Cinema, Filmrolle
Cinema, Filmrolle
Bildquelle: pxfuel

kiste.to im Interview: „Wenn sie uns erwischen, ist es vorbei!“

Wir sprechen mit dem Admin des illegalen Streaming-Portals kiste.to über die Probleme der Filmwirtschaft und vor was er im Detail Angst hat.

Das offensichtlich rechtswidrige Portal kiste.to hat nicht mit der Kinokiste und seinen Klonen gemeinsam. Allerdings ist der Mann im Hintergrund auch schon sehr lange im Geschäft und kennt den digitalen Graubereich wie seine Westentasche. Eigentlich hatte er von diesem Business schon seit längerer Zeit die Nase voll.

Doch schließlich hat er sich dazu durchgerungen, seine selbst gewählte Pause zu beenden, um sein Portal im Idealfall an die Spitze der illegalen Anbieter zu führen. Wir haben ihn dazu kürzlich eingehend befragt.

Wie ist es ursprünglich zur Gründung von kiste.to gekommen? Mit welcher Motivation betreibst Du diese Seite?

kiste.to: Mich als Betreiber hat es geärgert, dass die Streaming-Anbieter nicht alles im Angebot haben. Beispielsweise bei einem Streaming-Anbieter gibt es keine Marvel- und Disney-Filme, sondern nur koreanische Serien. Bei anderen Streaming-Anbietern gibt es keine alten Filme von vor 20 oder 30 Jahren und so weiter.

Die Segmentierung der Streaminganbieter und die nervigen Popups auf den illegalen Streamingseiten, sowie das Fehlen von exklusiven Streaminghostern, das alles brachte mich schließlich auf die Idee, eine eigene Streamingseite zu erschaffen.

kiste.to wendet sich explizit an das deutschsprachige Publikum

Lars „Ghandy“ Sobiraj: Worauf liegt der Fokus von kiste.to? Dort gibt es Spielfilme, einzelne Serien und viele Animes und sogar vereinzelt Dokumentationen.

kiste.to: Der Fokus liegt darauf, dass die Seite nur deutschsprachige Filme und TV-Serien listet. Wir versuchen möglichst, unser Archiv komplett zu machen. Im Moment werden die Werke wie am Fließband hochgeladen. Es sind einfach zu viele, um zu zählen. Das bedeutet, dass wir ausschließlich Mitschnitte mit deutschem Ton hochladen, um sie für unser Publikum zugänglich zu machen.

kiste.to

Geplant ist es auch, einen kleinen Ableger speziell für asiatische Versionen der Seite zu erstellen. Also wo auch Anime mit beispielsweise japanischem Ton oder asiatische TV-Serien mit z.B. koreanischer Sprache, aber mit deutschen Untertitel versehen werden. Gemeint sind exotische Werke, die nicht von Deutschland, Europa oder aus den USA etc. stammen.

Tarnkappe.info: Für einige Personen wäre das dennoch interessant. Wie hast Du Dich eigentlich vor einer Aufdeckung geschützt, oder kannst Du darüber nicht öffentlich sprechen?

kiste.to: Wir verwenden eigene VPN-Server* und lassen uns verschiedene Strategien einfallen, um uns zu schützen. Unter anderem achten wir darauf, dass eine Session nicht doppelt verwendet wird, zum Beispiel die IP-Adresse mit einer anderen Seite. Es ist bekannt, dass Ermittlungsbehörden beispielsweise bei Apple oder Facebook nachfragen, wer zuletzt bei ihnen unter einer bestimmten IP-Adresse oder E-Mail-Adresse unterwegs war.

„Wenn sie uns erwischen, ist es vorbei!“

Ja, das war bei KickassTorrents der Fall. Du hast Werke von RTL und von mehreren Anime-Produktionsgesellschaften im Angebot. Hast Du bei solchen Rechteinhabern keine Angst vor einer Offenlegung Deiner Identität?

kiste.to: Wenn sie uns erwischen, ist es vorbei. Ich habe mir das ganz bewusst überlegt und mich für diesen Weg entschieden, da es keine andere Möglichkeit in der jetzigen Situation gibt.

Das klingt ernst. Mit welchen Streaming-Hostern arbeitest Du eigentlich zusammen? Welche kannst Du anderen Portalbetreibern empfehlen? Wie schaut es bei den Auszahlungen aus, kommt dabei überhaupt etwas herum?

kkiste.to
kiste.to hat nichts mit der kkiste zu tun.

kiste.to: Wir hosten unsere Inhalte auf Servern außerhalb der USA und der EU, wie beispielsweise auf Alexhost*, die groß anpreisen, dass sie „uns“ (Online-Piraten) beschützen. Wir zahlen auch ganz anonym mit Kryptowährungen und verstecken uns hinter dem eigenen VPN, der speziell dafür eingerichtet ist.

