Die Anti-Piracy-Organisation IBCAP behauptet, sie habe die Eier legende Wollmilchsau gegen IPTV-Piraten erfunden. Wir haben nachgehakt!
IBCAP plant eine automatische IPTV-Blockierung. Mitte April gab die Organisation bekannt, man habe ein automatisches Überwachungssystem für Video on Demand-Inhalte (VoD) online gestellt. Das neue System soll dafür sorgen, dass illegale Streams bei den Hosting-Providern gemeldet und damit automatisch vom Netz genommen werden. Die Software diene insbesondere der Bekämpfung von IPTV-Piraten bei Set-Top-Boxen und IPTV-Diensten.
Betroffen vom neuen Tool sind illegale Übertragungen von Kinofilmen und Serien aus der Konserve, kein Live-Content wie Fußballspiele oder andere Sportevents, die man in Echtzeit ausstrahlt.
IBCAP plant eine automatische IPTV-Blockierung: Was muss man sich darunter vorstellen?
Die als angeblich gemeinnützig geltende Vereinigung aus Denver, USA, glaubt, ihr proprietäres Anti-Piraterie-Tool ergänze ihr bestehendes automatisiertes System für die Überwachung von Live-Fernseh- und Pay-TV-Streams. Das Tool soll nach Ansicht der Vereinigung die „VoD-Piraterie weltweit erheblich beeinträchtigen“.
Die hauseigene Software-Entwicklungabteilung der IBCAP realisierte die kürzlich vorgestellte VoD-Lösung. Diese nutzt automatisierte Methoden, um rechtsverletzende Inhalte im Internet zu finden und Beweise zu sammeln, um im Anschluss Abmahnungen (DMCA-Löschaufforderungen) an die entsprechenden Hosting-Provider der rechtsverletzenden Streams zu verschicken. Webhoster, die nach den ersten automatischen Takedown-Benachrichtigungen weiterhin das US-Copyright verletzen, erhalten Folgebriefe der Anwälte, die im Auftrag der IBCAP tätig sind. In den Schreiben weisen sie die IPTV-Piraten auf ihre Verstöße hin und drohen mit weiteren Konsequenzen. So lautet zumindest der Plan.
Vorgänger mit einer Entfernungsrate von über 75 Prozent
Das neue System baut auf der bestehenden Software zur Aufdeckung und Entfernung von Live-Streaming-Piraterie auf. Nach eigenen Angaben erreicht das alte Antipiraterie-Tool gegen Live-TV-Streams eine Entfernungsrate von über 75 Prozent. Die Organisation erwartet, dass man mit dem neuen Tool ähnlich effektiv gegen VoD-Piraten vorgehen kann.
Wir haben uns mit gleich mehreren Rückfragen an den IBCAP-Geschäftsführer Chris Kuelling gewendet. Die Pressemitteilung beschreibt (natürlich nicht), wie man die illegalen Streams erkennen will. Dabei gibt es nämlich gleich mehrere entscheidende Probleme.
Bei kostenpflichtigen und somit nicht öffentlichen IPTV-Streams lassen sich die verbreiteten Inhalte und der Ort, von wo aus ausgestrahlt wird, nur nach vorheriger Anmeldung und Bezahlung des Dienstes feststellen. Somit ist eine automatische Überprüfung in Hinblick auf die Wahrung des Copyrights schlichtweg unmöglich. Doch genau das suggeriert die Pressemitteilung der Organisation. Komisch, oder?
Der Executive Director will keine Details zur Erkennung preisgeben
Kuelling antwortete uns, das IBCAP-Labor kaufe dafür jeweils ein Abo beim rechtsverletzenden VoD-Dienst ein. Anschließend verwendet die proprietäre Software Technologien zur Erkennung von Inhalten, um „automatisch“ autorisierte von nicht autorisierten Streams zu unterscheiden. Auf die Frage, wie das Ganze im Einzelnen funktioniert, teilte uns der CEO mit, man veröffentliche keine Details über die Arbeitsweise des Tools.
Doch es gibt noch mehr Hürden. Die IBCAP-Mitarbeiter müssen nämlich abschließend das Ergebnis der angeblich automatisch funktionierenden Software manuell überprüfen. Ohne die Überprüfung durch einen Menschen würde das Tool wahrscheinlich viel zu viele ungerechtfertigte Löschaufforderungen verschicken.
IPTV-Blockade: Nur alter Wein in neuen Schläuchen?
Die Funktionsweise erscheint in diesem Licht betrachtet weder sonderlich automatisch, noch besonders innovativ. Wahrscheinlich hat man, ähnlich wie YouTube, eine Referenzdatenbank zahlreicher Werke der IBCAP-Mitglieder erstellt, die die Software mit den VoD-Streams der illegalen VoD-Diensten abgleicht. Wenn dem so ist, wäre das Tool nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen. Die Technologie führte die Google-Tochter bereits vor 19 Jahren unter dem Namen Video Identification ein. Später gab YouTube dem System den Namen Content ID. Das monströse Alleskönner-Tool der IBCAP sieht in diesem Licht eher wie ein Marketing-Gag, als die nächste Innovations-Stufe der Pirateriebekämpfung aus. Oder was meint ihr, liebe Leserinnen und Leser?
Wer oder was ist die IBCAP?
Die Abkürzung IBCAP steht für International Broadcaster Coalition Against Piracy. Die Mitglieder stammen aus der Riege internationaler Rundfunkanbieter, die sich gemeinsam gegen illegale IPTV-Dienste, Streaming-Plattformen und andere Formen der Online-Piraterie wehren. Man will die Gewinne der rund 210 Fernsehsender schützen. Dafür sollen die Piraten mittels eigener Kampagnen, Online-Überwachung, Klagen und der Zusammenarbeit mit verschiedenen Behörden bekämpft werden.