Like, Twitter
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Bildquelle: Karsten Winegeart, Lizenz

Ein Like bei Twitter ausreichend für eine Durchsuchung

Eine Hassbotschaft als Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses. Gestern fand eine Razzia statt, weil jemand etwas bei Twitter geliked hatte.

Anfang Februar schrieb ein anonymer Nutzer bei Twitter, er habe kein Mitleid mit den erschossenen Polizisten im Landkreis Kusel. Gleichzeitig ging der Autor des geschützten Tweets die Polizei an, sie sei für den Tod gleich mehrerer Personen verantwortlich. Er bezeichnet die Polizisten deswegen als Täter und nicht als Opfer. Die entsprechenden Ermittlungsverfahren wegen des toten Oury Jalloh, Amet Ahmad und Giorgios Zantiotis haben die Behörden übrigens alle ausnahmslos eingestellt.

Ein Like bei Twitter ausreichend für Beschlagnahmung?

Felix aka lixi (@unfollowdreamy) bekam wegen diesem einen Like Besuch. Er soll diesen extremen Tweet bei Twitter befürwortet haben, woran er sich nicht mehr erinnern kann. Deswegen führte die Polizei bei ihm am gestrigen Morgen um 6 Uhr früh eine Hausdurchsuchung durch. Doch Felix war nicht der einzige Betroffene. Eine eigens dafür eingesetzte Ermittlungsgruppe durchsuchte das Netz nach Hasskommentaren und deren Sympathisanten, die den Polizistenmord öffentlich befürwortet haben. Deswegen fanden am gestrigen Montag auf Bundesebene insgesamt 75 Durchsuchungen statt.

Twitter: Ist die Verbreitung gschützter Inhalte überhaupt möglich?

Die Frage ist allerdings, ob schon ein einziger Like auf einer Social-Media-Plattform für einen Durchsuchungsbeschluss ausreichend ist. Beleidigungsdelikte sind nur dann strafbar, sofern man derart fragwürdige Inhalte verbreitet. Zwar dürfte ganz grundsätzlich betrachtet ein Like die Sichtbarkeit eines Tweets erhöhen. Andererseits können nur von ihm bestätigte Follower des ursprünglichen Autors seine Aussagen bei Twitter sehen. Somit ist es rechtlich umstritten, ob dadurch schon eine Verbreitung stattgefunden hat, die strafbar wäre.

Außerdem ist dies ein Antragsdelikt. Das heißt, von alleine ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht. Jemand muss eine Strafanzeige erstattet haben. Entweder jemand aus dem privaten Umkreis der ermordeten Polizisten oder einer ihrer Kollegen oder Vorgesetzten. Offenbar wollte man nach den zahlreichen Hasskommentaren dafür sorgen, dass bundesweit durchgegriffen wird.

Staunen bei Twitter inklusive! Grafik von CreativeTools.se, thx! (CC BY 2.0).

Vorgehen der Polizei mehr als fragwürdig

Der von golem.de befragte Anwalt Jannik Rienhoff sagte, er könne nicht verstehen, dass die Polizei einerseits immer wieder öffentlichkeitswirksam auf ihre Überlastung hinweist. Und dann konzentriert man sich andererseits auf derart geringfügige Delikte wie eine Beleidigung. Das Vorgehen bezeichnet Rienhoff als „fragwürdig„.

Nach eigener Aussage hat Felix bei Twitter nie persönliche Angaben gemacht. Offenkundig war er im fraglichen Zeitraum ohne VPN im Internet unterwegs. Von daher muss Twitter seine IP-Adresse auf Anfrage weitergegeben haben. Nach dem Auskunftsanspruch des BKA beim Internet-Anbieter war der Polizei dann die Identität von Felix bekannt. Einen Anwalt will Felix nicht einschalten, schrieb er bei Twitter. Er sehe nicht ein, wie ihm dieser helfen könne.

Betroffener will keinen Anwalt einschalten

Allerdings wird sich der Beschuldigte demnächst für seine „Tat“ verantworten müssen. Ein Anwalt könnte durch die Übermittlung der Ermittlungsakte herausfinden, in welchem Umfang ermittelt wurde und was man ihm eigentlich konkret vorwirft. Fragwürdig ist die Aktion schon deswegen, weil man die Sichtbarkeit von geschützten Tweets nicht durch Likes verändern kann. Sie bleiben so lange unsichtbar, bis der Nutzer des geschützten Twitter-Accounts Einzelnen die Einsicht in seine Aussagen gestattet.

75 Razzien sollen Nachahmer offenbar abschrecken

Wie dem auch sei. Wer selbst einen fragwürdigen Tweet liked, sollte sich das besser gut überlegen. Die Aktion wirkte auf den Betroffenen einschüchternd, selbst wenn er dabei nur sein Smartphone eingebüßt hat. Doch um genau diese Wirkung ist man offenkundig bemüht.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.