Clearview AI weitet den Verkauf seiner Gesichtserkennungssoftware auf weitere Unternehmen, wie ein Kreditvergabe-Start-up oder Schulen, aus.
Clearview AI erweitert den Verkaufsbereich seiner umstrittenen Gesichtserkennungs-Tools. Nach der erst kürzlich herben Kritik aus Großbritannien, will das Unternehmen nunmehr nur noch solche Daten verwenden, die angeblich mit Erlaubnis der Betroffenen gesammelt wurden. Darüber berichtete Reuters.
Mittels Gesichtserkennungssoftware zu realen Identitäten
Clearview AI ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in New York City. Die Firma hat sich mittels sehr großer Bilddatenmengen und maschinellem Lernen auf die Gesichtserkennung mit Computersystemen spezialisiert. Unter Einsatz selbst entwickelter Software kann man Menschen durch deren Gesichtsmerkmale innerhalb nur weniger Sekunden erkennen.
Dabei greift die Datenbank immerhin inzwischen auf mehr als 20 Milliarden Bilder zu, die das Unternehmen von Personen aus öffentlich zugänglichen Quellen im Internet, wie Facebook oder YouTube, durch Screen Scraping gesammelt hat. Diese Fotos verwendet Clearview, um sein Tool zu trainieren. Reuters verwies darauf, dass die Firma dabei gute Noten hinsichtlich der Genauigkeit der Trefferquote erntete. US-Investor Peter Thiel, der unter anderem das Datenanalyseunternehmen Palantir finanziell unterstützte, hat auch dieses Projekt bezuschusst.
Clearview AI verstößt gegen Datenschutzgesetze: Großbritannien fordert 8,9 Millionen Euro Geldstrafe
Erst jüngst hat das Vereinigte Königreich Clearview zu Geldstrafen verurteilt, weil das Unternehmen durch das Sammeln von Online-Bildern ohne Zustimmung gegen Datenschutzgesetze verstoßen hat. Das Unternehmen haben zudem Aufsichtsbehörden in Frankreich, Italien und Australien mit Geldstrafen belegt. Das britische Information Commissioner’s Office (ICO) forderte von der US-Firma eine Geldstrafe in Höhe von 7.552.800 Pfund (rund 8,9 Millionen Euro).
Aufforderung zu Daten-Löschung
Die britische Aufsichtsbehörde hat Clearview außerdem in einer Vollstreckungsmitteilung aufgefordert, alle Daten zu löschen, die es über Einwohner des Vereinigten Königreichs gesammelt hat und zudem künftiges Datensammeln diesbezüglich untersagt. Der britische Informationskommissar John Edwards bezeichnete die Operationen von Clearview als „inakzeptabel“, berichtete The Telegraf.
„Clearview AI Inc hat zahlreiche Bilder von Menschen auf der ganzen Welt, einschließlich Großbritannien, von einer Vielzahl von Websites und Social-Media-Plattformen gesammelt und davon eine Datenbank mit mehr als 20 Milliarden Bildern erstellt. Das Unternehmen ermöglicht nicht nur Identifizierung dieser Personen, sondern überwacht ihr Verhalten effektiv und bietet es als kommerzielle Dienstleistung an. Das ist inakzeptabel. Aus diesem Grund haben wir gehandelt, um die Menschen im Vereinigten Königreich zu schützen, indem wir sowohl das Unternehmen mit einer Geldstrafe belegt als auch einen Vollstreckungsbescheid erlassen haben.“
Das Ausmaß der Datensammlung von Clearview hat eine Untersuchung des ICO und seines australischen Äquivalents, des Büros des australischen Informationsbeauftragten, aufgedeckt. Die Untersuchung ergab, dass Clearview auf vielfältige Weise gegen britische Datenschutzgesetze verstoßen hat. Darunter das Fehlen eines rechtmäßigen Grundes, Daten von Einwohnern des Vereinigten Königreichs zu sammeln, diese Daten nicht auf faire und transparente Weise zu verwenden und nicht zu verhindern, dass diese Daten auf unbestimmte Zeit gespeichert werden.
