Die britische Regieurng plant eine Abschaffung der Rundfunkgebühren für die BBC. Alternative Finanzierungen werden derzeit erwogen.
Kulturministerin Nadine Dorries läutet einen radikalen Umbruch des BBC-Finanzierungssystems ein. Demgemäß gehören Rundfunkgebühren im Rahmen der „Operation Red Meat“ bald der Vergangenheit an. Nadine Dorries eröffnete am Sonntag, „das staatliche Fernsehen hat ausgedient“. Die Regierung werde alternative Modelle, wie Abo-Modelle und eine Teilprivatisierung prüfen. Darüber berichtete The Guardian.
Dorries kündigte an, dass sie die Rundfunkbeiträge bis April 2024 bei 159 Pfund (etwa 190 Euro) pro Jahr halten wolle. Von 2024 bis 2027 sollen die Gebühren im Einklang mit der Inflation noch ein letztes Mal steigen. Im Jahr 2027 sei jedoch damit Schluss. Man will die Gebühren dann ganz abschaffen. Der aktuelle Finanzierungsvertrag für die Rundfunkgebühren läuft im Jahr 2027 aus. Dorries verkündet:
„Diese Ankündigung der Rundfunkgebühren wird die letzte sein. Die Zeiten, in denen älteren Menschen mit Gefängnisstrafen gedroht wurde und Gerichtsvollzieher an die Türen klopften, sind vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, neue Wege der Finanzierung, der Unterstützung und des Verkaufs großartiger britischer Inhalte zu erörtern und zu diskutieren.“
In einer vorausgehenden Diskussion führte Dorries an, die BBC „müsse in der Lage sein, es mit Konkurrenten wie Netflix und Amazon Prime aufzunehmen“. Um das gesamte Vereinigte Königreich zu repräsentieren brauche der Sender „echte Veränderungen“.
Ende der Rundfunkgebühren haben tiefe Einschnitte für BBC zur Folge
Mit den Rundfunkbeiträgen „licence fee“ erzielt der BBC derzeit rund 3,2 Milliarden Pfund (3,83 Mrd Euro) pro Jahr. Nun erwartet man aufgrund der Ankündigung eine starke Kürzung des Programmbudgets sowie einen großen Personalabbau bei einer tatsächlichen Umsetzung der Maßnahmen. Zudem würde es wahrscheinlich das Ende mehrerer Programme und Spartenkanäle bedeuten.
Sobald der Finanzierungsvertrag für die Rundfunkgebühren im Jahr 2027 ausläuft, wird die BBC mit der Regierung über ein völlig neues Finanzierungsmodell verhandeln müssen. Möglichen Optionen wären dabei Abo-Modelle, die Teilprivatisierung oder eine direkte staatliche Finanzierung.
Britische Opposition überhäuft Ankündigung mit Kritik
Die Schattenkultursekretärin von Labour, Lucy Powell, rügt den Premierminister und Frau Dorries,
„versessen darauf zu sein, diese großartige britische Institution anzugreifen, weil sie ihren Journalismus nicht mögen. Der britische Rundfunk und unsere Kreativwirtschaft sind auf der ganzen Welt bekannt und sollten im Herzen des globalen Großbritanniens stehen.“
Jamie Stone, Kultursprecher der Liberaldemokraten, verweist darauf, das Einfrieren der Lizenzgebühr sei eine „heimliche Kürzung von fast 2 Milliarden Pfund“. Diese würde die Dienste gefährden. „Die Regierung muss diesen rücksichtslosen ideologischen Kreuzzug stoppen und sich von unserer BBC zurückziehen.“
Soll Ankündigung vom „Partygate“-Skandal ablenken?
Britische Medien verweisen darauf, dass die Ankündigung einer Ablenkungsmaßnahme von Premierminister Boris Johnson gleichkäme, um von seinen Affären rund um Partys in seinem Regierungssitz in der Downing Street während des Corona-Lockdowns abzulenken. Wegen dem „Partygate“-Skandal stehe der Premier seit Wochen schon unter enormen Druck.
Verteidiger der Rundfunkgebühren argumentieren, ein Wechsel zu einem Abonnementmodell im Netflix-Stil würde die BBC zwingen, Abonnenten zu bedienen, anstatt universell zu sein.
Aber auch in den Twitter-Kommentaren auf die Ankündigung hagelte es Kritik. So schrieb Paul Karmichael:
„Die BBC bietet Behindertenprogramme, Programme in walisischer/gälischer Sprache, stellt Bildungsressourcen für Schulen und Hochschulen bereit und unterhält das Freeview-Sendernetz. Wie machen sie weiterhin diese Dinge, die nach Ihrem Modell nicht rentabel sind?“
Andererseits berichtet Deutschlandfunk:
„Viele Bürgeinnen und Bürger klagen über die Höhe der Rundfunkgebühren, so Korrespondentin Heuer. Gerade junge Mediennutzer würden sich fragen, warum sie für einen Sender bezahlen sollten, den sie gar nicht einschalteten. Aber auch inhaltlich gebe es derzeit Kritik: Die regierenden Tories fänden, dass die BBC nicht unabhängig berichte, sondern die Konservativen gezielt angreife. Im Rahmen der Operation „Rotes Fleisch“ sei die angekündigte Abschaffung der Rundfunkggebühren daher auch „nicht der schwächste Posten“ von Boris Johnson, schätzt Heuer.“
Auch in Deutschland werde eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angestrebt. Dies berichtete die Welt Ende Oktober letzten Jahres unter Bezugnahme auf einen Reformentwurf. Allerdings klammerte dieser die Frage der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus.