Gesetzentwurf
Gesetzentwurf

Fußballzeit: Wie viele Gesetzentwürfe wird man verabschieden?

Kritiker befürchten, den einen oder anderen Gesetzentwurf wird die Bundesregierung während der Fußball EM 2016 einfach durchwinken.

Wie viele Gesetzentwürfe werden es diesmal sein? Man kennt es ja bereits schon aus den vergangenen Jahren. Zur WM 2006 hat man die Mehrwertsteuer erhöht, zur WM 2010 der Krankenkassenbeitrag angehoben. Und zur WM 2012 hat die Regierung die Reform des Meldegesetzes durchgewunken. Gerne werden vom Bundestag unpopuläre politische Entscheidungen gerade dann gefällt, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit abgelenkt ist. Sobald der Ball rollt, ist Deutschland im Fußballfieber und schon ist die Bahn frei für Änderungen aller Art…

Gesetzentwurf: Fußball lenkt das Volk ab

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer äußerte sich im und zum Jahr 2012 zu diesem Thema wie folgt: „Der Zeitpunkt war sicherlich angesichts der brisanten öffentlichen Debatte nicht gut gewählt. Und dass man in diesem Fall die Reden zu Protokoll gegeben hat. Aber es war eben kein generalstabsmäßiger Plan, dieses Thema von der Tagesordnung zu schieben. Es war abgestimmt mit anderen Fraktionen. Auch mit der Opposition. Und in Folge dessen würde man es heute anders machen, aber der Vorwurf, wir hätten die Öffentlichkeit hinters Licht geführt, nur weil gerade Deutschland ein Länderspiel hat, der Vorwurf ist aus meiner Sicht nicht berechtigt.

Auch Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionschef der Linken meinte im Jahr 2012 dazu: „…dass es ein einmaliger Vorgang war. Und das sich das in dieser Form nicht wiederholen darf.

Und gerade das ist auch der Punkt für das Jahr 2016. Es stellt sich die Frage, werden in diesem Jahr erneut Entscheidungen einfach durchgewunken, während jeder Sportbegeisterte dem Ball nachschaut? Bedenken sind dabei durchaus angebracht, denn eben ist die Große Koalition dabei, über ein weitreichendes Überwachungsgesetz abzustimmen, das Sachverständige als verfassungswidrig erklären.

Bedenken sind angebracht

So schreibt netzpolitik.org. Das „Gesetz zur Umsetzung der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung“, wie es offiziell heißt, ist ein sogenanntes Artikelgesetz, mit dem gleich neun verschiedene Gesetze auf einmal geändert werden sollen. Es enthält unter anderem die folgenden, aus grundrechtlicher Perspektive kritischen, Punkte:

  • einen Gesetzentwurf zur endgültigen Abschaffung anonymer Mobiltelefonie durch die Verschärfung der Regeln zur namentlichen Registrierung bei Prepaid-SIM-Karten
  • eine Entgrenzung internationaler Überwachungsdatenbanken durch die Etablierung einer Rechtsgrundlage für den automatisierten Informationsaustausch zwischen dem deutschen Inlandsgeheimdienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, und ausländischen Geheimdiensten
  • eine Verlängerung der Laufzeit gemeinsamer Überwachungsdatenbanken von Polizei und Geheimdienst
  • eine Ausweitung invasiver polizeilicher Überwachung mittels Autorisierung des Einsatzes verdeckter Ermittler durch die Bundespolizei.

Dieses Gesetz wird von den Chefs der Sicherheitsbehörden natürlich als Fortschritt gesehen. Im Hinblick auf die Terrorgefahren, allen voran des IS, werden hart erkämpfte Grundrechte beschnitten. Verfassungsschutz-Chef Maaßen sagte: „Die Terrororganisation IS sei ein „staatsähnliches Gebilde, das uns den Krieg erklärt hat.“ Weil Terroristen international vernetzt sind, müssten auch die Geheimdienste besser vernetzt werden. Das Gesetz soll auch die Massenüberwachung legalisieren und ausweiten. In Bezug auf die Prepaid-Registrierung begründete man die Maßnahme mit erheblichen Erleichterungen der Ermittlungen.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff äußerte sich dahingehend: „Der Gesetzentwurf setzt die verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht hinreichend um, so dass erhebliche verfassungsrechtliche Risiken bestehen.“ Übrigens: Das Gesetz wurde heute tatsächlich ohne weitere Probleme durchgewunken.

Fazit

Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren lehrt, politisch ist in den Fußballwochen allergrößte Vorsicht geboten. In schöner Regelmäßigkeit hat der Bundestag Gesetzentwürfe durchgewunken, oftmals mit brisantem Inhalt. So gilt auch für 2016: Das neue Anti-Terrorpaket ist ein Gesetz, dem eindeutig keine breite Zustimmung der Bevölkerung zuteil werden wird, denn es gibt bisher keinerlei Beweise dafür, dass die angekündigten Maßnahmen auch nur entfernt hilfreich sein könnten bei der Bekämpfung des weltweiten Terrorismus.

bundestag Sobiraj

Andre Meister von Netzpolitik.org. äußerte dazu: „Zukünftig können SIM-Karten nur noch gegen Vorlage eines Personalausweises gekauft werden. Das ist eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf anonyme Kommunikation.“ Im Zeitalter von Vorratsdatenspeicherung, Funkzellenabfrage und Geheimdienst-Überwachung sei eine auf Fantasienamen registrierte SIM-Karte zumindest ein kleiner Schutz der eigenen Privatsphäre.

Sogar das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik empfiehlt das. Zukünftig ist das verboten.“ Dabei stellte die EU-Kommission laut Netzpolitik schon vor Jahren fest: Selbst in Ländern, in denen Prepaid-Karten nicht mehr anonym verkauft werden dürfen, gibt es keine Beweise, dass das bei der Strafverfolgung hilft.

Ferner meinte Andre Meister zum zeitlichen Zusammentreffen des Neuen Anti-Terror-Paketes mit der Fußball-EM: „Eine direkte Absicht halte ich für eine Verschwörungstheorie.“ Es brauche keine ablenkenden sportlichen Großereignisse, um Gesetzentwürfe zu beraten und zu beschließen. Auch ganz ohne Fußball-EM peitscht die Große Koalition neue Überwachungsgesetze durch, siehe Vorratsdatenspeicherung und neues Verfassungsschutz-Gesetz.

Mag sich jeder selbst eine Meinung darüber bilden. Sind die Grundrechte einmal beschnitten, driften wir dann zu auf einen dystopischen Überwachungsstaat? Werden also die in dieser Zeit getroffenen politischen Entscheidungen ebenso rund sein wie der Ball auf dem Spielfeld?

Bildquellen v.o.n.u.: Gerhard Gellinger, thx! (CC0 Public Domain) & Lars Sobiraj.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.