Clearview AI nimmt Stellung
Hoan Ton-That, CEO von Clearview AI, erklärte im Gegenzug, dass er zutiefst enttäuscht sei, dass das ICO seine Technologie und Absichten „fehlinterpretiert“ habe.
„Ich habe die Gesichtserkennungstechnologie entwickelt, die auf der ganzen Welt bekannt ist. Mein Unternehmen und ich haben im besten Interesse des Vereinigten Königreichs und seiner Bevölkerung gehandelt. Wir haben die Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung abscheulicher Verbrechen gegen Kinder, Senioren und andere Opfer skrupelloser Handlungen unterstützt. Wir sammeln nur öffentliche Daten aus dem offenen Internet und halten alle Datenschutz- und Gesetzesstandards ein. Ich bin entmutigt über die Fehlinterpretation der Technologie von Clearview AI gegenüber der Gesellschaft. Ich würde die Gelegenheit begrüßen, mit Führungskräften und Gesetzgebern ins Gespräch zu kommen. Damit würde der wahre Wert dieser Technologie, die sich als so wichtig für die Strafverfolgung erwiesen hat, auch weiterhin für Sicherheit in den Gemeinden sorgen.“
Clearview veröffentlicht die Namen seiner Kunden nicht. Jedoch hat BuzzFeed News berichtet, dass es bisher mit 2.200 Strafverfolgungsbehörden, Unternehmen und Einzelpersonen weltweit zusammengearbeitet habe. Berichten zufolge haben zum Beispiel Macy’s, Walmart, Bank of America und Target den Dienst genutzt. Im Mai 2020 kündigte Clearview an, die Zusammenarbeit mit Nicht-Strafverfolgungsbehörden und Privatunternehmen angesichts der behördlichen Prüfung und potenzieller Klagen einzustellen. Ein Vergleich mit der American Civil Liberties Union verbietet es Clearview, die Social-Media-Funktionen für Firmenkunden anzubieten, gemäß Reuters.
Änderung des Geschäftsmodells
Aktuelle Pläne von Clearview sehen vor, dass man anstelle von Online-Fotovergleichen, Personen mit ID-Fotos und anderen Daten abgleicht, die Kunden mit Zustimmung der Betroffenen sammeln. Das neue, privatwirtschaftliche Angebot ist dazu gedacht, Identitäten für den Zugang zu physischen oder digitalen Räumen zu überprüfen.
Kreditvergabe-Startup und Schulen zeigen Interesse am Gesichtserkennungs-Einsatz
An dem Angebot zeigt beispielsweise Vaale, ein kolumbianisches, auf einer App basierendes Kreditvergabe-Start-up, Interesse. Es gab bekannt, dass es Clearview einsetzen wird, um Selfies mit von Nutzern hochgeladenen ID-Fotos abzugleichen. Geschäftsführer Santiago Tobón betont, dass Vaale auf diese Weise etwa 20 % der Kosten einspart. Er gewinnt an Genauigkeit und Geschwindigkeit, indem er den Rekognitionsdienst von Amazon.com Inc. (AMZN.O) ersetzt.
„Wir können keine doppelten Konten haben und wir müssen Betrug vermeiden. Ohne Gesichtserkennung können wir Vaale nicht zum Laufen bringen.“
Der CEO von Clearview AI, Hoan Ton-That, informierte zudem darüber, dass ein US-Unternehmen, das Besuchermanagementsysteme für Schulen verkauft, ebenso auf ihr System zugreifen möchte. Ton-That beschwichtigt hierbei, dass die Fotodatenbank eines Kunden so lange gespeichert wird, wie er es wünscht. Es würde auch nichts an andere weitergegeben oder zum Trainieren der KI von Clearview verwendet.