Momentan kann man die Werke nur dann kommentieren, wenn man sich bei Disqus angemeldet hat. Woran liegt es, dass man nicht ohne Anmeldung kommentieren kann? Wird die Seite sonst von Spam überflutet?

kiste.to: Viele internationale Websites nutzen Disqus als Kommentarsystem für ihre Websites. Eigentlich hatten wir ein eigenes Kommentarsystem sowie Watchlisten und ein Userlogin-System geplant. Aber das ist im Moment etwas kompliziert.

Filmgenuss ohne lästige Werbung oder Schadsoftware

Nun ja, ich würde sagen, einen US-Dienst einzusetzen, der auf Anfrage alle Daten an die Behörden weitergibt, das kann man nicht skeptisch genug betrachten. Wie kam es eigentlich zu der mehrwöchigen Pause, als die Website plötzlich nicht mehr erreichbar war?

kiste.to: Der Betrieb einer solchen Seite ist mit großen Risiken verbunden und so war ich hin- und hergerissen zwischen Zweifeln, aber nach vielen positiven Rückmeldungen von Beta-Nutzern habe ich mich doch entschlossen, weiterzumachen. Vor allem wenn man bedenkt, dass die bekannten Streaming-Seiten mit tausenden von Popups und Malware-Scripts übersät sind.

kiste.to setzt keine externen Streaming-Hoster ein

Das ist auf eurer Seite glücklicherweise wirklich ganz anders. Was machst Du sonst noch anders als die Konkurrenz? Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal?

kiste.to: Wir benutzen keine Müll-Hoster. Selbst wenn wir externe Streaminghoster nutzen würden, könnten diese unsere Qualitätsansprüche nicht erfüllen, da wir sehr hohe Qualitätsansprüche haben und unsere Videos sogar selbst konvertieren. Wir erstellen für jedes Produkt Untertitel und halten die Produktinformationen zu den Filmen und Serien auf einem sauberen Stand.

Dfekt, Crimsonpirate, pirat, kiste.to
Pirates of the internet. Grafiker Dfekt, thx!

Zum Beispiel besteht eine Serie oder ein Film oft aus mehrspurigen Tonspuren, zwischen denen der Besucher wählen kann. Oder es gibt mehrspurige Untertitel, wie Englisch oder so, damit der Zuschauer im Ausland Deutsch lernen kann.

Admin von kiste.to: „Ich halte mich im Internet lieber bedeckt.“

Genau, oder anders herum. Welche Webseiten oder Foren besuchst Du regelmäßig, die mit der Szene zu tun haben?

kiste.to: Ich besuche keine speziellen Webseiten, aber ich treibe mich gerne in IRC-Netzwerken herum, das ist ein Chat-Protokoll, das zu Zeiten der Armee entwickelt wurde, als das Internet noch in den Kinderbetten lag.

Das ist der Grund, warum ich mich aus Angst vor einer Enthüllung bedeckt halte.

Ja, das stimmt. Die ersten IRC-Channel gingen schon im Jahr 1993 online. Gibt es ein oder mehrere bekannte Vorbilder aus dem Graubereich, an denen Du Dich orientierst? Du bist ja schon länger dabei und konntest die Szene im Laufe der Jahre recht gut beobachten.

Unser Vorbild ist kino.to

kino.to

kiste.to: Unser Vorbild war kino.to beziehungsweise dessen inoffizieller Nachfolger kinox.to. Das sieht heutzutage aber „altbacken“ aus. Wir wollen versuchen, ihre Webseite zu ersetzen.

Dann habt ihr euch ja Großes vorgenommen. Aber mal was anderes: Was für Filme oder Serien schaust Du Dir denn gerne privat an? Hast Du Deine Vorlieben in die Arbeit einfließen lassen?

kiste.to: Ich habe keine persönlichen Präferenzen.

Wie viele Personen helfen Dir denn momentan beim Upload der Werke? Wie viele Uploader braucht man denn eigentlich für den Betrieb einer solchen Seite? Es kommen ja täglich neue Filme und Episoden von TV-Serien heraus.

kiste.to: Bei Kiste gibt es keine „Uploader“. Also keine externen Personen, die uns helfen. Kiste.to hat ein eigenes „KI“-Programm, das ich hierfür entwickelt habe. Die „KI“ kümmert sich um alles, von der Annahme des Releases aus Szenequellen, dem Download, dem Prüfen von Daten und das automatisierte Entpacken. Das geht bis hin zum Hochladen und Eintragen des Werkes auf der Seite. Das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal unserer Website.

Was allerdings die Untertitel betrifft, diese können wir nicht automatisieren. Sie liegen oft im Bluray-Untertitelformat vor. Somit müsste man sie manuell in ein spezielles Untertitelformat für das Web umwandeln, da die OCR (Texterkennung) auch ab und zu deftige Fehler produziert.

