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Russische Kinos: 127 Kinobetreiber zeigen Raubkopien

Immer mehr russische Kinos zeigen Raubkopien der neuesten Filme, um sich selbst vor dem wirtschaftlichen Bankrott zu schützen.

Russlands Kinoindustrie ist derzeit ein Paradebeispiel dafür, wie sich die russische Invasion in der Ukraine auf sämtliche Industriezweige auswirkt. 127 russische Kinos zeigten in der vergangenen Woche Raubkopien der neuesten Filme. Nicht weil sie nicht anders wollen, sondern weil sie einen Kampf um das nackte Überleben führen.

Rund fünf Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine, sind die Folgen der Blockade des Westens für die russische Wirtschaft verheerender denn je. Zehntausende haben bereits mit dem Leben bezahlt. Millionen sind Flüchtlinge. Ausländische Firmen haben sich zurückgezogen. Der Zugang zu SWIFT wurde gesperrt und mehrere hundert Milliarden US-Dollar an Währungsreserven wurden eingefroren. Doch so verheerend diese Konsequenzen auch sind, treffen sie denjenigen am wenigsten, den sie eigentlich treffen sollten: Wladimir Putin.

Russlands Kinoindustrie kämpft ums Überleben

Es mag zunächst klingen, wie ein schlechter Film. Schließlich sind Raubkopien in Zeiten von Netflix & Co. bei weitem nicht mehr so attraktiv, wie noch vor 15 Jahren. Doch die russische Wirtschaft ist mittlerweile so gut wie abgekapselt vom Rest der Welt. Und bevor ein russisches Kino gar nichts zeigt und daran zugrunde geht, entscheiden sich immer mehr Kinobetreiber dafür, neueste Filme von einer Torrent-Seite herunterzuladen, um sie dann im eigenen Kino auszustrahlen.

Verband der Kinos mit illegalen Vorführungen einverstanden

Nachdem Hollywood den Stecker gezogen hat, sehen russische Kinobetreiber offenbar keine Alternative mehr zu dieser Vorgehensweise. Schließlich machten Hollywood-Filme ursprünglich rund 70% aller Vorstellungen in russischen Kinos aus. Ein ziemlich großes Stück vom Kuchen, das nun fehlt. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Schaden für die Kinoindustrie durch den Ukraine-Krieg bereits jetzt größer ist, als der Schaden, der durch die Coronakrise verursacht wurde.

Darauf hatte die Russische Vereinigung der Kinobesitzer (AVC) nur eine Antwort: Sie entschied sich die UNIC, den internationalen Dachverband der Kinobetreiber Europas, zu verlassen. Laut Pressemitteilung führte die AVC Sanktionen, anti-russische Rhetorik, sowie Hollywoods Weigerung Filme zu liefern, als Gründe für den Ausstieg an.

Kinopiraterie wächst exponentiell

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Noch vor vier Wochen lag die Anzahl der Kinos, die Raubkopien ausstrahlten, gerade mal bei 16. Nun ist diese Zahl auf 127 angestiegen. Und sie wächst laut dem AVC-Vorsitzendem Alexei Voronkov rasant weiter. Der Rückgang des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes liegt im Vergleich zu 2021 bei 72%.

37% aller Kinohallen haben in der vergangenen Woche keine einzige Vorführung gezeigt. Bis August rechnet Voronkov sogar mit einem Anteil von 50% geschlossener Kinosääle. Er ist sich sicher, dass viele Kinobetreiber diese Situation nicht überstehen und die Pforten für immer schließen müssen.

Obwohl die russische Regierung eine finanzielle Unterstützung für die Branche zugesagt hatte, kam bisher nichts dergleichen bei den Kinobetreibern an. „Ich kann nicht einmal Kinos beschuldigen, die sich jetzt eine Torrent-Vorführung gönnen“, sagte der AVC-Vorsitzende. Die Behörden haben offenbar bisher nicht die Absicht, derartige Vorführungen zu stoppen.

Wie viel Kino bleibt Russland noch?

Wenn es den Kinobetreibern dabei hilft, zu überleben, mag Filmpiraterie einen gewissen Nutzen für diejenigen haben, die gerade unter der wirtschaftlichen Anspannung in Russland besonders zu kämpfen haben. Doch all das täuscht nicht darüber hinweg, welche massiven Schäden dadurch für die gesamte Filmindustrie entstehen. Selbst wenn sich die Situation in der Ukraine wieder normalisiert, bleibt letztendlich eine schmerzhafte Frage im Raum stehen. Wird es dann noch Kinos in Russland geben, in denen echte Filme gezeigt werden können?

Über

Marc Stöckel hat nach seiner Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und einem Studium im Bereich der technischen Informatik rund 5 Jahre als Softwareentwickler gearbeitet. Um seine technische Expertise sowie seine Sprachfertigkeiten weiter auszubauen, schreibt er seit dem Sommer 2022 regelmäßig Artikel zu den Themenbereichen Software, IT-Sicherheit, Datenschutz, Cyberkriminalität und Kryptowährungen.