Überwachung
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Bildquelle: pdpictures, Lizenz

Thomas de Maizière strebt flächendeckende Videoüberwachung an

Ortstermin für Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Bahnhof Südkreuz in Berlin: er ließ sich die Technik zur biometrischen Gesichtserkennung erläutern.

Laut einer Pressemitteilung hat sich bei einem heutigen (24.08.2017) Vor-Ort-Besuch Bundesinnenminister Thomas de Maizière von der Bundespolizei über die Technik für den auf sechs Monate angelegten Test zur biometrischen Gesichtserkennung per Videoüberwachung am Berliner Bahnhof Südkreuz informieren lassen. Indessen kritisieren Datenschützer und Digitalverbände das Projekt.

„Videoüberwachung ist sehr wichtig“

Ungeachtet aller Kritik gab sich Innenminister Thomas de Maizière optimistisch und hat die Vorhaltungen von Datenschützern und Digitalverbänden am Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz zurückgewiesen, denn: „Eine Videokamera zeichnet schon jetzt Menschen auf – befristet, ohne die Offenlegung der Identität. Videoüberwachung ist sehr wichtig, um Straftaten im Nachhinein aufzuklären. Durch diese neue Technik würden Unbeteiligte nicht zusätzlich gespeichert, innerhalb von Sekunden wird nur abgeglichen, ob sie auf einer Fahndungsdatei stehen, und nur im Trefferfall wird dann die Person gespeichert und dann hoffentlich verhaftet. Deswegen verstehe ich einen Teil der Kritik nicht, vor allen Dingen halte ich es für wichtig, dass wir die Effizienz ausprobieren, um dann auch vernünftige Entscheidungen treffen zu können.“ Zudem geschähen die Tests mit ca. 300 Personen auf freiwilliger Basis, sagte de Maizière am Donnerstag bei seinem Besuch vor Ort.

Getestet werden solle, ob mit moderner Technik die Fahndung per Videokamera nach Terroristen, Gefährdern und schweren Straftätern verbessert werden könne. Bereits seit dem 01.08.2017 läuft am Bahnhof Südkreuz das sechsmonatiges Pilotprojekt, der Test zur biometrischen Gesichtserkennung per Videoüberwachung. Es soll dabei anhand von 275 freiwilligen Testpersonen die Möglichkeit erprobt werden, aus Menschenmassen heraus, Personen per Kamera automatisch zu erkennen, deren Gesichter zuvor gespeichert wurden. Später befasst sich ein zweiter Test mit einer Mustererkennung. Dabei sollen hilflose Personen, herrenlose Koffer und andere „Gefahrenszenarien“ erkannt werden.

Gesichtserkennung erproben

So habe sich schon in den ersten Wochen an den überwiegend hellen Augusttagen eine erstaunliche Treffsicherheit gezeigt, berichtete de Maizière. Zudem gehe es aber noch darum, die Gesichtserkennung unter anderen Bedingungen zu erproben, wie an dunklen Novembertagen. Auch müsse die Zuverlässigkeit getestet werden, wenn jemand Sonnenbrille, Mütze oder Kapuze – wie hier von Leuten getragen, die unerkannt bleiben wollen – aufgesetzt habe. Nun sei de Maizière „sehr gespannt auf die Ergebnisse“, denn: „Wenn das gelänge, dann wäre das ein unglaublicher Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. Und dann können wir entscheiden, in etwa einem halben Jahr, unter welchen rechtsstaatlichen Bedingungen im Einzelnen diese Technik auch flächendeckend eingesetzt werden kann.“, so gab de Maizière bekannt.

Wie wir bereits berichtet haben, stellte sich als freiwillige Testperson auch padeluun, der Gründungsvorstand von Digitalcourage e.V. zur Verfügung. padeluun untersuchte den ihm ausgehändigten Transponder näher. Er stellte dabei fest, dass er, nicht wie angekündigt, einen RFID-Chip bekam, sondern ihm wurde ein iBeacon ausgehändigt. Das ist ein aktiv sendender Bluetooth-Transponder, mit 20 Metern Reichweite, der in der Lage ist, noch weitaus mehr Informationen zu erfassen, als für den Test nötig sind, wie Temperatur, Neigung und Beschleunigung. Zudem könnten diese Daten mit einer App aus Googles Play Store ausgelesen werden. Aufgrund dessen wäre es möglich herzuleiten, was die Testpersonen auch außerhalb des Bahnhofs gemacht haben – also auch außerhalb des Testbereichs, so padeluun. Der Bielefelder Datenschutzverein Digitalcourage fordert deshalb einen sofortigen Abbruch der Tests. Denn die Bundespolizei habe offensichtlich die Testpersonen falsch über die eingesetzte Technik informiert.

Betroffene muss man informieren

Dieser Umstand rief die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff auf den Plan. Denn „gerade bei Verfahren, die mangels anderweitiger Rechtsgrundlagen auf Einwilligungen zurückgreifen, ist es essenziell, dass den Betroffenen sämtliche Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie benötigen um eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen“, meint sie. Selbst wenn die von dem Transponder ausgesendeten Informationen datenschutzrechtlich nicht besonders sensibel wären, handle es bei dem Aufklärungsversäumnis der Sicherheitsbehörde um keine Lappalie. In einer Stellungnahme weist sie darauf hin, dass der Testlauf derzeit ohne Rechtsgrundlage stattfinde und daher auszusetzen sei. Die Bundespolizei müsse zunächst von den rund 300 freiwilligen Teilnehmern eine erneute datenschutzrechtliche Einwilligung einholen.

SPD-Fraktionsvize Eva Högl forderte ebenso den Abbruch des Testlaufs und einen Neustart. Sie äußerte gleichermaßen den Verdacht, dass gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstoßen wurde. „Deshalb sollte dieser Versuch abgebrochen werden und ein neuer Versuch gestartet werden, bei dem es keine Zweifel an seiner ordnungsgemäßen Durchführung gibt“, meinte sie.

Eindeutige Identifizierbarkeit

Kritik übte zudem Stefan Brink, der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz. Er verwies heute darauf, dass der Mensch „einen Teil seiner Unverwechselbarkeit und Einmaligkeit preis (gebe), sei es für ein Unternehmen oder eine Sicherheitsbehörde“. Man müsse sich in Fragen biometrischer Merkmale „im Klaren sein, dass er für den Rest seines Leben weltweit eindeutig identifiziert werden kann“.

Inzwischen hat die Bundespolizei eingeräumt, dass sie Bluetooth-Transponder mit iBeacon-Funktion ausgegeben hat. Ein Sprecher klärte jedoch auf, die Empfangsgeräte am Bahnhof wären so konfiguriert, dass sie die Daten nicht aufnehmen. Auch habe man die Beschleunigungsssensoren in den kleinen Geräten, die alle Versuchsteilnehmer in der Tasche tragen sollen, deaktiviert.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière schloss sich der Aussage an und hat die Kritik zurückgewiesen. Er sehe „überhaupt keinen Grund, jetzt diesen Test abzubrechen“, denn Voßhoffs Bedenken beruhten auf unzutreffenden Informationen des Internetverbandes. Der Transponder diene nur dazu festzustellen, ob es sich um eine Testperson handele. An anderen Informationen bestehe kein Interesse. Und die Transponder seien entsprechend inaktiv geschaltet worden: „Ich möchte darauf hinweisen, dass die Datenschutzbeauftragte im Vorhinein damit einverstanden war und wegen der Freiwilligkeit keine Bedenken hatte. Sie hat auch angeregt, die Testpersonen nochmal um eine zusätzliche Einwilligung zu bitten – das prüfen wir jetzt. Ich glaube nicht, dass das notwendig ist, jeder kann aussteigen. Aber meines Erachtens beruhen diese Bedenken auf einer fehlerhaften Vorinformation, als würde der Transponder mehr Informationen speichern, als er tatsächlich speichert“, meinte de Maizière heute beim Ortstermin.

Bildquelle: PublicDomainPictures, thx! (CC0 Public Domain)

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Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.