Portal soll im Idealfall durch Spenden finanziert werden

Momentan ist dort gar keine Werbung zu sehen, wie willst du die Seite künftig finanzieren?

kiste.to: Momentan sind zwei unterschiedliche Wege geplant.

1) Die notwendigen Infrastrukturkosten sollen durch Spenden gedeckt werden.
2) Wenn das nicht ausreicht, müssen wir leider wieder auf Popup-Werbung zurückgreifen.

Tja, dann werdet ihr am Thema Werbung nicht vorbeikommen, wie es aussieht. Online-Piraten sind ja bekanntlich sehr zurückhaltend beim Thema Spenden. Wie sollen die Spenden euch eigentlich erreichen? Via Patreon oder lieber über eine Kryptowährung?

patreon
Patreon (Logo)

kiste.to: Wir setzen ausschließlich auf Kryptowährungen wie Bitcoin, Etherneum, Litecoin und Monero. Dazu achten wir auch darauf, dass die Gelder direkt an die Serverbetreiber für die nötigen Infrastrukturkosten gehen. Das zu bezahlen, ist ein heißes Eisen, was wir persönlich lieber nicht anfassen wollen.

Wie schützt Du die Website vor DDoS-Angriffen, oder gab es diesbezüglich noch keine Probleme?

kiste.to: Derzeit gibt es keine Probleme und wenn doch, dann bietet uns Alexhost* den eigenen DDoS-Schutz an. Sie haben ja bei euch im Interview angekündigt, wie großartig ihr Anti-DDoS-Angebot sein soll.

Wir haben keine Angst vor den Internet-Sperren der CUII

Nun ja, mal abwarten, ob sich das in der Form bewahrheiten wird. Wie bewertest Du die bisherige Tätigkeit der CUII? Hast Du keine Angst, dass man Dein Online-Projekt irgendwann auch mit DNS-Sperren überziehen wird?

cuii

kiste.to: Wir sind sicher, dass der durchschnittliche Benutzer schlau genug ist, seine eigenen DNS-Server zu konfigurieren, um die DNS-Sperren zu umgehen. Dazu gibt es unzählige Anleitungen auf Youtube und bei Wiki-Seiten.

Ein VPN zu nutzen*, wäre natürlich nicht kostenlos. Aber es wäre ohne Frage dennoch eine Alternative. Welche legalen Streaming-Anbieter nutzt Du eigentlich daheim? Was würdest Du sagen, müsste die Content-Industrie tun, um wieder mehr Piraten zu zahlenden Kunden zu konvertieren?

kiste.to: Alle schlagen sich die Köpfe ein und wollen immer mehr Gewinn machen, die Produzenten und Rechteinhaber ebenfalls. Immer höhere Umsätze, jeder will immer mehr Geld verdienen. Ehrlich, dazu kann ich keine Vorschläge oder weitere Meinungen abgeben.

kiste.to
Screenshot von kiste.to (Ausschnitt).

Wenn auch in den osteuropäischen Staaten die Piraten gejagt werden, ist für uns Schluss!

Wie lange bleibt die Seite online? Was hast Du für Dich in 10 oder 20 Jahren geplant? Wo wirst Du dann sein, womit wirst Du dann Dein Geld verdienen?

kiste.to: Gelingt es der Content-Industrie auch in der Ukraine oder Moldawien, die Kontrolle über die Webhoster zu erlangen, was auf Außenstehende regelrecht wie ein Überfall wirken würde, dann ist wohl Schluss.

Dazu meine ich, dass wir die Gerichtsbeschlüsse von Moldawien befolgen werden, wenn es ernst für uns oder Alexhost wird. Nun, sie haben neulich groß damit geworben, wie toll ihr Angebot ist und wie stolz sie darauf sind, die Piraterie-Kunden effektiv vor der Content-Industrie zu schützen.

Da es der ACE kürzlich sogar gelungen ist, die Regierung von Vietnam unter Druck zu setzen, um den dortigen Online-Piraten den Garaus zu machen, werden die Tage der bösen Copyright-Verletzer und ihrer Helfershelfer in den osteuropäischen Nationen sicher auch bald gezählt sein. Dabei dürfte es dann wohl auch keine übergeordnete Rolle mehr spielen, ob die jeweiligen Länder der EU beitreten werden oder nicht. Oder?

Aber gut, warten wir es ab. Dir auf jeden Fall vielen Dank für die ausführliche Beantwortung der vielen Fragen!

(*) Alle mit einem Stern gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du über diese Links Produkte oder Abonnements kaufst, erhält Tarnkappe.info eine kleine Provision. Dir entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wenn Du die Redaktion anderweitig finanziell unterstützen möchtest, schau doch mal auf unserer Spendenseite oder in unserem Online-Shop vorbei.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.