Mit Steam gegen Chinas Porno-Zensur

Ausgerechnet Steam bietet eine Möglichkeit, Pornos in China an der Zensur vorbeizuschleusen. Die Behörden schauen weg - aber wie lange noch?

In Sachen Sexualmoral versteht die Führung Chinas, der weltweit größten Cyberdystopie, keinen Spaß. Spielercharaktere sind verboten, wenn sie „effeminiert“ sind. Woran sie das messen, bleibt ein Geheimnis der Zensoren. Über Homosexualität spricht man in China nicht. Prostitution ist dort genauso verboten wie Pornografie. Millionen Menschen hält das nicht davon ab, ihren Lebensunterhalt mit Sex zu verdienen.

Auch das Interesse an Pornos ist groß. Aber wie können User einschlägiges Material an der Zensur vorbeischleusen? Das ist kein einfaches Unterfangen, denn die technischen Maßnahmen der Great Firewall sind sehr ausgefeilt. Aber: Ihr steht die Schwarmintelligenz von über einer Milliarde Menschen entgegen, und die können sehr kreativ sein.

Großer Beliebtheit scheint sich in Festland-China die Wallpaper Engine zu erfreuen, eine App auf der Spieleplattform Steam. Das von zwei deutschen Entwicklern erstellte Programm soll eigentlich die langweiligen Hintergrundbilder des Betriebssystems durch animierte ersetzen.

Laut einem Bericht der MIT Technology Review verwenden User genau diesen Mechanismus, um sich Erotica und Pornos aufs Desktop zu ziehen. Etwa 7,5% der über anderthalb Millionen Community-Angebote, die man abonnieren kann, seien sexuellen Inhalts. Meistens handle es sich um Animecharaktere in aufreizenden Posen. Bei meiner Stichprobe (no pun intended) finde ich eher Erotica als explizit pornografisches Material – auch eine Methode, die Grenzen der Zensur auszutesten. Nicht nur in China ist die App dafür populär: Der sehr geringe Preis liegt unter dem, was die meisten Abonnements anderer einschlägiger Internetangebote kosten dürfen.

Wie lange schaut die Zensur in China auf Steam noch weg?

Wu Gan, China, Große Firewall

Seit letztem Jahr muss man in China VPN-Dienste verwenden, um bestimmte Angebote auf Steam nutzen zu können. Ansonsten bleibt nur das streng zensierte Steamchina, das aber auch nur geduldet wird. Das schürt die Furcht, die Zensurbehörde könnte den Zugang zur Wallpaper Engine auf Steamchina oder jeglichen Zugang zum Anbieter insgesamt sperren. Da die Spieleplattform eine der wenigen Möglichkeiten ist, überhaupt noch mit Menschen jenseits von China in Kontakt zu bleiben, wäre das nicht nur für Liebhaber von Pornos ein schwerer Schlag. Auch der Hersteller von Steam selbst könnte die Wallpaper Engine aus dem Online-Angebot verbannen.

Chinesische User berichten davon, dass Steam-Moderatoren bereits Inhalte für die Wallpaper Engine gelöscht haben. Welcher Natur sie waren, ist unklar. Sie bitten einander, das Thema nicht an die große Glocke zu hängen, um die Zensurbehörde nicht darauf aufmerksam zu machen.

Bleibt die Frage, wie die Wallpaper Engine überhaupt so lange unter dem Radar der Zensurbehörden Chinas laufen kann. Und auch, wie lange das noch der Fall ist. Dass eine so simple App ein Dauerbrenner in den Steam-Charts und deshalb eine Untersuchung wert ist, hätte ihnen ja mal auffallen können. In den Reviews der Wallpaper Engine, von denen immerhin 200.000 in Chinesisch sind, müsste auch dem fantasielosesten Paragrafenhengst klarwerden, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Angebots NSFW ist. Vielleicht möchten aber auch Angestellte staatlicher Zensur ihre Quelle von Pornos nicht versiegen lassen. Die sind schließlich auch nur Menschen mit natürlichen Bedürfnissen.

Bei Pornos Vorsicht walten lassen

Die Wallpaper Engine hat aber auch ihre Schattenseiten. Die Software scheint nicht immer stabil zu laufen. „Verursache einen fatalen Fehler oder 128 Warnungen im Editor“ ist ein Achievement, das immerhin ein Drittel der User erreicht haben. Es gibt auch abseits Chinas einige Sicherheitsbedenken. So warnen User in den Reviews vor Malware, dem hohen Suchtpotenzial und der Gefahr, dass Freunde auf Steam die Subscriptions sehen.

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Walze staatlicher Zensur auch die Wallpaper Engine plattgemacht hat. Bis dahin wünschen wir den Nutzern mit der App viel Vergnügen.

Über

Lofi ist gelernter Informatiker, hat einen Brotjob als Sysadmin und lebt schriftstellerische Triebe als freiberuflicher Texter aus. Dabei interessiert er sich hauptsächlich für IT-Sicherheit, Repression und Piraten (auch die echten mit Augenklappe und Holzbein).