Proton ist 2024 regelrecht von behördlichen Anfragen nach Angaben ihrer Nutzer geflutet worden. Das liegt nicht nur an ihrem Wachstum.
Proton erhielt laut dem neuen Transparenzbericht im Jahr 2024 die Rekordzahl von 11.023 «legal orders» bzw. «rechtlichen Anordnungen». Das sind rund 72 Prozent mehr als im Jahr 2023! In den drei Jahren zuvor stagnierte die Anzahl der Anfragen zwischen 6.000 und 7.000 Stück pro Jahr. Wie der Schweizer Jurist Martin Steiger hervorhebt, sei die Anzahl der «rechtlichen Anordnungen» in den Jahren 2020 und vorher jedes Jahr stark gewachsen. Der Anbieter ist bekannt für seine Online-Dienste Proton Mail, Proton VPN und Proton Drive, die auch in Deutschland viele Menschen in Anspruch nehmen.
Proton kassiert Gebühren für behördliche Anfragen pauschal
2018 waren es noch 340 Stück, im Jahr 2019 bereits 1.594 «Anordnungen» und erreichte im Jahr 2020 die Zahl von 3.767 behördlicher Auskunftsanfragen. Steiger vermutet, der starke Anstieg liegt unter anderem daran, weil die Kosten nur noch pauschal abgerechnet werden. Zuvor wurde eine Gebühr pro Anfrage fällig. Zudem ist die Anzahl der Nutzer der drei Dienste in den letzten Jahren angewachsen.
Bisher keine Weitergabe verschlüsselter Daten
Von Zeit zu Zeit ist Proton gesetzlich dazu verpflichtet, bestimmte Benutzerinformationen an die Schweizer Behörden weiterzugeben. Dies kann geschehen, wenn der Verdacht besteht, dass der Nutzer gegen Schweizer Recht verstoßen hat. Alle E-Mails, Dateien und Einladungen seien aber verschlüsselt, heißt es im Transparenzbericht. Derartige Daten könne man nicht unverschlüsselt weitergeben.
Gemäß Artikel 271 des Schweizer Strafgesetzbuches darf Proton keine Daten direkt an ausländische Behörden übermitteln, weshalb man alle Anfragen ausländischer Behörden ablehnt. Die Schweizer Behörden sind aber ausländischen Behörden von Zeit zu Zeit bei Anfragen behilflich, sofern diese im Rahmen internationaler Rechtshilfeverfahren gültig und als mit dem Schweizer Recht vereinbar sind.
Transparenzbericht fällt sehr dünn aus
Die Angaben im Transparenzbericht der Proton AG sagen allerdings wenig aus. Zwar kann man erkennen, dass 655 Anordnungen angefochten wurden. Doch welche Daten man bei den befolgten Anordnungen weitergegeben hat, führt man nicht aus. Es wäre auch spannend gewesen zu wissen, ob manche der angefochtenen Auskunftsanfragen vor Gericht gelandet sind. Und auch, in wie vielen Fällen man nach einem verlorenen Gerichtsverfahren dann doch Auskunft geben musste. Früher deckte Proton noch auf, aus welchen Ländern die Behörden stammten, die Auskünfte eingeholt haben.
Proton muss eigene Verschlüsselung für Behörden aufheben!
Bisher muss Proton keine Vorratsdatenspeicherung durchführen und auch keine Nutzer identifizieren, was sich aber aufgrund der neuen Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) bald ändern dürfte. Mit der Revision der VÜPF wäre das Unternehmen sogar verpflichtet, zum Wohl der Behörden die eigene Verschlüsselung zu entfernen.
Die Schweizer „Überwachungsverordnung„, wie Kritiker sie bezeichnen, gilt für alle Unternehmen mit mehr als 5.000 Nutzern. Proton fällt natürlich darunter. Aber auch andere Anbieter wie beispielsweise Swisscows und viele mehr, die neben ihrer eigenen Suchmaschine ebenfalls Cloud-, Mail- und VPN-Dienste anbieten. Bislang galt die Schweiz in Sachen Datenschutz als sicherer Hafen, das ist dann mit Sicherheit vorbei.
Rechtsanwalt Martin Steiger bemängelt, Proton hätte schon häufiger angekündigt, die Schweiz verlassen zu wollen. Das wäre aber nie geschehen. Die Frage wäre auch wohin, weil auch die EU immer mehr Gesetze für eine Ausweitung der staatlichen Überwachung plant.
Möglicherweise ist die Angelegenheit der Proton AG insgesamt nicht sonderlich wichtig. Der Anschein könnte entstehen, weil es dem Unternehmen die Mühe bislang nicht wert war, auch den deutschsprachigen Transparenzbericht mit den aktuellen Daten zu versehen. Dort findet man noch die Angaben aus dem Jahr 2023.