemängelt das Fehlen rechtlicher Grundlagen von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (TKÜ). Bis zur finalen Klärung gestattet man keine TKÜ mehr. Mailbox.org fordert zwingend den Richtervorbehalt für derartige Maßnahmen.

Mailbox.org LogoEine baldige Neuregelung sei nötig, die „die Zweifel und Fragen beseitigt und diese Daten auch klar als grundgesetzlich geschützte Telekommunikation i.S.d. Art. 10 GG versteht. Zugriffe darauf müssen konsequent einem Richtervorbehalt unterworfen werden, so dass ein ausreichend hoher Schutz gegen Missbrauch und vorschnellem Zugriff sichergestellt ist. Eine restriktive spezialgesetzliche Regelung muss dafür sorgen, dass allgemeinere Regelungen mit niedrigen Zugriffshürden keinen Anwendungsraum mehr haben.“

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Sunny

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Sunny schreibt seit 2019 für die Tarnkappe. Er verfasst die wöchentlichen Lesetipps und berichtet am liebsten über Themen wie Datenschutz, Hacking und Netzpolitik. Aber auch in unserer monatlichen Glosse, in Interviews und in „Unter dem Radar“ - dem Podcast von Tarnkappe.info - ist er regelmäßig zu hören.