face recognition
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Bildquelle: Pete Woodhead (CC BY 2.0)

Clearview AI erweitert Zugriff auf Datenbank

Die umstrittene Gesichtserkennungssoftware Clearview AI gibt nun ihre Informationen auch an Strafverteidiger und Staatsanwälte weiter.

Wie die New York Times berichtet, will Clearview AI seinen Datenpool jetzt deutlich mehr Personen zur Verfügung stellen. Bisher war die Nutzung des Tools weitgehend auf Strafverfolgungsbehörden beschränkt. Aber das Unternehmen plant nun, auch Strafverteidigern und Staatsanwälten Zugang zu ihrer gigantischen Datenbank zu gewähren. Natürlich nicht umsonst, versteht sich.

Reiner PR-Gag oder ausgleichende Gerechtigkeit?

Laut dem Geschäftsführer Hoan Ton-That würde das neuerliche Vorgehen dazu beitragen, „die Waage der Justiz auszugleichen“. Kritiker des Unternehmens sind jedoch skeptisch angesichts der rechtlichen und ethischen Bedenken, die die disruptive Technologie von Clearview AI einsetzt. Erst im Mai hatte man angekündigt, den Zugriff zu erweitern. Nun dürfen neben diversen Behörden zum Beispiel auch Firmen zur Kreditvergabe und Schulen die gesammelten biometrischen Daten nutzen. Übrigens wird das Tool sogar im Ukraine-Krieg aktiv eingesetzt.

Das kalifornische Unternehmen hat ungefragt Milliarden von Gesichtern aus sozialen Medien wie Facebook, LinkedIn und Instagram und anderen Teilen des Internets entnommen. Sie entwickelten daraus eine App, die versucht, jedes öffentliche Foto einer Person, das online existiert, aufzuspüren. Nach Medienberichten sollen sie dafür sogar Hilfe aus dem extrem rechten politischen Lager erhalten haben.

Jedes Gesicht wird mit denen von Tatverdächtigen abgeglichen

Clearview AI

Kritiker bezeichnen die hilfsbereite Geste als „PR-Gag„, um dem gemeinhin negativen Ruf entgegen zu wirken. Bürgerrechtler vertreten die Meinung, dass die umfangreiche Fotodatenbank von Clearview die Privatsphäre verletzt, weil die Bilder, obwohl sie im Internet öffentlich zugänglich sind, ohne die Zustimmung der Betroffenen gesammelt wurden.

Zudem werden sie ohne jegliche Genehmigung der Betroffenen kommerziell verwertet und Behörden übermittelt. Die Menschen wissen oftmals nicht einmal, dass man mit ihren biometrischen Daten Geld jede Menge Geld verdient. Pro Jahr kostet der Zugang zu Clearview AI 2.000 US-Dollar.

Zugriff auf Clearview AI kostet jährlich 2.000 USD

Datenschützer warnen, somit würde man Millionen gesetzestreuer Bürger ständig den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden aussetzen, weil ihre Gesichter tagtäglich mit denen von Tatverdächtigen abgeglichen werden.

Clearview AI war bereits Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Die Datenbank haben Gerichte in Kanada, Australien, Großbritannien, Frankreich, Italien und Griechenland für illegal erklärt. In Europa muss das Unternehmen Geldstrafen in Höhe mehrerer Millionen US-Dollar bezahlen. In Italien waren es im Februar 2022 alleine 20 Millionen Euro wegen dem massiven Verstoß gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften. Die italienische Regierung wies die Firma zudem an, alle Daten von den Servern zu löschen.

Clearview AI

Clearview AI bewahrte einen Unschuldigen vor Gefängnisstrafe

Doch es gibt auch positive Aspekte. So bewahrte die umstrittene Gesichtserkennungs-App einen Unschuldigen davor, für 15 Jahre ins Gefängnis zu wandern. Man warf ihm vor, den tatsächlichen Fahrer des Autos im Verlauf eines Unfalls getötet zu haben. Sein Freund, der aus dem Auto geschleudert wurde, starb am Straßenrand. Ein unbekannter Helfer hatte den verletzten Beifahrer aus dem brennenden Auto gerettet.

Doch der Augenzeuge war hinterher dummerweise nicht auffindbar, um die Unschuld des Mannes zu bezeugen. Daraufhin kontaktierte sein Anwalt die Betreibergesellschaft von Clearview AI, um seinen Klienten frei zu bekommen. In der Clearview-Datenbank fand der Jurist ein Foto des Augenzeugen in einem Club. Über eine andere Person, die im Club ebenfalls zu sehen war, konnte man den Namen des zuvor anonymen Samariters ausfindig machen. Dieser konnte dann bezeugen, wer am Steuer saß und wer nicht. In der Folge wurde Andrew Grantt Conlyn freigesprochen.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.