BeSureAtes, Gefängnisalltag
BeSureAtes, Gefängnisalltag

BeSureAtes im Interview: Die Welt hinter Gittern und das Leben danach

Der Ex-Cyberkriminelle BeSureAtes beantwortet uns in einem Interview Fragen zu einer Welt hinter Gittern und seinem Leben danach.

Mit der Veröffentlichung seines Hafttagebuches im ngb sorgte BeSureAtes bereits für eine große Resonanz. Hier bei Tarnkappe.info erkärte er sich bereit auf unsere ganz speziellen Fragen in Form eines Interviews zu antworten. Er klärt uns über Gegebenheiten des modernen Gefängnisalltags auf, aber auch über sein Leben danach. Und da kaum einer von uns darüber Bescheid weiß, hat er im Folgenden spannende Dinge zu berichten.

BeSureAtes verkaufte geklaute DB-Tickets

Der unter dem Pseudonym „BeSure Ates“ bekannte frühere Cyberkriminelle hat die Deutsche Bahn geschädigt, indem er Bahntickets gekauft und günstiger weiterverkauft hat. Selbst sagte er dazu: „Nur halt mit Kreditkartendaten anderer Leute, die haben aber die Buchungen von ihrer Kreditkarte zurückbekommen von der Bank… Und die Leute, die die Tickets von mir gekauft haben, sind wirklich damit gefahren, ohne Probleme. Letztendlich hatte die Bahn das Ticket ausgestellt und kein Geld gesehen bzw. das Geld an die Kreditkarteninhaber zurückgeben müssen […] Ich hab‘ die Kreditkarten nicht mal selber irgendwie gehackt oder so, sondern einfach nur in so Internetseiten gekauft.

Die Strafe folgte ihm für diese Tat „auf dem Fuß„: Er bekam genau vier Jahre dafür. Wir haben im Vorfeld mit unseren Lesern und den Nutzern von ngb.to und Szenebox.org Fragen an BeSure Ates gesammelt.

Tarnkappe.info: Wie war eigentlich Dein erster Tag in Freiheit?

Zeit in der Freiheit ging schnell vorbei

BeSureAtes: Es kommt drauf an, welchen Tag ich als ersten Tag in Freiheit auffassen kann. Die Wahl fällt zwischen folgenden drei Tagen: Mein erster Ausgang von 5 Stunden, mein erster Tag als Freigänger oder meine Haftentlassung. Aber ich beantwortete die Frage am besten für alle drei Tage: Meinen ersten Ausgang von 5 Stunden hatte ich nach mehr als 1 ½ Jahren Haftzeit. Meine Eltern mussten mich abholen, also eine Begleit-/Bezugsperson war Pflicht. Dann ging es in die Stadt und ich bin mit meiner Familie rumgelaufen, ein Eis und Kaffee gab es auch. Die 5 Stunden waren ziemlich schnell um. Die Eindrücke, die ich draußen hatte, hatten eine enorm starke Wirkung auf mich.

Im Grunde genommen fühlte ich mich wie in einem Videospiel „Grand Theft Auto“, d.h. ich fühlte mich in einer virtuellen Welt, in der ich mich irgendwie frei umherbewegen konnte, Sachen erkunden konnte und alles war in High-Definition. Bevor ich überhaupt das Erlebte verarbeiten konnte, befand ich mich schon zurück im halboffenen Vollzug. Ich kann nur sagen, dass ich in dieser Nacht das erste Mal seit meiner Verhaftung wieder krasse Träume hatte, von der Außenwelt, und mein Traum sich ziemlich real anfühlte.

Meinen ersten Tag als Freigänger hingegen begegnete ich mit so viel Freude, diese Glücksgefühle sind unbeschreiblich. Denn nach meinem fünfstündigen ersten Ausgang hatte ich immer wieder in gewissen zeitlichen Abständen zeitlich begrenzte Ausgänge gehabt. Doch jedes Mal mussten meine Eltern dabei sein und dementsprechend war ich dennoch eingeschränkt, irgendwo hin zu gehen, wo ich meine Eltern nicht dabeihaben wollte.

Wegen der Haft fast alle Freunde verloren

Also war mein Tag als Freigänger der erste Tag an dem ich ganz alleine in die Welt da draußen gelassen wurde. Ich durfte nämlich zum Mathe-Vorkurs meiner Hochschule, bei der ich mich immatrikuliert hatte. Es fing an mit einer einstündigen Bahnfahrt, die mir wie eine Fahrt in die Freiheit erschien. An der Hochschule fand ich es dann toll so viele neue, junge Gesichter zu sehen und tat mich nicht einmal schwer, schnell Kontakte zu knüpfen. Heute weiß ich von meinen Kommilitonen, dass sie mich damals als „lustig“, „auffällig“ und „schamlos“ betrachteten. Sie konnten das Glück an meinem Gesicht förmlich rauslesen. Auch wenn der Mathe-Vorkurs an jenem Tag fast 6 Stunden ging, kam mir die Zeit ziemlich kurz vor. Danach musste ich nämlich sofort wieder zurück zum Freigängerheim.

Meine Haftentlassung, also mein wirklicher erster Tag in Freiheit, war allerdings kaum bewundernswert. Ich war nämlich schon bereits ein halbes Jahr Freigänger und es fühlte sich so an, als würde ich „nur zum Schlafen“ zum Freigängerheim kommen, ansonsten war ich schon so gut wie „frei“. Lediglich Einschränkungen wie „Alkohol- und Fahrverbot“ gab es, die mich allerdings nicht weiter bekümmerten.

Noch einmal zusammengefasst kann ich sagen, dass ich von meinen ersten 5 Stunden in Freiheit so gut wie nichts wahrgenommen hatte und mir alles unrealistisch vorkam. Mein erster Tag als Freigänger war einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Meine wirkliche Haftentlassung war nur so etwas wie ein Umzug vom Freigänger in die Wohnung der Eltern.

Haftalltag kein Zuckerschlecken

Tarnkappe.info: Wie ist Dein Leben nach der Haft verlaufen?

BeSureAtes: Mittlerweile ist es knapp ein Jahr her, dass ich entlassen wurde und es läuft eigentlich alles gut. Ich studiere nun Wirtschaftsinformatik und bin notentechnisch auch ganz gut dabei. Zudem bin ich in eine Wohngemeinschaft mit einem Kommilitonen gezogen, habe gute soziale Kontakte am Studienort knüpfen können und habe sonst, außer den üblichen finanziellen Problemen, die ein Student hat, nichts zu meckern.

Tarnkappe.info: Haben sich viele Freunde/Bekannte abgewandt?

BeSureAtes: Ich drücke das mal ganz vorsichtig wie folgt aus: Ich habe nur zu zwei, drei Freunden/Bekannten von früher noch wirklich Kontakt. Warum ich mit dem Rest keinen Kontakt mehr habe, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob es daran liegt, dass ich einfach eine Weile nicht da war, quasi „Aus dem Auge aus dem Sinn“ oder ob meine Taten eine gewisse Barriere verursacht hat.

Meine Bekannten wissen über meinen Hintergrund Bescheid.

Tarnkappe.info: Gehst Du offen mit dem Thema um, wenn Du darauf angesprochen wirst?

BeSureAtes: An unserer Hochschule weiß eigentlich so gut wie jeder über mich Bescheid, bzw. die Leute, die mich kennen. Damals war das noch ein brandheißes Thema, heute spricht mich keiner mehr darauf an, es ist alles Vergangenheit. Ausreißer gibt es immer wieder, also jene, die es erst jetzt im Nachhinein mitbekommen. Wenn diese mich fragen, dann antworte ich ganz offen auf ihre Fragen, schaue aber auch, dass es nicht, wie es hier der Fall ist, in einem Interview ausartet. Damals jedoch habe ich anfangs alles verschwiegen, doch die Leute haben angefangen Fragen zu stellen.

Das liegt hauptsächlich daran, dass ich nach jeder Vorlesung zum Professor/Dozenten/Lehrbeauftragen gehen und eine Unterschrift einholen musste. Wachsamen Augen ist dies natürlich nicht entgangen, weshalb ich mich schlussendlich dazu entschlossen hatte, mit dem Thema offen umzugehen. In meiner Heimatstadt und meinen Landsleuten ist das Thema allerdings ziemlich tabu.

Daheim ist das Thema JVA tabu

Gefängnis von Vasterviknorra

Tarnkappe.info: Wie hat sich Dein Leben nach der Haft verändert?

BeSureAtes: Ich habe eine ganz neue Sicht auf das Leben bekommen. Obwohl sich persönlich an meinem Leben nicht viel geändert hat, außer dass ich das mit dem Studium jetzt ernst nehme und richtig angehe, hat sich dennoch meine Einstellung an das Leben geändert. Charaktertechnisch meinen meine Bekannten/Verwandten, dass ich immer noch der Gleiche, also Nette von nebenan bin. Zumindest hat sich meine Lebensfreude enorm gesteigert und auch die familiäre Beziehung ist stärker geworden.

Student für Wirtschaftsinformatik

Tarnkappe.info: Was tust Du nun beruflich? Etwa Ticketverkäufer bei der Bahn? ;-)

BeSureAtes: Haha, Ticketverkäufer bei der Bahn? Der ist ein Schmunzeln wert. Nein, ich studiere Wirtschaftsinformatik an einer Hochschule. Viele Bekannte finden es natürlich seltsam, dass ich gerade als Computerbetrüger „Wirtschaft und Informatik“ studiere, aber ich denke, dass da kein Zusammenhang besteht. Zumindest habe ich noch keinen Wirtschaftsinformatiker gesehen, der eine Neigung zu Computerbetrug hat. Sonst müssten ja meine Kommilitonen alle potenzielle Computerbetrüger sein.

Was kommt danach?

Tarnkappe.info: Generell ist das Thema ‚Was passierte danach‘ ziemlich interessant. Kannst Du darauf näher eingehen, bitte?

BeSureAtes: Wie in den vorigen Fragen auch bereits erwähnt, ich studiere gerade, meiner Meinung nach recht erfolgreich, Wirtschaftsinformatik an einer Hochschule. Wohne in einer Wohngemeinschaft mit einem Kommilitonen. Sonst gibt es eigentlich nichts Interessantes, was ich berichten könnte.

Tarnkappe.info: Wo hast Du gesessen? Wie war die Anstalt?

BeSureAtes: Ich war ca. 5 Monate in Stuttgart-Stammheim, diese Anstalt war wirklich dreckig und die Häftlinge waren auch im Durchschnitt gefährlicher als die in Schwäbisch Hall. Auch die Beamten von Stuttgart-Stammheim empfand ich eher als unangenehm bzw. distanzierter zu Häftlingen. In Schwäbisch Hall saß ich den Rest meiner Haftzeit, also inklusive halboffener Vollzug und Freigängerheim mehr als 2 Jahre. Hier empfand ich die Häftlinge weniger gefährlich als die in Stammheim und auch die Beamten waren menschlicher zu Häftlingen, zumindest war eine Sympathie meinerseits gegenüber den Beamten da.

Ausländer haben keine Probleme

Tarnkappe.info: Wie wurde dort mit ausländischen Inhaftierten umgegangen? Eher eine Zwei-Gruppen-Gesellschaft oder bestand ein Zusammenhalt zwischen allen Inhaftierten?

BeSureAtes: Ich würde behaupten, dass man als Ausländer gar keine Probleme in der Haft hat. Vielmehr haben mir die Deutschen leid getan, die wirklich in der Minderzahl waren und deren Taten im Durchschnitt weniger schlimm waren als die der ausländischen Mithäftlinge. Allerdings kann ich sagen, dass unter Häftlingen durchaus Gruppierungen nach Nationalitäten entstanden. So waren Türken/Kurden stets unter sich, genauso wie Russen, Albaner, Rumänen. Innerhalb deren Reihen gab es hauptsächlich bei Türken/Kurden noch die Unterscheidung der „Vereinsangehörigkeit“, also so was wie Black Jackets oder Red Legions. Die oben genannten Gruppierungen machen auch den Großteil der Häftlinge aus, wobei in Schwäbisch Hall mehr Russen und in Stammheim mehr Türken/Kurden inhaftiert waren.

Der einzige Computerbetrüger in der JVA

Tarnkappe.info: Wie viele andere „Cyberkriminelle“ waren in der JVA und wie hat sich die Gefangenenpopulation in etwa aufgeteilt?

BeSureAtes: Als Cyberkriminellen habe ich sonst keinen kennen gelernt. Nur von Mithäftlingen habe ich ab und zu gehört, dass die von einigen Computerbetrügern in anderen Anstalten gehört haben. Ansonsten kann ich sagen, dass die Gefangenenpopulation nach Straftaten sortiert wie folgt war: Betäubungsmittel-Delikte, Körperverletzungen, schwere Körperverletzungen, versuchter Totschlag, Steuerhinterziehungen, Totschlag, versuchter Mord, Mord…
Zumindest teilte sich die Gruppen hauptsächlich in Betäubungsmittel-Delikte, Körperverletzungen und Steuerhinterziehungen auf. Betrüger gab es kaum, geschweige denn Computerbetrügern.

Tarnkappe.info: Waren Sexualstraftäter darunter? Wie haben die sich verhalten?

BeSureAtes: Was die ganzen Vergewaltiger angeht, kann ich nichts sagen, da diese alle in der Schutzhaft, also einem speziellen Bereich in der Justizvollzugsanstalt, waren und keiner sie wirklich zu Gesicht bekam.

„Neulinge waren natürlich ganz unten in der Nahrungskette angesiedelt.“

Tarnkappe.info: Gibt es diese oft beschriebene Hierarchie? Wie wird diese gelebt? Wie war der Umgang mit Justizbeamten? Unterscheidet sich dieser bei unterschiedlichen Delikten? Soll heißen: gibt es so etwas wie eine Rangfolge bei den Gefangenen?

polizeiwagen boerse.bz uploaderBeSureAtes: Also eine Hierarchie gab es in dem Sinne, dass Häftlinge, die schon länger saßen, eher das Sagen hatten, aber wenn, dann immer unter ihrer eigenen Gruppe. Also es gab tatsächlich bei Türken, Russen, Rumänen etc. immer ein, zwei Leute, die die Gruppe „anführten“. Neulinge waren natürlich ganz unten in der Nahrungskette angesiedelt. Nach Straftaten wurde unter Häftlingen weniger unterschieden, da alle mehr oder weniger wegen den gleichen Delikten saßen. Nur Ausnahmefälle, wie Computerbetrüger, fielen schon mal schnell auf und wurden entsprechend schneller in die Gruppe „integriert“. In Schwäbisch Hall sah ich keinerlei Probleme mit Beamten, auch Mithäftlinge waren stets in guten Kontakt mit den Beamten.

Da war auch kein Misstrauen da, wenn mal ein Häftling mit einer Beamtin in eine längere Konversation verwickelt war. Aber auch mit männlichen Beamten ließ sich angenehm diskutieren. Ganz anders sah dies aber in Stammheim aus. Dort waren die Beamten hauptsächlich eiskalt zu den Häftlingen. Ausnahmen gab es sicherlich. Doch ich kann mir das nur so erklären, dass die große Anzahl und die im Durchschnitt schlimmeren Straftaten der Häftlinge, die Beamten-Häftlings-Beziehung gefährdete.

Tarnkappe.info: Wie verhält man sich aus Ihrer Sicht am besten in den ersten Tagen in Haft?

BeSureAtes: Das kann ich eigentlich gar nicht sagen, da ich selber nicht weiß, wie man sich wirklich verhalten sollte. Es ist so etwas wie „der erste Eindruck zählt“. Wenn einer inhaftiert wird, der einfach nur durch seine Anwesenheit bei Häftlingen, die das „Sagen“ haben, ein unwohles Gefühl auslöst, kann er eigentlich gar nichts machen. In der Regel würde ich sagen, dass man sich eher ruhig verhalten sollte, auf keinen Fall den großen Macker spielen sollte und erst einmal einen Überblick über die Lage bekommen sollte. Denn meist erkennt man nach einigen Tagen, wer das Sagen hat, wer die „Fische“ sind und wem man am besten aus dem Weg gehen sollte.

Neue haben es nicht leicht

Generell kann ich sagen, dass man in der U-Haft weniger Probleme hat, da viele nicht länger als 6 Monate da sind und es ein Kommen und Gehen ist. Viele haben auch Angst, eine härtere Strafe zu bekommen, wenn sie in der Haft dummes Zeug anstellen. In der Strafhaft ist es allerdings anders. Da weiß jeder wie lange er sitzen muss, viele sind schon mehrere Jahre inhaftiert und freuen sich auf jedes neue Gesicht und den dadurch verursachten Konflikt.

Tarnkappe.info: Bekommt man Kontakte nach draußen in Form von Brieffreunden?

BeSureAtes: Also generell habe ich meiner Familie Briefe geschrieben. So etwas wie Brieffreunde habe ich von keinem Mithäftling gehört. Alle haben nur Familie, Freundin, Freunden usw. geschrieben. Allerdings ist es in der U-Haft so, dass es ca. ein Monat dauert, bis ein Brief beim Empfänger ankommt, da das Gericht den Inhalt kontrolliert. In der Strafhaft sind es dann die gewöhnlichen ein bis drei Werktage. Wobei hier nur kontrolliert wird, ob illegales Material in den Briefen ist, unter anderem Geldscheine.

Suzidversuche hinter Gittern: ein Rumäne hatte eine Rasierklinge verschluckt

Tarnkappe.info: Ist Suizid ein Thema mit dem Du durch andere oder gar selbst in Berührung gekommen bist?

BeSureAtes: Mir kam der Suizid-Gedanke niemals in den Sinn. Vor allem, da ich familiären Rückhalt hatte, mir eine Zukunft nach der Haft ausmalen konnte und Hoffnung hatte, dass das Ganze bald endet. Jedoch habe ich schon zwei Mal erlebt, wie jemand versucht hat, Suizid zu begehen. Das erste Mal war es in Schwäbisch Hall, dort hat ein Häftling eine kleine Seife geschluckt und dann hat es Schaum aus seinem Mund gesprüht. Was mit ihm passiert ist, weiß ich nicht.

Ein anderer hat versucht in Stammheim Suizid zu begehen. Ich war gerade dabei, den Gang zu wischen, da ich Reiniger war. Dann kamen Beamten angerannt und öffneten eine Zellentür, da lag ein Rumäne und kotzte Blut. Schnell musste ich in meine Zelle. Nach einer Stunde wurde meine Zellentür geöffnet und ich sollte das ganze Blut wegwischen. Es war mehr als ich dachte. Später erfuhr ich vom Beamten, dass der Rumäne eine Rasierklinge geschluckt hatte. Ob er überlebt hat, weiß ich auch nicht.

Tarnkappe.info: Bekommt man jedes Buch, das einem die Eltern bringen würden, auf die Zelle?

BeSureAtes: Der Besuch darf rein gar nichts mitbringen. Aber Eltern dürfen einem auf Amazon usw. jedes Buch bestellen und an die JVA liefern lassen. Es gibt Ausnahmen, die nicht reingeschickt werden dürfen, also alles pornografische und auch solche Sachen, in der Anleitungen für irgendwelche Fitnesssachen oder sonstigem unerwünschten Zeug steht.

„So gut wie kein Häftling war an Büchern interessiert.“

polizei schwarzkopierer verschluesselung GVUTarnkappe.info: Gibt es eine Bibliothek im Gefängnis oder überhaupt ein Angebot an Büchern? Wenn ja, welche Bücher werden angeboten?

BeSureAtes: Ja, sowohl in Schwäbisch Hall als auch Stammheim hatten sie eine Bibliothek. Da war eigentlich alles Möglich dabei, von Religion, Kultur, Fantasy, Krimis, alles was das Herz begehrt. Nur war so gut wie kein Häftling an Büchern interessiert.

Tarnkappe.info: Bekommt man immer einen Stift und Papier zur eigenen Verwendung und muss man das selbst zahlen?

BeSureAtes: Beim so genannten „Zugangspaket“ ist stets ein Stift und Papier dabei. Auf Anfrage beim Beamten bekommt man auch Papier und Stift ausgehändigt, ohne Kosten. Briefumschläge gibt es auch gratis, nur Briefmarken muss man selbst kaufen.

Tarnkappe.info: Wie unterschiedet sich die U-Haft von der Strafhaft?

BeSureAtes: Spontan fallen mir folgende Unterschiede ein: In der U-Haft hat man überwachten Besuch und lediglich eine halbe Stunde pro Woche. D.h., dass ein Beamte beim Besuch dabei ist. Während der JVA hat man eine Stunde Besuch pro Woche und es wird nicht mitgehört. In der U-Haft dauert es ca. ein Monat, bis ein Briefverkehr erfolgreich stattgefunden hat. Während der Strafhaft nur ein bis drei Werktage. In der Untersuchungshaft darf man nicht telefonieren, und wenn, dann nur mit Ausnahmegenehmigung und wenn ein Beamter mithört. Dort darf man so viel telefonieren wie man möchte, muss aber dementsprechend viel zahlen. Diese Regelungen, also zeitliche Aspekte, ändern sich von JVA zu JVA. So durfte man z.B. in Schwäbisch Hall als Strafhäftling auch nur 10 Minuten pro Tag telefonieren. In Stammheim war keine zeitliche Begrenzung festgelegt.

„Gedanken über die Folgen haben wir uns nie gemacht“

Tarnkappe.info: Habt ihr wirklich geglaubt, ihr kommt ewig mit der Masche durch? Macht man sich überhaupt so viele Gedanken über die Risiken? Oder verdrängt man das Thema lieber?

BeSureAtes: Wir haben tatsächlich gedacht, dass wir so gut sind, dass uns die Polizei niemals erwischt. Und wir sind nicht die Einzigen, alle Häftlinge haben so gedacht. Das Seltsame ist, dass es tatsächlich Häftlinge gibt, die dann behaupten, dass sie das nächste Mal nicht erwischt werden und mit „ihrer Masche“ durchkommen. Gedanken über die Folgen haben wir uns nie gemacht, nur gehofft, dass wir nicht erwischt werden.

Tarnkappe.info: Macht man sich eigentlich Gedanken über den Schaden, den man mit seinen Taten anrichtet?

BeSureAtes: Vorerst, der Gedanke ist auf keinen Fall korrekt, aber wir haben immer unser Gewissen wie folgt reingeredet: Wir schaden nur der Deutschen Bahn, die ja alleine durch ein paar Zugverspätungen so viel Schaden macht, dass unser Schaden keine Auswirkung hat. Außerdem können viele Leute sehr günstig zu ihren Freunden, Bekannten, Verwandten fahren. Es werden keine Privatpersonen geschädigt.

Festnahme war nur eine Frage der Zeit…

barbed-wire-960248_960_720, besureates, gefängnisTarnkappe.info: Was glaubst Du: Wäre es auf Dauer so oder so zur Verhaftung gekommen? Also ohne weiteren Besuch des Geldautomaten, um abzucashen?

BeSureAtes: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Polizei uns früher oder später erwischt hätte. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen.

Tarnkappe.info: Hat sich Dein Weltbild seit dem Gefängnisaufenthalt verändert? Wenn ja, in welcher Weise?

BeSureAtes: Ja, ich habe einfach viel mehr Freude am Leben und gegenüber vorbestraften Personen bin ich nicht mehr gleich abgeneigt und halte Abstand. Zudem denke ich, dass jeder eine Leiche im Keller hat und ich verachte die Leute, die andere Menschen verurteilen ohne sich selbst auf die Nase zu fassen.

„Ich habe eine Abneigung gegenüber Polizisten entwickelt.“

Tarnkappe.info: Wie denkst Du heutzutage über die Polizei und deren Verhaltensweisen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Dein umfangreiches Geständnis hat Dein Verfahren erheblich verlängert und Deine Bestrafung erhöht.

BeSureAtes: In der Tat habe ich eine Abneigung gegenüber Polizisten entwickelt. Stets fühl‘ ich mich unwohl, wenn ich welche von ihnen auf der Straße sehe. Mir kommt es so vor, als wären die „nur auf Stress aus“. Kann gut sein, dass das nicht stimmt, aber hier geht es ja darum, was ich über die Polizei denke. Zudem denke ich, dass die Polizei nicht immer korrekt und rechtskonform arbeitet und alles in der Macht stehende tut, um eine verhaftete Person noch mehr in die Scheiße zu rücken. Aber das ist auch ihre Aufgabe, denke ich. Jedenfalls will ich nicht viel über Polizei und tatü tata schreiben. Nur kann ich sagen, dass ich mich bei Verkehrskontrollen gegenüber Polizisten stets „wütend“ verhalte.

Tarnkappe.info: Wann kommt Dein Buch? Schreib‘ es bitte zu Ende!!

BeSureAtes: Ich habe im August vorlesungsfreie Zeit. Ich werde versuchen dort mein Buch fertig zu schreiben und dann mal schauen, ob und welche Verlage sich dafür interessieren. Sollte ich keinen Verlag finden, werde ich auf jeden Fall ein E-Book veröffentlichen.

Schlussbemerkungen

Ich danke BeSure Ates ganz herzlich für das Interview und wünsche ihm viel Glück für sein weiteres Leben, viel Erfolg bei der Verwirklichung seiner Ziele, besonders für sein Studium und sein geplantes Buch! Auch bedanken wir uns herzlich bei unseren Lesern für die vielen interessanten Fragen, die von Euch eingereicht wurden!!

Bis sein Hafttagebuch fertig ist, kann man die ersten Kapitel hier lesen.

Bildquellen v.o.n.u.: ErikaWittlieb (2), Julia Reda (CC0 Public Domain)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.